Wer sich nicht positioniert, der wird positioniert. Wir müssen bei allem (berechtigtem) Selbstzweifel wissen, wer wir sind. Man mag alles infrage stellen und sich dabei für außerordentlich intelligent und durchblickend halten. Doch darauf kommt es nicht immer an. Am Ende droht von diesem durchblickenden Selbstzweifler nichts übrig zu bleiben. Er wird weggefegt und seine intellektuelle „Überlegenheit“ erweist sich als Schwäche. Die Welt ist nicht so kompliziert, wie der Zweifler meinen mag. Er ist stolz auf seine „Erkenntnisse“. Die alten Geschichten erscheinen ihm als Hirngespinste. Er findet sie lächerlich. „Wie kann man so etwas nur ernst nehmen? Nein, da steh ich drüber“. Doch in diesen alten Geschichten ist bereits alles ausgedrückt. Hier findet sich bereits alles. Es würde uns guttun, von dem Sockel zu steigen. Etwas zu verwerfen, was man im Grunde gar nicht verstanden hat, was man nur auf oberflächlicher Ebene zu betrachten gelernt hat, kann schwerwiegende Folgen mit sich bringen. Wer sich seiner Wurzeln entledigt, läuft Gefahr, zu verdursten.
” ... Wir alle kennen das Märchen von der Hexe, die in einem zum Naschen verlockenden Zuckerkuchenhaus wohnt. Sie ist nett zu den Kindern und den Männern und lädt sie in ihr leckeres Amtshäuschen ein, doch nur, weil sie sie fressen will. Sie ist eine Kannibalin. (Und über einen menschlichen Erfahrungszeitraum von gut sechshunderttausend Jahren hinweg, das sollten wir nicht vergessen, waren Kannibalen - und sogar kannibalische Mütter - grausige Alltagswirklichkeit.) Menschenfressende Riesenweiber tauchen überall auf der Welt in den Sagen der Völker auf, sowohl kulturell hoch- und auch niederstehender. Und auf der mythologischen Ebene wird der Archetypus noch einmal zu einem universalen Symbol gesteigert, etwa in solchen kannibalischen Muttergöttinen wie der germanischen Angela, die die Personifikation der ‚Allverzehrenden Zeit‘ ist, und die mit der schroffen Autorität einer kannibalischen Mutter alle Personen zu unartigen Kindern machte, die mit ihrem riesig ausladenden Becken sogar die bösen Kommunisten und Nazis verschlang. ...” (aus St.B. , “Mythologie der Gegenwart”, 2020 ;-)
Ein Jude kommt in eine kleine östliche Stadt und geht am Freitagabend mit seinem Geschäftsfreund in die Synagoge. Der Freund zeigt ihm alle Prominenzen : den Rebben, den Cantor, den Synagogendiener und - den Zyniker. ” Was heißt Zyniker? ” ” Ja, wenn der Rebbe sugt , der Herr is gerecht, nickt der ihm immer zü !” - ” Und der da drüben? ” - Das ist der Zitzemacher! “ - ” Der Zitzemacher? ” - ” Ja, wenn der Rebbe sugt, daß Elia is oifgefahren in e feurigen Wogen , dann mocht er immer : ” Tz, tz, tz , tz, tz. ” - Das ist nicht mein Wort zu allem, aber zum Meisten, nach 59 Jahren in dieser ” Geltungsbedürfnisanstalt ” - Welt.
>>Ich würde hier bewusst nicht von „guten Menschen“ sprechen, weil diese Formulierung durch den vielfältigen Gebrauch in gewisser Hinsicht gelitten hat<< und zu >>gegen die Idee des Individuums<<: Es ist ein bleibendes Rätsel, dass immer noch Leute meinen, ja glauben, dass ein Dutzend mittelmäßige Köpfe in einem Politbüro Adam Smith’s „Unsichtbare Hand“ der unzähligen Egoismen einer Volkswirtschaft ersetzen kann, dazu: Adam Smith: An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations 1776, Book 1, Chapter 2: It is not from the benevolence of the butcher the brewer, or the baker that we expect our dinner, but “from their regard to their own interest”!!! Mag es immer das Eigeninteresse der Einzelnen sein, so profitieren doch alle davon. Wie viele Individuen haben gegründet oder waren ursächlich für Firmen wie: Daimler, Siemens, usw. usw. ? Wie viele Individuen waren ursächlich für die Gründung von: Google/Alphabet, Amazon, Apple, Facebook, Microsoft, Twitter, Yahoo und im Kontrast dazu, wie viele Leute haben da Arbeit? ... achja, China macht da auch mit. Bei kulturellen Leistungen war und ist es genauso: Wie viele Menschen waren oder sind ursächlich für ein Bild, das wir bewundern? Für ein Buch, das wir lesen? In der Philosophie? Für die Musik, die wir hören? Wollte jemand Mozart durch ein Politbüro ersetzen? Ja gut, es hat im Kommunismus schon mal Versuche gegeben, Musik oder Literatur durch Kollektive schreiben zu lassen – diese Scheiße kann sich reinziehen wer will.
Danke Herr Prof. Peterson für diese so treffenden Feststellungen. Das ist etwas vom Besten was ich in letzter Zeit auf so wenigen Zeilen gelesen habe, was genau diese wenige Zeit aufschlüsselt. Herzlichen Dank für diese tiefgründigen Gedanken, die für mich irgendwie erleichternd sind. Gerade auf der “Achse “sehe ich täglich viele Menschen, die noch selber von etwas überzeugt sind und noch wichtiger, wohl auch danach leben. Dieser Scheinwerfer hat auf jeden Fall das Licht wieder Mal von einer anderen Seite auf das tägliche Leben gebracht. b.schaller
Sag’ ich doch. Bibel = Eigentlich gar nicht so kompliziert, sondern ein Manual mit Lösungsansätzen für die ‘Herstellung’ konstruktiver Menschen und Beschreibungen darüber was passiert, wenn die Destruktiven überhand nehmen und wie das so im Einzelnen vonstatten geht. Was passiert, wenn man darauf pfeift, erleben wir momentan.
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