Trumps Politik gegen Kanada wird die Linken voraussichtlich zum Sieger bei den kanadischen Parlamentswahlen am kommenden Montag machen. Jordan B. Peterson ordnet die unübersichtliche Lage ein.
Nachdem Justin Trudeau Anfang des Jahres seinen Rücktritt als Parteivorsitzender der Liberalen Partei und kanadischer Premierminister angekündigt hatte, wurde Mark Carney zu seinem Nachfolger. Nachdem er am 9. März zum liberalen Parteivorsitzenden gewählt wurde, folgte am 14. März seine Vereidigung zum neuen kanadischen Premierminister. Am kommenden Montag, den 28. April finden in Kanada Parlamentswahlen statt, bei denen Carney sein Amt verteidigen muss. Anfang des Jahres hatten in Kanada die Konservativen die Umfragen angeführt. Bereits Anfang März hatten jedoch die Liberalen, also die Linken, wieder die Nase vorn. Dies wird einerseits dem Weggang des ungeliebten Trudeaus als auch Trumps Zollerhebung gegenüber Kanada sowie seiner Drohung, das Land zum 51. US-Bundesstaat zu machen, zugeschrieben. Sowohl Mark Carney als auch sein konservativer Herausforderer Pierre Poilievre (der bis dato als „Trump Kanadas“ galt und den Slogan „Canada First“ abgekupfert hatte) haben sich daraufhin gegen den US-Präsidenten positioniert. Nach wie vor dominieren in den Umfragen die Linken, sodass Mark Carney voraussichtlich Premierminister bleiben wird. Doch was bedeutet das für Kanada und welche Absichten hegt Trump? Jordan B. Peterson ordnet die Lage im Folgenden Text ein:
Kanadas Premier liebt die Superreichen
Der neue kanadische Premierminister Mark Carney sieht auf dem Papier beeindruckend aus. Ich kann verstehen, warum die Kanadier glauben, dass er der richtige Mann für den Moment ist. Denn er wurde beispielsweise von den Briten auf Herz und Nieren geprüft, die ihm die Leitung der Bank of England übertragen haben (Anm. d. Red.: Carney war von 2013 bis 2020 der erste ausländische Gouverneur der Bank of England). Aber ich kann Ihnen auch sagen, was schiefgelaufen ist, als er für die Bank of England zuständig war. Ich weiß darüber Bescheid, weil ich Menschen kenne, die von seinen Entscheidungen als damaliger Chef der Bank of England betroffen waren – übrigens handelt es sich bei meinen „Informanten“ um ausnahmslos reiche Menschen.
Die Politik, die Carney als Chef der Bank of England verfolgte, führte zu einem Boom der Vermögenswerte. Das bedeutet, dass die Aktienkurse radikal nach oben gingen. Und dass die Menschen mit sehr viel Geld als Folge von Carneys Manövern zu noch mehr Geld kamen. Das ist ein gutes Beispiel dafür, wen er trotz seiner Beteuerungen bevorzugt, wenn es hart auf hart kommt (Anm. d. Red.: Carney hat sich unter anderem eine „Steuerkürzung für die Mittelschicht“ auf die Fahnen geschrieben).
Besagte sehr wohlhabende und gut vernetzte Menschen, mit denen ich gesprochen habe, sind gleichzeitig in Besitz eines Gewissens. Denn sie waren nicht sehr glücklich darüber, dass die Grundsätze der quantitativen Lockerung (Anm. d. Red.: Ausweitung der Geldbasis durch eine Zentralbank), die Carney nach der Finanzkrise von 2008 eingeführt hat, die Superreichen viel reicher und alle anderen wesentlich ärmer gemacht haben (Anm. d. Red.: Von 2008 bis 2013 war Carney Gouverneur der kanadischen Zentralbank). Das ist also ein Überblick über die Vorgänge, die sich ereigneten, als Carney die Bank of England leitete. Es gibt keinen Beweis dafür, dass er ein „Freund des kleinen Mannes“ ist.
Auferstanden aus Ruinen
Ein weiteres wichtiges Thema ist in diesem Zusammenhang Trumps Säbelrasseln. Die Anschuldigungen, die in Bezug auf Pierre Poilievre (Anm. d. Red.: Chef der kanadischen Konservativen und Herausforderer Carneys) erhoben werden, lauten, dass Poilievre für eine Light-Version von Trumps MAGA („Make America Great Agagin“) steht. Was übrigens nicht stimmt. Die Vorwürfe lauten weiter, dass eine Stimme für Poilievre in Wirklichkeit eine Stimme für Trump und Konsorten ist.
Schauen wir uns mal an, was Trump selbst darüber denkt. Ein paar Tage, bevor dieses Video aufgezeichnet wurde, sagte Trump, dass es ihm egal sei, wer Kanada regiert. Daraus können wir als Kanadier nun unsere Schlüsse ziehen. Unter anderem, dass die neue amerikanische Regierung eine Menge Länder im Auge behalten muss, und Kanada als wichtigster Handelspartner der USA hier eine besondere Rolle erfährt. Das bedeutet aber nicht, dass die neue US-Regierung Kanada im Visier hat oder die kanadische politische Landschaft besonders gut versteht.
