112-Peterson: Störung in der sozialen Kommunikation?

Wie kann man Spannungen in Gesprächen begrenzen und die Ursachen für diese erkennen?

Es gibt ein Muster depressiver Selbstwahrnehmung, das man sich als Zusammenbruch einer Hierarchie vorstellen kann. Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Streit mit Ihrer Frau. Wenn Ihre neurologische Hierarchie normal funktioniert, könnten Sie sagen: „Ich habe nur einen schlechten Tag oder eine schlechte Stunde, und es ist nur eine kleine Aufregung, nur eine kleine Anomalie, die ich getrost ignorieren kann“. Aber eine depressive Person würde sich sagen: „Mein Gott, ich hatte gerade wieder einen Streit mit meiner Frau. Meine Ehe läuft nicht gerade gut, ich streite mich zu oft mit meiner Frau. Ich streite häufig mit meinen Freunden. Ich bin kein Mensch, mit dem man gut auskommen kann. Ich vermassle alles, was ich tue, habe immer alles vermasselt. Ich werde weiterhin alles vermasseln, was ich tue, weil ich so bin, und es gibt überhaupt keine Hoffnung für mich, mich in der Zukunft zu ändern.“

Sie können sehen, dass ein Fehler, der auf einer niedrigen Ebene hätte begrenzt werden können, wie zum Beispiel „Ich habe vielleicht in den letzten zwei Stunden nicht genug gegessen und bin deshalb ein wenig gereizt“, durch die gesamte Hierarchie der Selbsteinschätzung eskaliert. Stellen Sie sich also vor, dass jede Ebene dieser Hierarchie vor der Ausbreitung von Fehlermeldungen aus einer niedrigeren Ebene geschützt werden muss, und dass jede Ebene der Hierarchie eine Widerstandsstufe hat, die durch so etwas wie den Serotoninspiegel festgelegt wird. Je höher der Serotoninspiegel ist, der übrigens einem höheren sozialen Status entspricht, desto mehr Fehler müssen auf einer bestimmten Betrachtungsebene auftreten, bevor sich eine negative Meldung einstellt.  

Eines der Dinge, die meine Frau und ich im Bezug auf die Modulation unserer Reaktivität untereinander und gegenüber anderen Menschen herausgefunden haben, ist die Frage, wann man auf eine Störung in der sozialen Kommunikation reagieren sollte und wann man jemanden darauf ansprechen sollte. Unserer Antwort ist so etwas wie die Dreierregel, die ziemlich typisch für erzählerische Beschreibungen von solchen Dingen ist. Wenn es nur einmal vorkommt, kann man es ignorieren, dann ist es ist nur eine zufällige Fluktuation, wenn es zweimal vorkommt, kann man es bemerken, aber immer noch ignorieren, aber wenn es dreimal vorkommt, entsteht ein Muster, und dann muss etwas in Frage gestellt werden. So könnte ich sagen, wenn ich mit meiner Frau interagiere und es dreimal hintereinander nicht gut läuft, dann könnte ich zu ihr sagen: Ich habe dreimal hintereinander versucht, freundlich zu sein, und ich wurde zurückgewiesen, was mir zeigt, dass hier etwas nicht stimmt. Das ist wie ein Freud‘scher Versprecher: Ich denke, dass etwas passiert, ich will, dass es passiert, aber es passiert nicht. Hier ist der dreimalige Beweis. Also müssen wir die Erzählung, mit der wir den Raum strukturieren umformulieren. Wir müssen sagen: „Nun, was passiert hier eigentlich, was muss gelöst werden?“ Und nicht: „Nun, wir waren heute dreimal unhöflich zueinander, also ist unsere Ehe am Ende oder wir sind beide furchtbare Menschen“ – das würde in der Hierarchie zu weit nach oben führen. 

Dies ist ein Auszug aus einem Video von Jordan B. Peterson.

