112-Peterson: Sie glauben an Gott, ohne es zu wissen

Man kann sich fragen, ob man an den göttlichen Geist glaubt? Genauso gut könnte man fragen, ob man glaubt, dass unser Gewissen zu uns spricht? Und glauben wir, dass wir uns an dessen Gebote halten sollten?

Finden Sie, dass Sklaverei und Tyrannei falsch ist? Wenn Sie dies mit ja beantworten, gratuliere ich, weil Sie wenigstens grundsätzlich vom Geist bestimmt werden, der die Menschen aus der Sklaverei führt und sich der Tyrannei entgegenstellt. Als nächstes kann man festhalten, dass dies einfach auf transzendente Weise gut ist und dass Gott nun einmal die Gesamtsumme all dessen ist, was auf transzendentale Weise gut ist. Und das ist nicht nur der bloße Glaube an eine Tatsachenbehauptung, es geht eher um die Frage, wofür wir bereit sind, unser Leben einzusetzen. Denn die Antwort auf diese Frage ist eher eine akkuratere Repräsentation dessen, woran wir glauben, als das, was wir über die Fakten sagen, die wir als aussagekräftig betrachten.

Die Geschichten, die sich in der Bibel finden – die übrigens eine Bibliothek und kein Buch ist –, sind der Versuch einer Annäherung an den höchsten nachzuahmenden – oder gefeierten oder verehrten – Geist. Das Wesen dieses Geistes ist multidimensional und komplex. Man kann seine Gesamtheit nicht vollständig in einer einzelnen Erzählung einfangen. Der Gott des alten Testatmentes beispielsweise ist mehr als die Stimme, die die Sklaven in die Freiheit führt. Oder die Stimme, die im Allgemeinen offnkundige Wahrheiten ausspricht, wie die Überzeugung, dass Sklaverei und Tyrannei als solches falsch sind.

Obwohl es sich dabei um einen sehr fundamentalen und wichtigen moralischen Ausspruch handelt, reicht er nicht aus, um die gesamte Natur des transzendenten Geistes zu konkretisieren, die uns grundsätzlich führen sollte. Darum haben sich weitere Geschichten angesammelt. In der Geschichte von Kain und Abel wird beispielsweise der patriarchale Geist – der Geist von Logos und Männlichkeit – als die Stimme repräsentiert, die uns aus unserem Gewissen heraus ruft, wenn unsere Opfer von mangelhafter Qualität sind.

Nun kann man sich fragen, ob man an diesen Geist glaubt? Man könnte die Gegenfrage stellen, ob man glaubt, dass unser Gewissen zu uns spricht? Und glauben wir, dass wir uns an seine Gebote halten sollten? Natürllich kann dies niemand von sich in Gänze behaupten, denn dann wäre man ja ein Heiliger. Umgekehrt gibt es wohl kaum einen Menschen, der von sich behauptet, immer genau das Gegenteil von dem zu tun, was ihm sein Gewissen sagt. Das wäre in jedem Falll nicht nachahmenswert.

Man hat nur drei Optionen, auf die Stimme seines Gewissens zu reagieren. Man kann ihr folgen, sie ignorieren oder sich gegen sie wehren. Und in allen drei Fällen handelt es sich um einen Akt von Glauben. Es ist ein dreifaches Rätsel. Keine der Optionen ist etwas, das man einfach als Konsequenz einer Beweisaufnahme tun könnte. Denn man weiß ja im Vorhinein weder was passieren könnte, wenn man seinem Gewissen folgt oder es nicht tut. Noch weiß man, was passieren wird, wenn man es ignoriert. Man kann lediglich vermuten. Sie sind in sich selbst so etwas wie ein Glauben an die Sätze, die die Vermutungen leiten. Wir sind also mit der Entscheidung des Glaubens in Bezug auf unser eigenes Gewissen konfrontiert. In der Geschichte von Kain und Abel wird Gott gewissermaßen als Geist des Gewissens dargestellt, das uns ruft.

Dies ist ein Auszug aus einem Video von Jordan B. Peterson.

Foto: jordanbpeterson.com

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Leserpost

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Talman Rahmenschneider / 10.01.2024

“Man hat nur drei Optionen, auf die Stimme seines Gewissens zu reagieren. Man kann ihr folgen, sie ignorieren oder sich gegen sie wehren. Und in allen drei Fällen handelt es sich um einen Akt von Glauben.” Kurz: HIOB. Die Schlüsselfigur des AT.

Sabine Schönfeld / 10.01.2024

Es ist sicher kein irgendwie gearteter Geist, der die Menschen dazu bringt, sich für das Gute zu engagieren. Sondern dem liegt einfach die Vorstellung einer Welt zugrunde, in der wir selbst gerne leben wollen. Und dieser Wunsch wirkt auch als Emotion in uns, das Gewissen, das Gerechtigkeitsempfinden, liebevolle Haltungen, Großzügigkeit usw.. Dazu brauchen wir keinen Gott, wirklich nicht.

