112-Peterson: Warum es langweilig ist, Superman zu sein

Ohne unsere Fehler gäbe es keine Geschichte und wahrscheinlich auch kein Leben. Ein guter Grund, zu akzeptieren, dass wir voller Mängel sind und dies als Grundvoraussetzung unserer Existenz zu betrachten.

Fiktion destilliert die Wahrheit. Sie erschafft zusammengesetzte Figuren. Und je zusammengesetzter diese sind, desto mehr ähneln sie einem mythologischen Charakter. Damit werden sie auf eine immer universellere Weise wahr und Göttern immer ähnlicher. Das Problem ist, dass sie sich damit immer weiter von der individuellen Erfahrung entfernen. In der Literatur gibt es eine schmale Linie zwischen der Überwindung des rein Menschlichen einer Figur und der gleichzeitig nicht zu starken Überhöhung zum Göttlichen.

Werfen wir einen Blick auf die Entwicklung von Superman in den Achtzigern. Superman hat außerirdische Eltern und menschliche Zieheltern. Er ist eine Waise, genau wie Harry Potter, ein typisches Motiv. Als Superman zuerst auftauchte, konnte er nur über Gebäude springen und vielleicht eine Lokomotive anhalten. In den Achtzigern konnte er dann plötzlich mit Planeten jonglieren und Wasserstoffbomben schlucken. Er konnte auf einmal also praktisch alles. Das hatte zur Folge, dass sich die Superman-Comics nicht mehr verkauften, denn was sollte daran besonders interessant sein? Irgendetwas Schreckliches passiert, und Superman wird damit fertig. Das wiederholte sich ständig. Eine ziemlich dumme Handlung.

Superman war damit zum totalen Archetypen, im Grunde zum allmächtigen Gott geworden. Die Geschichten machten keinen Spaß mehr, weil es letztlich darum ging, dass Gott immer und immer wieder gewinnt. Also musste man Superman daraufhin wieder etwas schwächen. Die Macher brachten dazu das fiktive Mineral Kryptonit ins Spiel: Grünes Kryptonit machte ihn krank, rotes Kryptonit ließ ihn meiner Erinnerung nach mutieren. Jedenfalls musste man Mängel in seinen Charakter einbringen, um überhaupt so etwas wie einen Plot kreieren zu können.

Darin verbirgt sich eine tiefe, existenzielle Lektion. Unsere Existenz ist limitiert, mangelhaft und fragil. Wir sind wie der Geist aus der Wunderlampe. Wir haben ein enormes Potenzial, sind aber auf einen winzigen Lebensraum beschränkt. Als Robin Williams den Dschinn in Aladdin spielte, sagt er: „Die Tatsache, dass wir limitiert sind, bedeutet, dass die Handlung unseres Lebens in der Überwindung dieser Einschränkungen besteht. Wären wir nicht fehlbar, gäbe es keine Geschichte und vielleicht kein Leben.“

Vielleicht ist das ein guter Grund dafür, zu akzeptieren und damit zu leben, dass wir voller Mängel und Fehler sind und es als Grundvoraussetzung unserer Existenz zu betrachten. Es ist immerhin eine vernünftige Idee.

Dies ist ein Auszug aus einem Video von Jordan B. Peterson.

 

Jordan B. Peterson (* 12. Juni 1962) ist ein kanadischer klinischer Psychologe, Sachbuchautor und emeritierter Professor. In seinen Vorlesungen und Vorträgen vertritt er konservative Positionen und kritisiert insbesondere den Einfluss der Political correctness und die Genderpolitik. Sein 2018 erschienes Buch 12 Rules for Life war internationaler Bestseller.

Foto: Gage Skidmore CC BY-SA 2.0 via Wikimedia Commons

Achgut.com ist auch für Sie unerlässlich?
Spenden Sie Ihre Wertschätzung hier!

Hier via Paypal spenden Hier via Direktüberweisung spenden
Leserpost

netiquette:

Lutz Liebezeit / 01.01.2025

Wer in allem haushoch überlegen ist, hat vom Leben schnell genug. Gott und Mensch unterscheiden sich nicht überall in den Kräften, sondern daß der eine unsterblich ist und der andere nicht. In den Pantheons wird oft belogen und betrogen und dem anderen die Frau ausgespannt. Manche Götter kommen nur auf die Erde, weil die Frauen so schön sind. Die alten Götter sterben in der Endzeitschlacht, zwei Menschen hingegen überleben sie. In der neuen Welt übernehmen die jungen das Ruder. / Die Geschichte von Jesus wird auch verklärt. Was hat er in den 30 Jahren seiner Abwesenheit getan? Sein Stiefvater Joseph hatte einen ehrbaren Beruf, der war Tischler. Jesus ging bei ihm in die Lehre. (Kinderheitsgeschichten, auch anderswo) Nur rumhängen und schlau zu reden, macht nicht satt. Der war gewiss ein Tischer oder Zimmermann auf der Walz und hat damit seine Brötchen verdient. Das eine schließt das andere ja nicht aus.

Albert Pelka / 01.01.2025

Gerade weil ich Peterson sehr schätze, finde ich es , um seinetwillen, schade, dass er doch was ihn allein an und für sich selbst angeht, doch etwas zu lange für diese Selbsterkenntnis gebraucht hat.  Und hoffe jetzt wieder auf mehr neugewonnene innere Stablilität für ihn, (viel Feind ist nicht bloß viel Ehr, sondern vor allem viel innere Destruktion, Verletzung, Basale Icherschütterung) und wieder mehr Produktivität für uns deshalb wieder.

Volker Kleinophorst / 01.01.2025

Fehler sind das Salz des Lebens? Auch mal was richtig zu machen, scheint mir wichtiger.

Gerd Quallo / 01.01.2025

Deshalb “glaube” ich auch, dass es “Gott” sch…langweilig sein muss. Deshalb träumt er nun in Form meiner Person. Irgendwann erwache ich, bin wieder Gott und denke: “Gott sei Dank.”

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen

Es wurden keine verwandten Themen gefunden.

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com