112-Peterson: Vertagen Sie nicht Ihre Probleme

Wenn man Konflikte vertagt, werden sie normalerweise nicht besser, sondern schlimmer. Es ist eine irrige Annahme, dass man seine Position verbessert, indem man Streit aus dem Weg geht.

Wir werden, was wir tun. Das habe ich im Laufe meiner Tätigkeit als Psychologe immer wieder erlebt: Wenn man Konflikte vertagt, werden sie normalerweise nicht besser, sondern schlimmer. Früher hatte ich übrigens selbst den Hang zu einem solchen Vermeidungsverhalten. Indem man Streit aus dem Weg geht, glaubt man, später in einer besseren Position zu sein. Und auch dies wird höchstwahrscheinlich nicht der Fall sein.

Wenn man also das Gefühl hat, es sei nicht der richtige Zeitpunkt einen Streit auszutragen, dann habe ich dafür vollstes Verständnis. Ich hasse Streit. Ich bin von meiner Veranlagung her überhaupt nicht dafür gemacht. Ich habe jedoch durch schmerzhafte Erfahrung und nicht zuletzt dank meiner Arbeit als klinischer Psychologe gelernt: Wenn man die Spitze des Eisbergs sieht, dann kann man sich vorstellen, wie groß der gesamte Konflikt in Wirklichkeit ist. Und wenn man einen solchen Konflikt immer weiter durch eigene Dummheit und Zurückhaltung wachsen lässt, ist das extrem gefährlich. 

In der antiken Mythologie gibt es viele Beispiele, die diese Erkenntnis anschaulich unternauern. Der mesopotamische Schöpfungsmythos besagt zum Beispiel, dass ein Drache im Verborgenen immer größer und größer wird und droht, alles zu überschwemmen. Dieser wird am Ende durch den Gott Marduk besiegt. Die Idee, dass kleine unbeobachtete Dinge im Dunklen wachsen und schließlich riesig werden, ist uralt.

Konflikte zu vermeiden, um sich vermeintlichen Ärger zu ersparen, ist also keine gute Idee, vor allem wenn Sie Ihr Gewissen plagt. Denn es sieht in die Zukunft und weist uns darauf an, dass dieses kleine Problemchen bald viel größer sein wird, wenn wir es ignorieren.

Dies ist ein Ausschnit aus einem Gespräch zwischen Jordan B. Peterson und Chloé Valdary. Hier geht's zum Auszug und hier zum gesamten Gespräch.

Foto: jordanbpeterson.com

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Leserpost

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Ralf Pöhling / 26.01.2022

Das ist der Nagel auf den Kopf. Und zwar genau zur richtigen Zeit. Unsere Gegenseite vom anderen Ende des politischen Spektrums sendet unübersehbare Signale, das nicht enden wollende Problem gemeinsam per Querfront anzugehen. Man weiß offenkundig bescheid und sieht das Problem ebenso als Problem an. Ich bin bis jetzt noch nicht darauf eingegangen. Sollte das mit dem Aussitzen des Problems so weiter gehen, dann klopft das Hufeisen an die Tür. Ich gebe zu bedenken, dass die eine Hälfte des Sicherheitsapparates bereits auf unserer Seite steht. Beim Hufeisen wird es der gesamte Sicherheitsapparat sein. Und dann wird keiner mehr weich fallen, denn was da auf der Straße passiert, wird dann keiner mehr aufhalten. Die Uhr tickt. Und dieses mal zum letzten mal.

Robert Wilhelmy / 26.01.2022

Widerspruch: Vertagen sie ruhig ihre Probleme, insbesondere Streitigkeiten. Es ist keineswegs immer sicher, das der ausgesparte Streit in Zukunft viel größer ausfallen wird. Vieles im Leben regelt sich auch ohne unser Zutun völlig von selbst. Alles ist im Fluss und unterliegt permanentem Wandel. Potentielle Streitgegner ziehen weg, versterben, verschwinden oder werden sonstwie vom Leben ausgetauscht und dadurch lösen sich viele Probleme von ganz alleine. Jeder Streit, den man sich spart, schont Herz und Nerven.

