112-Peterson: Wagen Sie das Bedeutsame!

Im Folgenden geben wir einen Auszug aus einem Interview wieder, das Thorbjorn Thordarson vom zweiten isländischen Kanal mit Jordan B. Peterson geführt hat.

Thordarson: „Verfolge das Bedeutsame, nicht das Zweckmäßige“, heißt es in Ihrem Buch (12 Rules for Life, Anm. d. Red.). Sie schreiben weiter: „Es braucht weder Vertrauen, noch Mut, noch ein Opfer, um das Zweckmäßige zu tun.“ Was raten Sie denn denjenigen, die nicht ihre Träume verfolgen, sondern in ihrer beruflichen Laufbahn feststecken, weil sie zu große Angst davor haben, Risiken auf sich zu nehmen und etwas Bedeutsames zu tun?

Peterson: Das erste, was ich sagen würde, ist: „Man sollte Angst davor haben, Risiken einzugehen und etwas Bedeutsames zu verfolgen. Aber man sollte noch größere Angst davor haben, auf der Stelle zu treten, wenn es einen unglücklich macht.” Zunächst einmal sollte man sich von der Idee verabschieden, dass es eine permanente Sicherheit gibt, abgesehen von der eigenen Fähigkeit sich zu behaupten und anzupassen. Das sollten schon Kinder lernen. Während man da sitzt und unglücklich ist, kann man sich zwar sagen: „Besser der Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach.” Ich wäre mir da aber nicht so sicher. Die Uhr tickt. Und wer jetzt unglücklich in seinem Job ist und nichts ändert, wird in fünf Jahren noch viel unglücklicher und viel älter sein.

Thordarson: Aber ist es nicht ein ziemlicher Luxus, das Bedeutsame zu verfolgen? Viele Menschen haben Kinder, Kredite, müssen Rechnungen zahlen. Es ist purer Luxus, sich nur um das Bedeutsame zu kümmern, denn wir haben nicht die Ressourcen dafür.

Peterson: Es geht hier nicht nur darum, lediglich sein eigenes Glück zu verfolgen. Es ist tatsächlich Luxus, das zu verfolgen, was einen glücklich macht. Es ist hingegen eine moralische Verpflichtung, das zu verfolgen, was man für bedeutungsvoll hält, und das heißt noch lange nicht, dass es einfach ist. Es könnte Opfer erfordern. Nehmen wir an, Sie wollen sich beruflich verändern. Sie haben eine Familie, Kinder und eine Hypothek, Sie tragen Verantwortung. Sie haben diese Verantwortung bereits übernommen. Sie können sich dem nicht einfach ungeschoren entledigen. Wenn Sie jetzt also sagen: „Ich kann meinen Job nicht ausstehen, ich kündige”, dann ist das natürlich keine Strategie. Stattdessen könnten Sie sich sagen: „Mein Job treibt mich in den Wahnsinn. Was kann ich dagegen tun? Ich muss mir einen anderen Job suchen. Nur leider will mich niemand einstellen.” Na gut, vielleicht müssen Sie sich mehr bilden, vielleicht müssen Sie Ihren Lebenslauf auf Vordermann bringen, vielleicht müssen Sie Ihre Angst vor Vorstellungsgesprächen überwinden, vielleicht müssen Sie Ihre sozialen Fähigkeiten verbessern. Man muss sich diese Dinge strategisch überlegen. Wenn Sie einen Jobwechsel vorhaben, müssen Sie das auf intelligente, verantwortungsbewusste Weise tun. Es kann ein paar Jahre dauern, bis es Ihnen gelingt.

Thordarson: Wenn Sie sagen, man solle etwas Bedeutsames verfolgen, ist es dann auch wichtig, eine Berufung zu haben?

Peterson: Ich denke, es ist wichtiger, ein Berufsethos zu haben. Ich habe beispielsweise ein Online-Programm namens Future Authoring Program kreiert, das es Menschen ermöglicht, eine Vision für ihr Leben zu finden und dann eine Strategie zu entwickeln. Es ist eine Erweiterung der Ideen, die ich im Buch äußere oder zumindest etwas in der gleichen Richtung. Zunächst sollte man sich vorstellen, dass man sich um sich selbst kümmert, wie man es für jemand anders tun würde, was übrigens Regel Nummer Zwei ist. Dann sollte man herausfinden, was man gerne hätte, wenn man alles haben könnte, was man braucht und möchte. Was für Freunde möchte man haben? Wie würde man seine Familienbeziehungen gestalten? Wie würde man sich gegenüber seinen Kindern verhalten? Wie würde man sich selbst bilden? Man sollte sich wirklich vorstellen, wie man leben wollen würde, wenn man sich alles aussuchen könnte. Und dann kann man auf dieses Ziel hinarbeiten. Das Faszinierende ist, dass, sobald man sich ein solches Ziel setzt und darauf hinarbeitet, man sich darauf zubewegt. Das Ziel wird sich ändern, denn man wird auf dem Weg dorthin einiges lernen.

