112-Peterson: Warum die Wirtschaft von Vertrauen lebt

Vor einiger Zeit las ich ein sehr interessantes Buch mit dem Titel „Wohlstand und Armut der Nationen: Warum die einen reich und die anderen arm sind“ von David Landes, einem emeritierten Harvard-Professor für Geschichte. Eines der Dinge, die er behauptete, fand ich besonders intelligent, nämlich, dass die einzig wahre natürliche Ressource das Vertrauen zwischen den Menschen ist.

Sobald eine Gesellschaft entsteht, in der die Menschen einander vertrauen, wird sie sofort reich. Landes führt hier Japan als Beispiel an, das eine sehr gewissenhafte und sehr reiche Gesellschaft ist. Aber die Japaner haben keine nennenswerten natürlichen Ressourcen. Und doch sind sie reich. Und dann gibt es Länder wie seinerzeit die Sowjetunion und heute ein Großteil Südamerikas, beispielsweise Venezuela, wo es von natürlichen Ressourcen nur so wimmelt, und dennoch absolut katastrophale Verhältnisse herrschen. Absolute Katastrophen des Zynismus und der Korruption.

So versuchte Landes, das Verhältnis zwischen dem standardmäßigen Vertrauen zwischen den Bürgern innerhalb der Länder und ihrer Produktivität, ihrem Bruttoinlandsprodukt sowie ihrem Lebensstandard zu dokumentieren und fand heraus, dass diese Dinge sehr stark zusammenhängen.

„Wow, das ist ja unglaublich”

Ich möchte an dieser Stelle eine persönliche Geschichte erzählen, die dies, wie ich finde, gut bekräftigt. Eines Tages lieh ich mein Auto, ein altes Cadillac, einem meiner Doktoranden, und er fuhr damit nach Montreal. Dort gab es ein sehr heftiges Unwetter. Er fuhr auf dem Highway und das Wasser stand ungefähr 15 Zentimeter hoch. Er bog um die Kurve, bremste, rutschte auf dem Wasser aus und schlug gegen die Autobahnwand. Mit der Ecke der Stoßstange. So brachte er mir das Auto dann zurück und war natürlich sehr zerknirscht. Das war vor ungefähr 20 Jahren.

(...)

Ich ließ nun den Schaden des Autos bewerten. Die Reparaturkosten betrugen ungefähr 1.700 Dollar, fast genauso viel, wie das Auto wert war. Das wollte ich auf keinen Fall. Ich ging also ins Internet und fand einen Händler, der anbot, mir die gesuchte Stoßfängeranordnung, also Stoßstange inklusive Lampen, für 250 Dollar zuzusenden. Ich willigte ein. Eine halbe Stunde später rief er mich an, ein Südstaatler mit einem starken Mississippi-Akzent und fragte: „Warten Sie mal, war das jetzt nur die Stoßstange oder die Stoßfängeranordnung?”

Ich sagte: „Das war für die Stoßfängeranordnung.” „Oh, ich dachte nur für die Stoßstange. Aber das ist schon in Ordnung. Ich schicke sie Ihnen trotzdem.” Das fand ich sehr nett, ich bedankte mich und legte auf. Eine halbe Stunde später rief er wieder an und sagte: „Ich habe mir die Stoßfängeranordnung gerade nochmal angeschaut. An der Seite ist eine Plastik-Verkleidung, die einen Kratzer hat. Ich dachte, ich gebe Ihnen Bescheid, falls Sie sie jetzt doch nicht mehr wollen.”

Ich dachte mir: Wow, das ist ja unglaublich. Dieser Mann ist ein Wunder. Dieser Typ sitzt irgendwo in Mississippi, ich werde ihn nie wieder sehen. Ich werde nie wieder Kontakt mit ihm haben. Gerade hat er mit mir einen schlechten Deal gemacht. Das gekaufte Teil war mehr wert, als er dafür haben wollte, aber er blieb bei diesem Deal, und dann ging er sogar noch über seine Sorgfaltspflicht hinaus, indem er mir mitteilte: „Nun, das Stück, das ich Ihnen unter Wert verkaufe, ist beschädigt. Ich dachte, ich sage Ihnen das besser.”

Die Währung heißt Vertrauen

Ich antwortete ihm also: „Danke, dass Sie mir Bescheid geben. Der Kratzer ist kein Problem, schicken Sie mir das Teil bitte zu.” Und das machte er, ich konnte das Auto reparieren, vergab meinem Doktoranden – Ende gut, alles gut. Wir haben es hier also mit dem Thema Vertrauen zu tun. Der Händler war mir gänzlich unbekannt und im Grunde ein durchtriebener Primat wie wir alle. Und doch schaffte er es, sich als so vertrauenswürdig zu zeigen, dass ich ihn beim Wort nehmen konnte. Und so konnten wir handeln, obwohl wir absolute Fremde waren. Den Nutzen davon kann man gar nicht hoch genug einschätzen.

