112-Peterson: Gemeinschaft erfordert Regeln

In einer Gemeinschaft zu leben bedeutet, sich bestimmten Regeln zu unterwerfen. Diese Werte muss man sich erarbeiten.

Religiöse Texte, Mythen und Geschichten sind Teil unserer Gesellschaft. Sie haben eine einheitliche Natur und bilden eine Basis. Auf dieser Basis ruht alles, was Sie für selbstverständlich halten, selbst wenn Sie die Grundlage nicht verstehen. Ich kann Ihnen ein Beispiel geben: Es gibt eine metaphysische Idee, die der westlichen Zivilisation zugrunde liegt, und diese metaphysische Idee ist, dass das Individuum einen transzendenten Wert hat. Es ist die Idee, von der der Begriff der natürlichen Rechte abgeleitet ist und unser Rechtssystem beruht auf der Idee, dass man bestimmte natürliche Rechte hat. Sie sind zum Beispiel in der Bill of Rights verankert. Als die Bill of Rights formuliert wurde – als die ursprüngliche Gesetzgebung – sagten die Verfasser, dass wir diese Wahrheiten für selbstverständlich halten.

Was bedeutet das? Sie sind Glaubensgrundsätze für die es keinen Beweis gibt. Sie beschreiben eine Handlungsweise der Menschen in ihrer Umwelt, und die Hypothese lautet: Ich behandle Sie so, als gäbe es etwas an Ihnen, das einen transzendenten Wert hat, einen impliziten inneren Wert, was auch immer das sein mag. Ich behandle Sie als hätten Sie einen transzendenten Wert und Sie behandeln mich ebenso. So schaffen wir ein Rechtssystem, das die Souveränität des Individuums anerkennt, so dass das Gesetz selbst jedem Individuum gegenüber mit Respekt handeln muss, selbst wenn dieses Individuum etwas Verwerfliches getan hat. Das ist es, worauf diese Gesellschaft beruht, und das ist eine sehr alte Idee, zu der die Menschen nur unter großen Schwierigkeiten gekommen sind. Über Tausende von Jahren haben die Menschen gelernt, ihre kleinen Stammesgruppen, die immer miteinander stritten, zu befrieden. Menschen sind sehr gewalttätig, und Stammesgruppen sind keineswegs zivilisiert. Es gibt keine edlen Wilden, wie die Europäer dachten. Wenn man Stammesgruppen in der heutigen Welt untersucht, ist die Mord- und Todesrate durch Gewalt unglaublich hoch.

Irgendetwas verbindet die Menschen innerhalb eines Stammes miteinander – oft ist es die Verwandtschaft. Dann kommen Stämme zusammen, um größere Zivilisationen zu bilden, und sie müssen eine Art Meta- Grundsatz festlegen, so dass sie kooperieren und zusammenkommen können, ohne sich gegenseitig zu zerstören. Sie müssen ein Prinzip finden, nach dem die Gesellschaft funktionieren kann. Wenn die Gesellschaften größer und größer werden, müssen sie mehr und mehr dieser verschiedenen Traditionen zusammenbringen und etwas aus ihnen herausfinden, das Macht und funktionalen Nutzen hat und das es den Menschen erlaubt, sich zu vereinen. Wir könnten sagen, dass Sie im Grunde ein soziales Wesen sind und der größte Teil deiner Umgebung aus anderen Menschen besteht, und diese anderen Menschen wollen etwas von Ihnen, also werden Sie mit ihnen zusammen „spielen.“

Hinweise auf die eigene Wertestruktur

Sie werden entweder gut oder schlecht darin sein. Es ist zu erwarten, dass das Spiel tatsächlich sehr ausgeklügelte Regeln hat. Wenn sich Ihr Verhalten mehr und mehr einem Ideal annähert, vorausgesetzt, so etwas existiert, dann werden Sie immer raffinierter, und die Natur des Ideals wird vielleicht immer komplexer und schwieriger zu verstehen, aber Sie können eine Ahnung davon bekommen. Wenn Sie auf ihre eigene Seele achten, auf Ihre Psyche und Ihr Unbewusstes, dann werden Sie merken, dass es Menschen gibt, die Sie bewundern, und dass es Menschen gibt, die Sie verachten. Es ist nicht unbedingt so, dass Sie mit Ihrem Urteil 100%ig richtig liegen. Es ist keine schlechte Idee, Ihre ersten Eindrücke kritisch zu hinterfragen, aber diese Zustände existieren. So gibt es einen Grund, warum Sie jemanden bewundern, und es gibt einen Grund, warum Sie jemanden verachten.

Es kann mehrere Gründe geben, und das ist ein Hinweis auf die eigene Wertestruktur. Man würde jemanden nicht bewundern, wenn es nicht etwas an ihm gäbe, das man schätzt und vielleicht auch gerne tun würde.