 

Jordan B. Peterson (* 12. Juni 1962) ist ein kanadischer klinischer Psychologe, Sachbuchautor und emeritierter Professor. In seinen Vorlesungen und Vorträgen vertritt er konservative Positionen und kritisiert insbesondere den Einfluss der Political correctness und die Genderpolitik. Sein 2018 erschienes Buch 12 Rules for Life war internationaler Bestseller.

Foto: Gage Skidmore CC BY-SA 2.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Klara Altmann / 16.10.2024

„Mein Gott, ich hatte gerade wieder einen Streit mit meiner Frau. Meine Ehe läuft nicht gerade gut, ich streite mich zu oft mit meiner Frau. Ich streite häufig mit meinen Freunden. Ich bin kein Mensch, mit dem man gut auskommen kann. Ich vermassle alles, was ich tue, habe immer alles vermasselt. Ich werde weiterhin alles vermasseln, was ich tue, weil ich so bin, und es gibt überhaupt keine Hoffnung für mich, mich in der Zukunft zu ändern.“ Ich würde sagen, falls das die Beschreibung der Realität des Betreffenden ist, dann stünde die sinnvolle Erkenntnis am Anfang einer möglichen Veränderung zum Besseren hin. Menschen befreien sich aus einer für sie negativen Beziehung aufgrund ihres anhaltenden Unwohlseins und haben danach eine Chance für einen Neuanfang. Das wird nicht funktionieren, wenn man die eigene Realitätswahrnehmung so lange dreht, bis sie positiv genug ist. Natürlich muss man auch nicht immer alles gedanklich eskalieren, aber es klingt hier so, als gäbe es so etwas gar nicht wie wirklich negative Beziehungen. Es gibt sie und die Erkenntnis dessen ist schmerzhaft, aber sie ist notwendig.

Karsten Dörre / 16.10.2024

Die Spannungen und Probleme in einer Beziehung arten dahingehend aus, weil man vom Hundersten ins Tausendste wechselt und keiner der beiden Konfliktparteien die aufkommende Metadiskussion auf des Pudels Kern zurückbringt. Solch Grundproblem entsteht, weil man die Konflikte und Probleme vor sich herschiebt, ansammelt und wenn kein Platz mehr ist, alles auf einmal raus muss. Dann wird sich Luft verschafft, der andere - vllt. nichts bisher bemerkt -fühlt sich überraschend überangeklagt und verteidigt sich ebenso emotional. Eigentlich nichts Neues.

Thomas Szabó / 16.10.2024

Ich empfehle die großartigen politischen und ideologiekritischen Beiträge von Herrn Peterson ins deutsche zu übersetzen und zu publizieren. Die automatischen Übersetzungen auf YouTube sind nicht schlecht und als eine Grundlage geeignet. Seine psychologischen Beiträge sind Allgemeinwissen, die jedem einigermaßen gebildeten Mitglied des westlichen Kulturkreises geläufig sein müssten. Dazu zähle ich die Achse-Leser. Vielleicht sollte sich die dritte Frau eines islamischen Patriarchen nach dreimaliger korankonformer Prügelstrafe Gedanken über ihre Ehe machen. Ich empfehle den Autoren der Achse sich mit den Kritikern der Postmoderne aus dem englischsprachigen Raum auseinander zu setzen und ihre wichtigsten Gedanken fürs deutschsprachige Publikum zu übersetzen. Die linksgrünwoke Pest kommt ja aus dem englischsprachigen Raum und die beste Kritik daran ebenso; u. A. von Herrn Peterson.

Sabine Heinrich / 16.10.2024

Ich gestehe erneut, dass ich mit den Texten von Prof. Peterson nicht viel anfangen kann. Zu viel für mich Selbstverständliches. - Vielleicht liegt es auch daran, dass ich jahrelang in geistiger Auseinandersetzung mit einem klugen, gebildeten Psychologen gestanden habe.

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