Nach diesem Prinzip funktioniert eBay. Als eBay startete, glaubte so mancher: „Es wird sich nicht durchsetzen, weil der eine Schrott verschickt und der andere einen ungedeckten Scheck sendet.” Das hätte ein jähes Ende von eBay bedeutet. Daher gab es damals Treuhänder, um eine Transaktion absichern zu können, man musste dafür etwa 10 Prozent der Transaktion bezahlen. Die Treuhänder nahmen den Scheck und die Waren entgegen, stellten sicher, dass alles in Ordnung ist, und leiteten dann beides weiter.

Es zeigte sich aber, dass diese Treuhänder kein Geld verdienten. Weil nämlich niemand betrog. Unglaublich, oder? Man führt Menschen über einen ganzen Kontinent hinweg zusammen, die sich nie gesehen haben und nie wieder etwas miteinander zu tun haben werden. Und das funktionierte schon, bevor es das Bewertungssystem auf eBay gab. Die meisten Transaktion liefen so ab, dass der Verkäufer seine Ware ehrlich beschrieb, einschließlich ihrer Mängel, einen angemessenen Preis festlegte, den der Käufer bereit war zu bezahlen, woraufhin der Verkäufer die Waren versendete, der Käufer bezahlte, und es funktionierte.

eBay setzte eine enorme Menge an Kapital frei, das zuvor eingefroren war. Mit eingefrorenem Kapital meine ich Dinge, in die man einst Geld investierte, die für einen aber nicht mehr nützlich sind. Das Geld liegt sozusagen eingefroren herum und kann nicht locker gemacht werden. Man hat einen Dachboden voller Müll, wie will man den loswerden? Und dann kam eBay. Und so wurden plötzlich all diese Dinge, die nur Schrott waren, wertvoll, und jeder wurde reicher, und nichts davon hätte ohne den Bund geschehen können, den wir untereinander geschlossen haben und der auf Vertrauen basiert. Und so könnte man sagen, dass Vertrauen die Währung ist. Und Währung ist Vertrauen, weil es ein Schuldschein ist. Und wenn die Leute lügen, dann wird die Währung sehr, sehr schnell entwertet. Und somit lebt die Wirtschaft von Vertrauen.

Dies ist ein Auszug aus einem Vortrag von Jordan B. Peterson. Hier geht's zum Originalbeitrag.

Foto: jordanbpeterson.com

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Leserpost

netiquette:

herbert binder / 04.09.2019

Vertrauen ist gut - doch was ist besser? Richtig, noch mehr Vertrauen.

Marcel Seiler / 04.09.2019

Autor Peterson hat 100 % recht. Vertrauen ist *das* Gesellschaftskapital.  Sein Fehlen ist dafür zuständig, dass die Milliarden an Entwicklungshilfe nichts verändern. Die ungesteuerte Einwanderung Kulturfremder sowie die kommenden sozialistischen Enteignungen werden wird durch den Abbau dieses Gesellschaftskapitals zum wirtschaftlichen Niedergang Deutschlands führen. Den Wert des Produktionsfaktors Vertrauen wird man erst dann voll schätzen, wenn er weg und wenn es zu spät ist.

Rolf Mainz / 04.09.2019

Netter Denkansatz, leider unzutreffend. Einige der objektiv rückständigsten Gesellschaften/Ethnien/Religionen mögen sogar hohes gegenseitiges Vertrauen aufweisen, fortschrittlicher wurden sie trotzdem seit Jahrhunderten nicht. Beispiele liegen derart offensichtlich auf der Hand, dass deren Nennung an dieser Stelle überflüssig ist… Worauf es wirklich ankommt? Auf furchtbar altmodisch anmutende Tugenden wie Fleiss, Disziplin, Pünktlichkeit, sprich: Arbeitsmoral in Verbindung mit erstens Bildung, zweitens Bildung und drittens Bildung. Deutschland ist also auf dem besten Wege - allerdings in die falsche Richtung.

Ludwig Flocken / 04.09.2019

Vor 16 Jahren wollte ich wissen: wenn man jemandem mehr Vertrauen entgegenbringt als üblich, wird man dann enttäuscht? - Ich habe also in meiner kassenunabhängigen Facharztpraxis den Patienten gesagt, sie könnten nach antikem Vorbild selbst festlegen, was ein angemessenes Honorar sei. Ergebnis: 98% haben das nicht geizig ausgenutzt, weitgehend unabhängigvom Behandlungserfolg. Nebeneffekt: die Ärztekammer hatmich verklagt, das Berufsgericht verurteilt. 6 Jahre lang hat es gut funktioniert.