Ich habe als klinischer Psychologe mit Hunderten von Menschen zu tun gehabt und immer wieder zeigte sich: Man muss sich ein Ziel setzen, eine Vision entwickeln und daran arbeiten, und die Dinge werden zwangsläufig besser. Es ist also kein Luxus, sondern schwierig. Es geht um eine moralische Verantwortung, nicht um Glück.

Dies ist ein Auszug aus einem Interview, das Thorbjorn Thordarson vom zweiten isländischen Kanal mit Jordan B. Peterson geführt hat. Hier finden Sie den Auszug und hier geht's zum gesamten Interview.

Foto: jordanbpeterson.com

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Leserpost

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Dr. Hans Wilhelm Meier / 21.08.2019

Warum bestärkt jeder Artikel von Herrn Peterson, den ich hier lese, mein altes Urteil über Psychologen ? Nichts gegen Psychologie !!  Seit nunmehr 66 Jahren beobachte ich Psychologen und werde immer an diesen Spruch von Herrn Broder erinnert, den mit der Klatsche. Ceterum censeo der Islam gehört weder zu noch nach Deutschland.

Gabriele Klein / 21.08.2019

Danke für die wichtigen Überlegungen.  Da ist was dran mit einer kleinen Einschränkung. Leider gibt das Leben die “Selbstverwirklichung” für Jeden nicht her. Selbst wenn würde auch der interessanteste Job wird irgendwann “Alltag” . Viel wäre bereits erreicht durch einen Arbeitsplatz bei dem keine “üble Nachrede” erfolgt (manche nennen es mobbing)  Ich sah im Laufe meines Berufslebens unzählige unschuldige Köpfe ganz genau deshalb rollen…......... Manchmal wussten sämtliche Kollegen mit Ausnahme jener Vorgesetzten, die das Spiel hätten beenden können,  dass, ganz egal, wer der nächste Nachfolger auf dem ausgeschriebenen “Feuerstuhl” sein wird, er die Probezeit niemals überleben wird.  Vielleicht gilt also auch bei der Selbstverwirklichung weniger ist mehr.  U.U. liegt sie in ganz “kleinen” Dingen wie “Selbstironie” anstatt den eigenen Selbstwert auf Kosten des Andern durch gezielten Rufmord aufzubauen wie es unsere Politiker für viel Geld vorleben.

Werner Arning / 21.08.2019

Stehen solche Dinge nicht in jedem (billigen) Lebens-Ratgeber-Büchlein?

Dieter Kief / 21.08.2019

Es ist die kantische Pflicht-Ethik, um die der gute Dr. Peterson kreist, angereichert mit Gutem-Zureden für die Ungeduldigen unter unseren Zeitgenossinnen und Zeitgenossen, denen er begreiflich zu machen versucht, dass die hohe Ethik keine sofortigen Gratifikationen kennt, sondern geübt (!) werden will, und daher ohne Geduld nicht zu haben ist. Alles ok. Merkwürdig ist, dass Kant dabei keine Rolle spielt. Kant ist aber in Overseas bissle unbeliebt. Petersons Weggefährte und (häufig) Mitstreiter Steven Pinker, ebefalls sozialpsychologisch unterwegs, hat Kant - ausgerechnet! - in seinem aktuellen Buch “Aufklärung JETZT” sogar ein wenig verhackstückt. Es bleibt aber dabei: Wir haben eine moralische Pflicht gegenüber der Welt - und der Ausdruck “die Welt” schließt uns selber mit ein. Wir haben also auch uns selber gegenüber eine moralische Pflicht. Die Einhaltung diesre Pflicht erst fundiert unsere Freiheit, so Kant. Einer der härtesten Kant-Punkte, die derzeit am meisten verletzt werden: Tatsachen sollen, sagt Kant, anerkannt werden. Und das schließt wissenschaftliche Tatsachen natürlich mit ein. Peterson folgt Kant hier, selbst da, wo es derzeit am meisten wehtut, nämlich in Sachen Rasse und IQ - insbesondere im Hinblick auf die 12 IQ-Punkte, die die US-Schwarzen unter dem US-Durchschnitt liegen - auch in Bezug hoher jüdischer Durschnitts-IQ ist Peterson deutlich, sowie im Hinblick auf die Geschlechterdifferenzierung: Also Frau (im Durchschnitt!) eher sozial geneigt, Mäner dagegen eher technisch. Noch was: Wenn Kant sollen sagt, so meint er, dass vernünftige Leute der Sollens-Ethik folgen, aber dass es selbstverständlich auch andere Leute gibt, und dass man daran erstmal nichts machen kann. Aber für alle, die vernünftig sein wollen, gilt das kant’sche Sollen unbedingt. Fertich.

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