Man würde jemanden nicht verachten, wenn man nicht das Gefühl hätte, dass etwas, was er tut, falsch ist und dass es falsch wäre, wenn man es auch täte. Und so bringt man eine unausgesprochene Moral in die Situation. Man kann man nicht ohne Unmoral handeln. Man kann nicht handeln, ohne unmoralisch zu sein, denn wenn man handelt, versucht man, die Dinge zu verbessern. Denn warum sollte man sich sonst die Mühe machen? Wenn man handelt, um die Dinge zu verbessern, dann müssen manche Dinge besser und manche schlechter sein.

Dies ist ein Auszug aus einem Video von Jordan B. Peterson.

Jordan B. Peterson (* 12. Juni 1962) ist ein kanadischer klinischer Psychologe, Sachbuchautor und emeritierter Professor. In seinen Vorlesungen und Vorträgen vertritt er konservative Positionen und kritisiert insbesondere den Einfluss der Political correctness und die Genderpolitik. Sein 2018 erschienes Buch 12 Rules for Life war internationaler Bestseller.

Foto: Shane Bart Balkowitsch CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

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Klaus Keller / 07.08.2024

An A. Ostrovsky / 07.08.2024 @Klaus Keller : >>... Wenn sie Gesellschaften schädigen wollen wäre die Schädigung der Familien eine gute Möglichkeit ihr Ziel zu erreichen. ... eine gute Möglichkeit bedeutet nicht das es die Einzige ist…. Das aushebeln der Familie sehen sie auch daran das aus fragwürdigen Gründen das Sorgerecht der Eltern entzogen wird. ZB Wenn eine 16 jährige männlich werden will und die Eltern das nicht wollen und die Regierung eingreift um eine Entwicklung zu erzwingen die die Erziehungsberechtigten nicht wollen um ein Extrembeispiel zu nehmen. Aus vielen Singlehaushalten und den vielen Alleinerziehenden lassen sich auch nur schwer funktionale, beziehungsfähige Gesellschaften bilden. Das Politiker in Krisen glauben alles selber entscheiden zu müssen und den Familien nichts mehr überlassen, wie in der Corona-Krise bestätigt eher die ungünstige Entwicklung. PS Ich unterstelle keine Absicht sondern beschreibe eine Entwicklung aus meiner Sicht. Aus mehreren Perspektiven bekommt man dann ggf. ein vollständiges Bild.

A. Ostrovsky / 07.08.2024

@Klaus Keller : >>... Wenn sie Gesellschaften schädigen wollen wäre die Schädigung der Familien eine gute Möglichkeit ihr Ziel zu erreichen. Das funktioniert schon wenn sie das Wohl des einzelnen Individuums ganz grundsätzlich an die Spitze ihrer Regelpyramide stellen.<< ## Muss ich das verstehen? Wir haben gerade vier Jahre hinter uns, in denen die herbeigefieberte “Solidarität” mit den “vulnerablen Gruppen” angeblich an der Spitze stand. Obwohl wir wissen, dass alles gelogen war, ich erkenne darin kein einzelnes Individuum, aber der Schaden für die Gesellschaft, für die Familien und für jeden Einzelnen ist ohne Beispiel. Wenn es nur ein einziges Gegenbeispiel gibt, gilt jede Theorie als widerlegt. Und was das für ein riesengroßes Gegenbeispiel ist…. Ich glaube, Sie haben sich verrannt.

A. Ostrovsky / 07.08.2024

@Peter Volgnandt : >>Nun gibt es eine Religion in diesem Land, die andere als nicht gleichwertig oder minderwertig klassifiziert. << ##  “Eine” ist gut… Und es gibt auch noch verschiedene Konfessionen/Abspaltungen…

Klara Altmann / 07.08.2024

Der moderne und emanzipierte Mensch “unterwirft” sich nicht den Regeln der Gesellschaft, sondern er befolgt sie aus Einsicht, sofern sie ihm vernünftig erscheinen. Ich muss mich nicht “unterwerfen”, um meinem Nächsten keine überzubraten, sondern ich will das auch nicht tun, selbst wenn ich sehr wütend sein sollte. Die Freiwilligkeit in der Befolgung gesellschaftlicher Regeln macht den mündigen Bürger aus. Aber auch, dass er sich gegen Regeln und Gesetze wehrt, die ihm wohlbegründet als unvernünftig erscheinen. Die Grundlage all dieser vernünftigen Regeln sind die Menschenrechte, die infolge der französischen Revolution 1789 den Menschen zum ersten Mal in der breiten Masse als Grundlage für ein universelles Wertesystem zur Verfügung standen. In der christlichen Religion fanden sich Vorläufer wie “du sollst nicht töten” oder auch die Aufforderung, den Nächsten zu lieben wie sich selbst, was man auch als Kantschen Imperativ verstehen kann. Es gibt aber auch eine Begründung für ein konstruktives Miteinander aus der Moderne, nämlich die Spieltheorie. Sie zeigt deutlich, dass eine Gesellschaft und der Einzelne dann erfolgreich sein werden, wenn die Mitglieder der Gesellschaft sich gegenseitig vertrauen können. Der destruktive Spieler verliert langfristig, da sich sein negatives Tun im Gedächtnis der Individuen und der Gemeinschaft hält. Das heißt, es ist perspektivisch auch wirtschaftlich besser, vertrauenswürdig zu sein und zu seinem Wort zu stehen. Und der Gewinn für die Gemeinschaft ergänzt hier den individuellen Gewinn. Deshalb ist es auch nötig, Falschspieler zu sanktionieren, anstatt sie durch falsches Verständnis auf ihrem Weg noch zu bestärken.