Petra Wilhelmi / 26.01.2022

Und was sagt uns das, Herr Peterson? Ich bin durch eine harte Schule der Kritik und Selbstkritik gegangen als Angestellte einer Hochschule in der DDR., die durch und durch rot war. Ich sterbe nicht an Herzdrücken. Es wäre ja ganz gut, wenn Sie dass den Politikern sagen würden. Vielleicht wären diese dann bereit wahrheitsliebender zu sein und Kritik zu ertragen ohne gleich mit “Klassenkeile” zu drohen oder sie würden akzeptieren, dass Abgeordnete nur ihrem Gewissen nach abstimmen sollen.

Joerg Machan / 26.01.2022

“Wenn kein Sinn drin steckt, haben wir Glück: Dann müssen wir auch keinen suchen.” Frei nach Alice im Wunderland.

S. Andersson / 26.01.2022

Soll das eine Mahnung an die Politiker sein die ihren Job nicht können und gegen das Volk handeln?? Ob solche Menschen das verstehen? Ich für meinen Teil bin ein friedlicher Mensch und ich habe keine Probleme (ausser die Alters Bedingten) - wenn dann mache ich Probleme.

Werner Arning / 26.01.2022

Manchmal erkennen wir ein Problem, vermeiden aber, darüber zu reden, in der Hoffnung, dass es von alleine verschwindet. Doch stattdessen wächst es an. Es kommt uns immer wieder in den Sinn. Zum Beispiel nachts oder kurz vor dem Aufstehen. Daran zu rühren, erfüllt uns mit Angst. Oft berührt das Problem alte Verletzungen, die wir mit Mühe und Not verarztet haben, das Pflaster hält noch und wir wünschen nicht, dass jemand oder wir selber die alte Wunde anfassen. Denn wir trauen dem Pflaster nicht so recht? Hält es? Oder reißt die Wunde mit voller Wucht wieder auf? Dann riskieren wir erneut mit dem Leid konfrontiert zu werden, welches uns schon in der Vergangenheit gepeinigt hat. Vielleicht könnte man ein zweites Pflaster kleben? Und nicht mehr dran denken. Doch hilft dieses Zaubermittel nicht immer. Nicht auf Dauer. Da will etwas keine Ruhe geben. Durch Abwarten wird es schlimmer anstatt besser. Es meldet sich nur um so vehementer. Taucht in den Träumen auf. Was machen? Mit dem vertrauten Partner das Problem ansprechen? Und wenn das Reden nicht hilft? Wenn es dann erst recht schlimm wird? Unlösbar? Was, wenn es etwas Grundsätzliches ist? Etwas, was uns als Person total in den Griff nimmt? Und doch, es führt kein Weg am mutigen Schritt vorbei. Mitten hinein ins Auge des Wirbelsturms. Komme, was da wolle. Einen Fluchtweg gibt es nicht, die Lösung befindet sich mitten im Auge des Orkans.

Sara Stern / 26.01.2022

Konfliktscheue ist ein Phänomen des gesamten westlichen woken Mainstreams, der darauf bedacht ist niemandes Emotionals Gerüst zu verletzen, egal wie zartbesaitet das ist. Das bloße Aussprechen verifizierbarer Wahrheiten, wie “Fettleibigkeit führt zu Diabetes” wird schon als Beleidigung und Konfliktherd aufgefasst. Ich vermute es hat was mit der von Frauen forcierten Gleichsetzung physischer mit psychischer Gewalt zu tun. Gerade im Westen war die physische Gewalt (messbar, meiste Opfer: Männer) Jahrzehntelang rückläufig, sodass sich Opfer psychischer Gewalt (schwer messbar, meiste Opfer: Frauen) nicht öffentlich in der gleichen Weise profilieren konnten. Mit der nur schwer messbaren psychischen Gewalt, deren Ursache ebenso schwer quantifizierbar ist, konnte man endlich den Weg zur überemotionalisierten, leicht zu instumentalisierenden Gesellschaft öffnen. Jeder kann sich heute von alles und jedem angegriffen “fühlen”.

R. Reger / 26.01.2022

Wie wahr. Erinnert mich an die Hagakure Verse (Ehrenkodex der Samurai). “It is said: [When you make a mistake, never hesitate to correct it.] A wrongdoing can be rectified immediately if you are quick to address the problem. It will look worse if you try to cover it up, and you will suffer more.”

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