112-Peterson: Vorstellungkraft und Rollenspiele

Warum wir viel vom Spiel der Kinder lernen können.

Kinder spielen, und es heißt im Evangelium, dass man das Himmelreich nicht betreten wird, wenn man nicht wird wie die Kinder. Das ist eine sehr komplizierte Aussage, die zum Teil bedeutet, dass man die ursprüngliche Wahrnehmung des Wunders wiedererlangen muss, die man als Kind hatte.

Eines der Dinge, die absolut wunderbar sind an kleinen Kindern, ist die Art, wie sie einen für die Sorgfalt entschädigen, die man aufbringt, wenn man sich um sie kümmert. Sie versetzen einen in die Lage, die Welt mit neuen Augen zu sehen. Es ist schwer, sich dafür zu öffnen, besonders wenn man ein Erwachsener ist. (...)

Wir hören irgendwann auf zu spielen, wenn wir älter werden, und wir denken, dass wir reifer werden. Aber das stimmt nicht. Vielmehr sind wir nicht mehr dazu in der Lage. Ich denke, dass vieles davon mit dem Schock der Pubertät zusammenhängt, weil man die Sexualität in das Spiel integrieren muss. Das ist schwer und herausfordernd. Zum einen, weil es wahrscheinlicher ist, sexuell zurückgewiesen zu werden und zum anderen, weil es ein gefährlicheres Spiel ist.

Kinder stellen sich vor, wer sie sein könnten

Ich glaube, einer der Gründe, warum wir in den letzten 30 Jahren eine Art Explosion von Unglücklichsein und psychischen Erkrankungen erlebt haben, ist, dass wir mit vielem was wir taten, unbeabsichtigt die Fähigkeit der Kinder zum Spielen beeinträchtigt haben. So ist es zum Beispiel für Jungen sehr schwer, in der Schule zu spielen, weil fast alles, was von ihnen verlangt wird, dem männlichen Spielethos zuwiderläuft. (...)

Väter ringen gern mit ihren Kindern, und Kinder mögen und brauchen das. Das lehrt sie, die Grenzen des Körpers zu erleben und der Angst ausgesetzt zu sein. Vielleicht wirft der Vater das Kind in die Luft und fängt es auf. (..) Es ist kein Wunder, dass Kinder vor Schreck und Freude schreien. Sie lernen so, was ihnen weh tut und was nicht. (…) Genau dort, wo es fast weh tut, ist es am aufregendsten, und zum Teil geht es beim Spielen darum, es so aufregend wie möglich, aber nicht zu aufregend zu machen. Raufereien beinhalten Schmerz und Angst und Aufregung und Frustration und Abwechslung. (...)

Kinder stellen sich vor, wer sie sein könnten. Sie konstruieren eine fiktive Figur, einen Vater oder eine Mutter. Sie übernehmen die Rollen, die sie als Erwachsene einnehmen werden. Und wenn sie das nicht machen, wissen sie in der Zukunft nicht, wie sie es tun sollen. Eines der Dinge, über die ich mir bis zu einem gewissen Grad Sorgen gemacht habe, als mein Sohn klein war, war, dass er von seiner älteren Schwester und ihren Freundinnen als Prinzessin oder Fee verkleidet wurde.

Woher weiß man, ob man mit einer anderen Person richtig interagiert?

Ich wollte nicht, dass es zu weit geht, was auch immer das heißen mag. Aber dann habe ich gemerkt, dass er Spaß hat. Ich habe es sehr genau beobachtet, um zu sehen, was vor sich geht, und ich beschloss, die Kinder in Ruhe zu lassen. Er spielte nach, wie es ist, ein Mädchen zu sein. Wie um alles in der Welt will man das verstehen, wenn man es nicht nachspielen kann. (...)

Wenn Sie eine gute Ehe haben und je mehr Sie das, was Sie tun, zum Spiel erheben können, desto besser geht es Ihnen in jeder Hinsicht. Es gibt Voraussetzungen für das Spiel bei Kindern. Eine Voraussetzung ist, dass die Person, mit der Sie spielen möchten auch mit Ihnen spielen möchte. Es muss zu 100 Prozent freiwillig sein. (...)

Woher weiß man, ob man mit einer anderen Person richtig interagiert? Nun, man könnte sich fragen, was bedeutet „richtig“? Es könnte bedeuten, dass sie mit dir interagieren wollen, es könnte bedeuten, dass sie mit dir auf eine Weise interagieren wollen, die sich viele Male wiederholt und vielleicht sogar verbessern kann, während sie sich wiederholt. Man will mit den Leuten auskommen. Man will, dass es jetzt funktioniert, aber man will, dass es auf eine Weise funktioniert, die im Laufe der Zeit immer besser wird. (...)

Und das passiert, wenn man spielt. Die Leute finden es zum Beispiel absolut reizvoll, wenn man mit seinen Freunden in einer Bar sitzt und herumalbert. Das kann ziemlich grob werden, aber das muss es nicht. Es könnte auch nur in eine grobe Richtung gehen, weil das Spaß macht und ein bisschen anstachelnd ist, um zu sehen, wo man die Grenze findet. Das kann sehr unterhaltsam sein, und das geschieht alles im Geiste des Spiels. Man könnte sagen, dass eine richtige Freundschaft tatsächlich auf dem Geist des Spiels basiert.

Dies ist ein Auszug aus einem Video von Jordan B. Peterson.

 

Jordan B. Peterson (* 12. Juni 1962) ist ein kanadischer klinischer Psychologe, Sachbuchautor und emeritierter Professor. In seinen Vorlesungen und Vorträgen vertritt er konservative Positionen und kritisiert insbesondere den Einfluss der Political correctness und die Genderpolitik. Sein 2018 erschienes Buch 12 Rules for Life war internationaler Bestseller.

Foto: Gage Skidmore from Peoria, AZ, United States of America - Jordan Peterson, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons

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Ulla Schneider / 03.07.2024

“Das Spiel des Kindes” von Jean Chateau, wahrscheinlich nur noch als Rarität zu erhalten. “Fliegen möcht ich” von einer amerik. Tänzerin und Pädagogin, zwei Bücher dieser Themen sind eine Offenbarung. Dazu “Die Leere” von Klee. -Der Moment, in der die Kreativität erwächst ist die Stille des Überlegens in der Leere.  Dann das Tun durch das Ich, die Bestätigung “ich kann es” oder “ich versuche es nochmal”, ohne Beurteilung sondern aus freien Stücken heraus das Wunder des Fortkommens zu genießen. Der Genuss, etwas zu tun, um daran zu wachsen. Der ganze Geist “erwundert” seine Welt.  Das “Gefühlsüben”  mit anderen und die Reaktionen “call and response” - Oh ja, ich habe im freien Tanz mit Kindern mehr gelernt als im Studium, “they teached me to remember everything and everything could be happen” . Pina Bausch’s Lebensthema war “tanzt, tanzt tanzt sonst seit ihr verloren”  - im übertragenem Sinne.

Ralf Pöhling / 03.07.2024

Wenn man einmal verstanden hat, dass man seines eigenen Geistes Kind ist, also wirklich begriffen hat wie das Gehirn funktioniert, ist alles möglich. Alles.

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