Johannes Schuster / 07.08.2024

“Gemeinschaft erfordert Regeln” .... bis dieses Konzept praktisch im Faschismus endet.  Die Gemeinschaft formt sich aus Regeln, das ist der Fall vom Sinai. Wenn die Regeln die Gemeinschaft formen, dann wird eine symbiotische Diktatur daraus, denn nicht G-tt macht die Regeln, sondern der Mensch. Peterson nehme ich schon lange nicht mehr ernst, er ist ein Selbstdarsteller und driftet in so eine Art narzisstisches Verkündersyndrom ab. Lesen tue ich ihn trotzdem, denn von Wirren zu lernen ist eine größere Kunst als von Gelehrten zu sammeln.

Peter Volgnandt / 07.08.2024

Gegenseitige Rücksichtnahme und Achtung wird, wie sie erwähnen, folgendermassen begründet: Was bedeutet das? Sie sind Glaubensgrundsätze für die es keinen Beweis gibt. Sie beschreiben eine Handlungsweise der Menschen in ihrer Umwelt, und die Hypothese lautet: Ich behandle Sie so, als gäbe es etwas an Ihnen, das einen transzendenten Wert hat, einen impliziten inneren Wert, was auch immer das sein mag. Ich behandle Sie als hätten Sie einen transzendenten Wert und Sie behandeln mich ebenso. Ehrlich gesagt, ist es mir ziemlich egal und ich werde es nie wissen, ob ich einen transzendenden Wert habe, oder mein Gegenüber. Drum behandle ich ihn so, wie ich von ihm behandelt werden will. Dafür ist es nötig, dass man das andere Individuum als gleichwertig anerkennt und respektiert. Nun gibt es eine Religion in diesem Land, die andere als nicht gleichwertig oder minderwertig klassifiziert. Dazu empfehle ich das Buch von Rudolf Brandner: Muslimische Immigration und das Versagen der Politischen Vernunft Europas

A. Ostrovsky / 07.08.2024

Mir widerstrebt das Bild von einer Gesellschaft, wie ein gut geführter Bauernhof, in dem alle Tiere in Frieden und gegenseitigem Verständnis vor sich hin leben und vom guten Bauern solange gefüttert werden, bis er sie schlachtet, jedes einzeln. Ich wurde in ein politisches System hinein geboren, das mir seine Regeln diktiert hat. Und auch wenn ich sie alle befolgt habe, hatte ich niemals das Wohlwollen der “Gesellschaft”, die ich als amorphe Masse ohne Gesicht empfinde und zu der ich objektiv überhaupt keine frei gewählten Beziehungen habe. Die “Menschen um mich herum” sind nicht die Gesellschaft, sondern andere ausgegrenzte, mit Pflichten beladene und diffus bedrohte Menschen. Ich stimme dem Glaubenssatz nicht zu, dass eine “Gesellschaft” nur immer wachsen kann, ohne mein Einverständnis abzufragen, aber niemals wieder in Teile separiert werden darf, wenn die von der neuen “Mehrheit” geforderten Änderungen der Regeln unannehmbar geworden sind. Solche “Gesellschaften” mit Herrschenden und Beherrschten sind die Ursache für Kriege und Bürgerkriege. Mit welchem Recht kann mich eine Mehrheit von Hinzugekommenen zwingen, ihre Regeln zu befolgen oder unter Verzicht jedes Anspruchs auf das Land meiner Väter und Vorväter auszuwandern? Wieso ist die Separation der Katalanen oder der Russen in der Ostukraine ein Staatsverbrechen, das die Eliten zur militärischen Gewalt berechtigt? Wieso ist es “unverzeihlich”, wenn die Mehrheit der Ostdeutschen inzwischen ihre Interessen nur noch notdürftig von der AfD vertreten fühlt? Das Befolgen diktierter Regeln, sogar ungeschriebener, die mit dem Grundgesetz/der Verfassung nicht zusammen passen, ist keine Gesellschaft, es ist moderne Sklaverei. Und es ist mein Recht als Individuum, der Übermacht einer behaupteten Mehrheit nicht zu gehorchen.

Klaus Keller / 07.08.2024

Die Basis funktionierender Gesellschaften sind funktionierende Familien. Die 10 Gebote beschäftigen sich neben dem Verhältnis zu Gott hauptsächlich damit. Wenn sie Gesellschaften schädigen wollen wäre die Schädigung der Familien eine gute Möglichkeit ihr Ziel zu erreichen. Das funktioniert schon wenn sie das Wohl des einzelnen Individuums ganz grundsätzlich an die Spitze ihrer Regelpyramide stellen.

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