“Wahrheit ist ein sehr ausdehnungsfähiges Wort. Man kann an objektive Wahrheit denken, aber Verhaltenswahrheit ist nicht dasselbe wie objektive Wahrheit. Was man tun sollte, ist nicht dasselbe wie das, was ist. (...) Ich denke, der Grund dafür ist, dass Sie vor einem Feld stehen und das Feld sehen können, aber das Feld sagt Ihnen nicht, wie Sie hindurchgehen müssen. Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, wie man durch das Feld gehen kann. Sie können aus der Menge der Fakten, die vor Ihnen liegen, keinen unhaltbaren Leitfaden herausziehen, wie Sie handeln sollten, weil es einfach zu viele Fakten gibt. Und sie sind nicht richtungsweisend. Aber man muss wissen, wie man nicht leidet, man muss wissen, was das Ziel ist. Man muss die objektive Realität mit einer Interpretationsstruktur überlagern, und mit der Natur dieser Interpretationsstruktur werden wir uns intensiv befassen. (...)” Vermutlich handelt es sich bei dem Bild mit dem “unhaltbaren Leitfaden” um einen Übersetzungsfehler, denn was wäre mit Theseus geschehen, hätte er feststellen müssen, dass der Faden, den er am Eingang des Labyrinths verknotet hatte, sich selbständig gemacht hätte? Jordan Peterson möchte, denke ich, seinen Lesern begreiflich machen, dass wir es immer und überall nur mit “Interpretationen” einer objektiven Realität zu tun haben. Für einen nach letzten Begründungen fragenden Menschen ergibt sich daraus die Frage, wie solche Interpretationen entstehen, nach ihren Daseinsbedingungen. Das klingt trivial, ist es aber nicht. Das 19. Jahrhundert beispielsweise war geprägt von universalen Geschichtstheorien europäischer Historiker (Toynbee), die etwa indigene Völker hinsichtlich ihres sehr europäisch geprägten Maßstabs “kulturelle Rückständigkeit” unterstellten. Aus den Überlegungen Jordan Petersons kann m. E. nur die moralische Forderung nach einer Emanzipation des Wissensbegriffs aus der Umklammerung durch partikulare Machtinteressen folgen.
In einigen Fällen ist die “Wahrheit” schwer zu ertragen - dann muss irgendwie eine neue Wahrheit her! Was sollte denn ohne eine “Wahrheit” sonst wahr sein?! MfG
Ohne ( philosophisch) allzu tief einzusteigen, schon aus Platzgründen, folgende Hinweise zum Text :Wahrheit und Realitaet sind unterschiedliche Kategorien. Die Natur ist real, aber nicht wahr. Ein Tisch ist real, aber nicht wahr. Die Handlung eines Menschen ist real, aber nicht wahr. Die “Wahrheit” betrifft nichts Gegenstaendliches, Physisches, sondern ein nicht greifbares Immaterielles. Ebenso die Frage der Subjektivität und Objektivität und die Frage, ob es um Beschreibung, Bewertung oder Normierung geht. Realitaet ist nie normativ. Wahrheit kann normativ gemeint sein. An “meine” Moral, ohnehin nicht ueberall gleich, muss ich mich nicht selbst halten. Ethisch sieht die Sache anders aus, wenn ich eine allgemeine Ethik unterstelle. Dem Autor werden die Phaenomene der Selbsttaeuschung, der Illusion, des sich selbst etwas vormachen,bekannt sein. Mit Wahrheit das nichts zu tun und mit Realitaet insoweit, als alles was ist, real ist. Auch wenn es ” nur” im Hirn des Individuums, in seiner Vorstellung, existiert. Ob es handlungsleitend wird, ist eine andere Frage, die von diversen Einflüssen von Aussen und Innen abhängt. Bei aller Definitionssproblematik ( nicht nur) beim Begriff der Wahrheit ist diese im Rahmen der immer vorhandenen Grenzen objektiv zu verstehen. Sie, die Wahrheit, haengt per se weder vom Gefuehl des Einzelnen ab, noch ist sie logisch mit dem realen! Verhalten des Einzelnen verknüpft. Keine Frage ist, dass Alles und jeder Versuch einer Objektivierung naturgemaess darunter leidet, dass immer nur ein einzelner Menschen, so wie er ” ist” , denkt, der deshalb nur im Rahmen seiner Verfasstheit und immer subjektiv denkt. Im ( anderen) naturgesetzlichen Bereich versucht man mit mehr oder weniger Erfolg, ebenfalls anthropologisch begrenzt, aber durchaus weitergehend, sich der realen Objektivität zunaechst erklären, dann empirisch zu naehern, immer unter dem Vorbehalt, dass es auch (ganz) anders sein koennte.
Viele Mitmenschen sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht. Und sie haben recht. Nur mit dem nötigen Abstand erkennen wir den Wald.
“Was Menschen für wahr halten, ist das, was sie tun, nicht das, was sie sagen.”: Dafür brauche ich keinen Psychologen, der mir das erzählt. Kommt einer in die Psychiatrie und sagt: Ich bin ein feiner Herr ! Derweil bildet sich im Schritt seiner weißen Hose ein gelber Fleck ab. Die Verhaltenswahrheit macht die Diagnose. Aber Leute, das sieht jedes Kleinkind, das von der Mutter nicht das Lügen lernte, da brauch ich kein Psychologe für sein. Als nächstes kommt von Peterson noch die Weisheit: Der Lichtschalter hat eine Wirkung auf den Vitamin - D Spiegel. Wann sagt er endlich die Wahrheit, daß des Psychologen so schlecht ergeht, daß ihn sein eigenes Fach nicht mehr zu retten vermag. Scheiternde Psychologen erkennt man am Larifari, das sie kultivieren. Das heißt übersetzt: “Lösungslos müde im eigenen Fach”.
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