Mein Eindruck ist, und auch hier habe ich ein wenig nachgeforscht, dass Trump folgendes nicht verstanden hat: Dass seine Bemerkungen über Kanada und die Zölle sowie seine Drohung, Kanada in den 51. US-Bundesstaat zu verwandeln, von den kanadischen Linken genutzt werden würden, um von ihrem wohlverdienten politischen Tod aufzuerstehen und sich über die Konservativen zu erheben. Das war ihm nicht bewusst.
Nun könnte man sagen: „Naja, er hätte es wissen müssen.“ Das ist wahr, hilft uns jetzt aber auch nicht weiter. Ich weiß also nicht, ob es ihn gekümmert hätte, wenn er es gewusst hätte – er wusste es jedenfalls nicht. Das Ergebnis ist, dass die Linken in den Umfragen einen Sprung nach vorne gemacht haben.
(Anm d. Red.: Nach Trudeaus Rückzug Anfang des Jahres lagen in Kanada die Konservativen vorne. Anfang März lagen die Linken wieder vorne, innerhalb von sechs Wochen hatten sie von weniger als 20 Prozent auf 38 Prozent aufgeholt, während die Konservativen von über 40 auf 36 Prozent gefallen waren. Mittlerweile liegen die Linken bei 43,7 Prozent und die Konservativen bei 36,3 Prozent).
Kanada am Verhandlungstisch effektiv zerquetschen
Nun könnte man sagen: „Das ist alles kein Problem, denn Mark Carney hat Gottseidank das internationale Gütesiegel, um diesen orangehaarigen Mistkerl Trump in seine Schranken zu weisen.“ Und was sagt der US-Präsident selbst dazu? Der meinte, er würde in Kanada lieber mit den Linken verhandeln. Man könnte behaupten, das läge daran, dass Trump Carney für viel selbstbewusster und kompetenter hält als seinen konservativen Konkurrenten Poilievre –, der übrigens angesichts Trumps Kanada-Politik bekannte, kein Freund des US-Präsidenten und seiner „MAGA“-Bewegung zu sein.
Ich würde es hingegen folgendermaßen interpretieren, nicht zuletzt nach meinen Erkundigungen über Trump: Letzterer ist bekanntlich radikal pro-amerikanisch, gleichzeitig ist die Ära des Freihandels radikal zu Ende gegangen. Nun blickt Trump auf Kanada und denkt sich: „Wenn die Kanadier dumm genug sind, diese Lusche Carney zu wählen, der eine Neuauflage Trudeaus hoch zehn ist (wenn auch viel effektiver an der Managementfront), dann werden wir in der Lage sein, ihn am Verhandlungstisch extrem effektiv zu zerquetschen. Wir verachten alles, wofür er steht, was uns Amerikanern dabei hilft, unsere eigenen Interessen zu verfolgen.“
Wenn Sie also glauben, dass Trump sich von Carney und seinem „internationalen Sachverstand“ einschüchtern lässt, dann verstehen Sie die Amerikaner nicht und Sie verstehen Trump ganz sicher nicht. Zunächst einmal kann ich Ihnen versichern, dass Trump mitnichten eingeschüchtert ist. Das weiß ich von weitreichenden Kontakten in Washington, die ich in den letzten fünf Jahren sorgfältig für Momente wie diese aufgebaut habe. Von diesen Kontakten weiß ich, was vor sich geht. Es stimmt einfach nicht, dass Trump und die MAGA-Republikaner glauben, Carney sei ein glaubwürdiger, gewiefter Verhandlungsführer, der sie in die Knie zwingen wird. Das verdammte Gegenteil ist der Fall.
„Dummerweise kein Freund von mir“
Kann Poilievre einen besseren Job machen als Carney? Wir Kanadier stehen am Verhandlungstisch oft im Schatten der Amerikaner, weil diese sehr geschickte Verhandlungspartner sind. Wir müssen in dieser Hinsicht noch viel lernen. Aber was wir tun könnten und vielleicht auch mit einer konservativen Regierung tun würden, die die Kurve kriegt, ist, die kanadische Unabhängigkeit von den Vereinigten Staaten auf ganz reale Weise zu fördern:
Die Grenzen für den Handel zwischen den einzelnen Provinzen Kanadas beseitigen, das Land mit Gasleitungen durchziehen, unsere auf fossilen Brennstoffen basierende Wirtschaft radikal verbessern, die Kapazitäten unserer Rohstoffförderung ausweiten, so etwas wie eine echte Industriepolitik entwickeln. Und vielleicht – da wir gerade mit den Amerikanern auf Kriegsfuß stehen und diese uns drohen –, effektiver mit den Deutschen und den Japanern handeln. Denn diese haben bereits ihren unerschöpflichen Durst nach kanadischen Ressourcen angedeutet. Wir sollten uns zu dem industriellen Machtzentrum entwickeln, das Kanada zweifellos sein könnte, wir sollten unsere Bereitschaft signalisieren, zur militärischen Verteidigung beizutragen, wie wir es angesichts der Notwendigkeit in einer zunehmend instabilen Welt tun sollten. Wir sollten den Amerikanern damit signalisieren, dass wir gewillt sind, unser Gewicht in die Waagschale zu werfen, dass wir sie aber nicht unbedingt brauchen, wenn es hart auf hart kommt. Und wir sollten uns erst, wenn uns dies gelungen ist, mit ihnen an den Verhandlungstisch setzen, wie ein echter Konkurrent, Mitstreiter und potenzieller Verbündeter.