Fred Burig / 10.01.2024

@A. Ostrovsky: “.. >>112-Peterson: Sie glauben an Gott, ohne es zu wissen<<  ##  Zweifellos. ” ... Deshalb heißt es ja auch glauben - und nicht wissen!.... Aber was ist schon „Wissen“ in einer Zeit, wo Haltung und Glauben an ein herbei halluziniertes, menschengemachtes „Untergangs- Klima-Szenarium“ die Herrschaft einer ökofaschistischen Sekte ermöglichen?! Sie haben vielleicht mit beiden Dingen nichts am Hut – aber seitens einer dieser „Religionen“ wird man sie wohl den „armen, verirrten Seelen“ zuordnen! MfG

Klaus Keller / 10.01.2024

An Gabriele Klein: Ggf ist zu klären was das göttliche ist und ob und wie es in uns wirksam ist bzw werden kann. Der Hinweis auf den Umstand das es eigentlich keine monotheistische Religion gibt lasse ich gelten. Im Christentum spricht man ja auch von Vater, Sohn und heiligem Geist wozu sich noch verschiedene Engel gesellen, so das man von einer “Arbeitsteilung” reden kann. Die Überlegungen von Andreas Thiel beim Kontrafunk zum Thema waren für mich Anlass mal wieder selber zu suchen. Im Netz suchte ich u.a. nach Vorträgen über Meister Eckhart und die Mystik und wurde natürlich fündig. Prof. Dr. Sabine Bobert beschäftigte sich u.a. mit der Frage der meditativen Praxis (auch im Mittelalter) und macht Vorschläge wie man üben könne. Die Idee vom Gefäß sein, in dem etwas wirksam werden kann, hatte ich natürlich nicht selber. Eine ganz andere Frage ist ob wir Vermittler benötigen oder eher Praxisanleiter. Was man zu Hause allerdings nicht bekommt ist das Gemeinschaftserlebnis das oft wichtiger Teil des Ganzen ist. Zu dem Zweck gibt es ja Orte der Versammlung. Meine Nachbarin freute sich an den Feiertagen darauf wieder den Gottesdienst mit den Kindern besuchen zu können, was ich verstehen kann und wegen der Predigt ging sie wahrscheinlich nicht hin. (Die älteste schriftliche Erwähnung der Kirche stammt von 1223)

Fred Burig / 10.01.2024

Wenn man davon ausgeht, dass auch die biblischen “Überlieferungen” immer einen Konflikt zwischen"gut” und “böse” darstellen, dann muss man doch auf diesen “ursprünglichen Deal zwischen Gott und dem Teufel”, wer die Menschen wohl zu seinen Gunsten “überzeugen” wird – anlehnend an einen Liedtext- Auszug der EAV klar feststellen: “Das Böse ist immer und überall!” - und nicht etwa auf dem Rückzug! MfG

Michael Müller / 10.01.2024

Aristoteles war für die Sklaverei, dessen Lehrer Platon war für die Sklaverei und dessen Lehrer Sokrates mit hoher Wahrscheinlichkeit wohl auch. Goethe war für die Sklaverei in Amerika. Warum sollte Gott gegen die Sklaverei sein, wo sie doch in allen möglichen Formen absolut weltbeherrschend ist? Nehmen wir doch einmal als Beispiel die Hilfsarbeiter und die bürgerliche Klasse. Beide sprechen im Wesentlichen dieselbe Sprache: “Wir sind es doch, die immer 12, 14 oder 16 Stunden am Tag wie die Sklaven schuften ... Und wie oft fragen wir uns, für wen wir diese ganze Plackerei überhaupt machen!!!” Genau: für wen eigentlich? Zur Zeit für feministische Außenpolitik und Halbkreise aus 360 Grad, die sich in Ländern befinden, die mehrere Hunderttausend Kilometer entfernt sind. Und natürlich für die Alimente von Ali, denn irgendwer muss die ja wohl finanzieren. Die Hilfsarbeiter und die Bürgerlichen würden gerne all dies nicht mit ihren Steuergeldern bezahlen. Irgendwer hat ihnen das Märchen erzählt, dass sie in einer Demokratie und keiner Diktatur leben, also könnten sie das doch selbst entscheiden, theoretisch zumindest. Aber irgendwie ist es dann doch nicht so. Auch haben sich selbst in einer Diktatur gewisse Leute wenigstens weitestgehend verweigert. Man muss nicht unbedingt viehwaggonweise die Leute ins KZ zum Abschlachten fahren, nur weil man irgendwann mal Lokomotivführer gelernt hat und sich einen anderen Job suchen müsste, wenn man das nicht macht. Aber Leute, die Dinge dieser Art verweigern und die Konsequenzen auf sich nehmen, sind sehr selten. Jeder Einzelne vom ihnen ist eine Art Held. Und die anderen sind halt hörige Sklaven. So hat Gott die Welt nun mal eingerichtet, um problemlos und ohne große Störungen seine Schweinereien durchzuziehen. Die wenigen Freigeister stören ihn dabei nicht, zumal diese sich eine Art göttliche Freiheit errungen haben.

Ilona Grimm / 10.01.2024

Gewissen und Bibel: Paulus’ Brief an die Römer, Kapitel 2: -14 Denn wenn Heiden [Menschen, die von Gott nichts wissen], die das Gesetz nicht haben, doch von Natur tun, was das Gesetz fordert, so sind sie, obwohl sie das Gesetz nicht haben, sich selbst Gesetz. - 15 Sie beweisen damit, dass in ihr Herz geschrieben ist, was das Gesetz fordert, zumal ihr Gewissen es ihnen bezeugt, dazu auch die Gedanken, die einander anklagen oder auch entschuldigen [...]

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