Wenn man der Logik des Autors folgt, sind Michelangelo, Da Vinci, Botticelli und andere Kaliber keine Kunst, sondern Propaganda. Steile These.
Sergej Jessenin hat kurz und treffend gesagt: “Majakowski ist Dichter für etwas. Ich bin Dichter von etwas.” Wirkliche Kunst ist frei, sie dient keinem Zweck, auch wenn sie politische Wirkung entfaltet. Sie wirkt aus sich selbst heraus. Das heißt, wirkliche Kunst lässt auch dem Leser/Betrachter Freiheit zur jeweils eigenen Sicht und Interpretation. Für Georg Lukacs waren die Künstler des Sozialistischen Realismus die “Karnickel auf dem Berg”. Ohne den ideologischen Berg waren sie so gut wie nichts.
Herr Taterka, Abstraktion und Avantgarde, aber auch Ästhetismus (und Parnassismus in der Lyrik) waren nur in den frühen Jahren Sowjetrusslands eine Alternative, sich der politischen Zwangsvereinnahmung zu entziehen. Schon bald wurden Kunstformen und -inhalte, welche nicht dem verordneten Servilismus folgten, zum „Formalismus“ subsumiert. Das könnte wortwörtlich tödlich sein – für den „Formalisten“. Betroffen war sogar Musik, an sich eine doch als asemantisch geltende Kunst. in der Literatur markiert Majakowskis Suizid das Ende der postrevolutionären Avantgarde-Ära. Erst nach Stalins Tod änderte sich langsam die Doktrin. Leider war da nicht nur der Diktator, sondern zahlreiche als „Formalisten“ gebrandmarkte Künstler tot.
In den besonders üblen Phasen der Verfolgung in der Geschichte der UdSSR konnten selbst die allergrößten Künstler nur bestehen, indem sie sich der sensibelsten Abstraktion als Ausdrucksmittel bedienten, versteckt in der Verkleidung des vermeintlich Konventionellen. Am besten war das möglich in der Komposition von Musik, die dem Künstler erlaubte eine unmissverständliche, aber schwer anfechtbare Metaebene der Verständigung mit dem ” oppositionellen ” Hörer anzustreben. Meisterhaft gelang das Schostakowitsch im ” Largo ” seiner 5ten, die als Antwort auf den Mordrausch 36 /37 zu verstehen ist. Mir ist eine Aufnahme mit Solti u. den Wienern besonders lieb, eine seiner letzten ganz grossen.
Es ist wahrscheinlich so, dass der reine Künstler etwas beginnt und nicht weiß, wo er endet. Der einer Ideologie verpflichtete „Künstler“ weiß, wo er enden wird. Der Eine hat kein konkretes Ziel, er überlässt sich einer Eingebung. Der Andere hat ein konkretes Ziel und überlässt nichts dem Zufall.
Was in 300 Jahren ist, interessiert mich nur am Rande. Was mich deutlich mehr interessiert, ist die Entwicklung meines Umfelds in den nächsten Jahren. Das realitätsverleugnende Phrasendreschen, das Steinmeier zum 58. Jahrestag des Mauerbaus abgesondert hat, lässt mich befürchten, dass Kunstobjekte in naher Zukunft keinen Nährwert haben werden, denn erst wird das Fressen kommen und dann die Kunst.
Über Kunst, zumal über Bildende Kunst, lässt sich trefflich streiten. Das Museum Barberini in Potsdam offerierte neulich eine sehr beachtete Picasso - Ausstellung, wo aber (leider) fast nur Frauen - Porträts gezeigt wurden. Den angesprochenen Film kenne ich nicht. Möglicherweise findet man da eine Begründung, warum er den Frauen seiner Gunst fast durchweg Fleischerpranken verpasst hat. Jedenfalls stand ich als “Banause” kopfschüttelnd davor. - Die Kernaussage des Beitrags ist für mich ist nicht nachvollziehbar. Selbstverständlich gab es in der Sowjetunion Kunst, die mehr oder weniger ideologisch beeinflußt war, auch im Bereich der Musik. Jedoch gab es gewiss nicht “auf jeder Leinwand diesen Krieg zwischen der ideologischen und der künstlerischen Botschaft”. Man denke an die grauenvoll geschönten Stalin - & Lenin - Bilder !!!! Was hat das mit Kunst zu tun? Auch wenn wir uns zeitlich von der SU entfernen, bleibt KITSCH eben selbstverständlich KITSCH.
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