Und wenn Sie glauben, dass das unter Carney passieren wird, dann sollten Sie Trump beim Wort nehmen. Er hat bereits angedeutet, dass er die Linken verachtet, und er hat gesagt, dass Poilievre „dummerweise kein Freund von mir“ ist. Man sollte ein wenig zwischen den Zeilen lesen. Soweit ich das beurteilen kann, bedeutet das, dass Trump lieber mit einem verachtenswerten, schwachbrüstigen Linken zu tun hat als mit einem Konservativen, der Kanada tatsächlich an die erste Stelle setzt. Glauben Sie also nicht, dass Carney der Mann mit dem Gütesiegel ist, der Trump in die Schranken weisen kann, denn Trump hat schon mit Leuten zu tun gehabt, die viel einschüchternder sind als Carney.
Unter Carney wird alles noch viel schlimmer werden
Und das ist noch nicht alles. Carney steht für alles, wofür der radikalere Rand der Demokratischen Partei in den Vereinigten Staaten steht. Es ist bekanntlich nicht der Fall, dass Trump Sympathien für die Demokraten als Ganzes hat, und schon gar nicht für den noch linkeren Öko-Rand der Demokraten. Wenn Carney ein amerikanischer Politiker wäre, dann wäre er der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom. Er wäre genau die Art von Person, die exakt die Politik vorangetrieben hat, die Trump nicht tolerieren kann und die von den Demokraten ausgegangen ist. Es ist also eine Täuschung.
Carney hat wie gesagt einen sehr beeindruckenden Lebenslauf, oberflächlich betrachtet. Ich kann verstehen, dass sich die Kanadier darauf als Indikator für seine Kompetenz verlassen, und zudem hoffen, dass er ein neuer Typ ist, was er ganz sicher nicht ist. Denn wenn man sich anschaut, was er tatsächlich getan hat und was die Konsequenzen waren, und sich außerdem anschaut, was er in seinem Buch „Values“ („Werte“) schwarz auf weiß geschrieben hat, dann stellt man folgendes fest: Wenn wir Carney in Kanada wählen, was im Moment sehr wahrscheinlich ist, werden wir vor der gleichen Situation stehen wie unter Trudeau, nur dass Carney effektiver bei der Umsetzung sein wird. Wir werden uns also noch schneller verschlechtern und noch mehr eingebildete Tugendhaftigkeit an den Tag legen.
Diese Steigerung ist schwer vorstellbar, denn Trudeau hat in unglaublichem Ausmaß politische Korrektheit praktiziert, während er Kanada hat verarmen lassen, ohne irgendetwas Positives an der Umweltfront zu erreichen. Unter Carney wird alles noch viel schlimmer werden. (…)
„Umweltfreundliche“ Netto-Null-Katastrophe
Kanada wurde von den Linken in den letzten zehn Jahren als ein Gebilde ohne wirkliche zentrale Identität betrachtet. Es ist für mich überhaupt nicht klar, dass dieses Land in der Lage sein wird, eine weitere vierjährige Runde der linken, utopischen, globalistischen, „umweltfreundlichen“ Netto-Null-Katastrophe zu überleben. Glauben Sie also nicht, dass Carney ein neuer Typ ist.
Und glauben Sie nicht, dass sein hervorragender Lebenslauf darauf hindeutet, dass er eine Art wirtschaftlichen Aufschwung in Kanada herbeiführen wird, denn alles spricht dafür, dass er weiterhin den Netto-Null-Wahn verfolgen wird, den er bereits als Zentrum seines gesamten Gedankengebäudes etabliert hat. Wenn Sie mir nicht glauben, und vielleicht wollen oder können Sie das nicht, oder Sie zweifeln an mir, lesen Sie sein Buch „Values“. (…)
Wenn Sie hingegen glauben, dass der CO2-Ausstoß Kanadas eine existenzielle Bedrohung darstellt, die es erforderlich macht, dass wir in den nächsten 40 Jahren verarmen, während wir virtuos darüber reden, wie der Planet gerettet werden könnte, während wir absolut nichts tun, um wirkliche Umweltprobleme anzugehen, dann ist Carney Ihr Mann.
Dies ist ein Auszug aus einem Video von Jordan B. Peterson.
Jordan B. Peterson (* 12. Juni 1962) ist ein kanadischer klinischer Psychologe, Sachbuchautor und emeritierter Professor. In seinen Vorlesungen und Vorträgen vertritt er konservative Positionen und kritisiert insbesondere den Einfluss der Political correctness und die Genderpolitik. Sein 2018 erschienes Buch „12 Rules for Life“ war internationaler Bestseller.
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