Karla Kuhn / 04.09.2019

“Und wenn die Leute lügen, dann wird die Währung sehr, sehr schnell entwertet. Und somit lebt die Wirtschaft von Vertrauen.”  WENN es so wäre, wäre es wundervoll. Nur, WO ist heutezutage das Vertrauen ?? Oder war es noch nie vorhanden ?? Wahrcheinlich hat es sich oberflächlich gezeigt, ist aber danach wieder in der Versenkung verschwunden.  Mit dem Vertrauen ist es wie mit dem Respekt, BEIDE muß man sich verdienen ??  Glauben Sie wirklich , daß  die POLITIKER, die WIRTSCHAFT und die MEDIEN sich Vertrauen und Respekt verdient haben ??  “Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube ”  Goethe.  NICHTS hat sich bis heute geändert, weil es schon immer eine Illusion war, von dem “heren, selbstlosen, guten Menschen.”

Wolfgang Kaufmann / 04.09.2019

Die Kirche mag barmherzig sein; der Staat darf das nicht. Der einzelne mag Vertrauen riskieren, aber verordnen darf man Naivität nicht. – Die Dogmatiker des Ponyhofs sollten sich organisieren; wenn nicht als Shi*hole Partei Deutschland, so doch als Arbeitskreis Totes Pferd. Doch trotz Scheiterns würden sie nicht gescheit werden, sondern noch auf dem Scheiterhaufen röcheln: „Ich liebe doch alle“, worauf das Publikum raunt: „Ihr uns auch.“

beat schaller / 04.09.2019

So richtig treffend Herr Peterson und es stimmt genau. So ist es. Einfach und eben vertrauensvoll. Vertrauen ist die Basis für jeglichen anständigen und verlässlichen Umgang. So einfach das tönt.  Auf dem Land , zu mindest in der Schweiz, kauft man Eier, Blumen, Bauernzopf und teilweise auch Eiscrèm und vieles mehr an einem nicht bewachten offenen Stand. Die Preise sind angeschrieben, die Kasse ist am Stand befestigt. kein geklaue, keine Beschädigungen, es funktioniert einfach. Auf Vertrauensbasis. Das macht auch immer einen speziellen Eindruck auf Touristische Gäste aus aller Welt. Leider gibt es das in der Politik nicht mehr. b.schaller

Andrea Nöth / 04.09.2019

Sie haben Recht - ohne Vertrauen taugt das Leben nichts. Wenn du nicht darauf vertrauen kannst, dass der hustende Mann neben dir im Zug keine offene TBC hat. Wenn du dich am Bahnsteig lauernd umdrehst, weil du nicht mehr wissen kannst, wer hinter dir einen Angriff plant. Auf der Rolltreppe in der U-Bahn - die Männergruppe? Du kannst nicht darauf vertrauen, dass sie dich nicht begrapschen, dich wie ein Tier angrinsen, dich verhöhnen oder dich lieber doch vergewaltigen, wenn ihnen danach sein sollte. Du kannst auch nicht darauf vertrauen, dass sie dich nicht dabei zusätzlich mit einer abenteuerlichen Krankheit anstecken - die es erst seit ein paar Jahren wieder in Dummland gibt. In der Klinik geht’s zu wie im Feldlazarett - gegen Multiresistente Keime tut keiner was. Du kannst nicht entspannt in Ruhe deine Bahnen im Schwimmbad ziehen, weil du nicht mehr darauf vertrauen kannst, dass da unter dir kein Mann taucht und dich begrapscht. Du kannst dir nicht sicher sein, nicht mit der größten Verachtung, bedrängend und unverschämt beglotzt zu werden, falls du mit dem kleinen Schwarzen (Kleid) unterwegs bist. Du kannst nicht mehr darauf vertrauen, dass der schlecht beleuchtete Radweg, nicht zu deinem letzten Weg wird. Du kannst nicht darauf vertrauen, dass der Mann im Supermarkt bestimmt kein Messer in der Tasche hat, dich bedroht und absticht falls du nicht demütig zur Seite trittst. Du kannst nicht mehr darauf vertrauen, jemanden offen ins Gesicht zu schauen, ohne dafür angegriffen zu werden. Du kannst auch nicht mehr offen deine Meinung sagen, ohne deine Existenz zu verlieren. Du kannst nicht darauf vertrauen, dass es ein Unfall ist, wenn du nachts auf der Bundesstraße von jemanden um Hilfe rufend zum anhalten gezwungen werden sollst. Wenn du eine Reinigungskraft in dein Haus lässt, die ihre Freunde, die Einbrecher schickt und deren Familie dich zusammenschlägt - dann - kannst du dich aber darauf verlassen, dass auch das niemand zu bestrafen bereit ist.

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