“Die Postmodernisten vertreten die These, dass es keine Bedeutung außerhalb der Sprache gibt.” Diese denkensoriginellen Menschen gehen doch hier noch viel weiter, nämlich bis hin zur Behauptung, dass Sprache die Realität überhaupt schaffen würde! Ein Stuhl wäre ohne seine Bezeichnung und ihren Bedeutungsgehalt kein Stuhl und je nach kulturellem Hintergrund wäre der Stuhl völlig bedeutungslos oder würde für etwas anderes gehalten werden. Ich denke aber, dass tatsächlich selbst ein Mensch aus einer der letzten Stämme ohne Außenkontakt keine große Mühe hätte, sich ohne extra Erklärung oder eigenes Wort dafür einfach darauf zu setzen. Die Vorstellung, Sprache schaffe die Realität sorgt im Ergebnis u.a. in unserer Gesellschaft für biologische Männer in der Frauensauna, welche verkünden, sie seien Frauen. Und sie sorgt auch für die Einbildung, der Einfluss verschiedener Kulturen würde einfach verschwinden, wenn man aufhört, sie zu benennen und zu beschreiben. Die Vorstellung, die Welt könnte durch die Sprache komplett neu gestaltet werden, ist für mich eine Idee direkt aus dem Irrenhaus. Die extreme Abweichung zwischen Realität und Realitätsvorstellung ist zudem eine psychiatrische Diagnose. Am Ende glauben sie noch daran, die ganzen Messertoten würden wieder leben, wenn man sie einfach nicht benennt? Das Maß an Ignoranz und Dummheit, das dieser Irrlehre vorausgeht und die Tatsache, dass sie nach wie vor an unseren Universitäten ihren Platz hat, macht mich schlicht sprachlos. Wie soll ich solche Hochschulvertreter respektieren? Ich weiß es nicht. Es wäre wirklich eine Form des völlig voraussetzungslosen Respekts, mit dem ich auch einen Regenwurm bedenke, über den ich im Regen hinwegtrete.
Ein Psychologe im Bedeutungsrausch: Eine Bekannte von mir hat eine Schwester mit Trisomie, die wirft als ihre Damenbinde im benetzten Zustand durch den Behindertenbus. Das ist Denken ohne Sprache, trifft dieses Denken einen Psychologen oder Pädagogen, so erspart die Sache einem das dumme Geschwätz. Peterson sollte mal in einer Einrichtung arbeiten, bis ihm die Flausen der Geltungssucht etwas abhanden kommen.
Ich denke die ganze Zeit ohne Sprache. Bei mir laufen fast alle Gedanken über den audiovisuellen Cortex. Zur Sprache wird das erst dann, wenn mein Mundwerk situationsbedingt entweder zur Kommunikation gezwungen wird oder ihm langweilig ist. ;-) Mein Mundwerk ist quasi nur die Trompete für alles, was in meinem Kopf passiert. Da ist aber immer eine Übersetzungsstufe von Bild in Ton dazwischen. Darum ist mein Gehirn auch wesentlich schneller als mein Mundwerk. Auch wenn mein Umfeld das wegen meiner bisweilen wasserfallartigen Vorträge auf simple Fragen wohl kaum glauben kann. Ich rede bisweilen viel, damit ich das nicht verlerne oder um den Fokus in den Breiten meiner Gehirnwindungen zu halten. Aber zurück zur Sache: Man kann natürlich gänzlich ohne Sprache kommunizieren. Dafür braucht man gute Augen und Ohren, eine gute Wahrnehmung -> am besten ein fotografisches Gedächtnis, und die Fähigkeit viele verschiedene Eindrücke in Zeit und Raum im Kopf in einen Zusammenhang zu bringen, also was man wo unter welchen Umständen gesehen oder gehört hat. Alles gar nicht so kompliziert. Man muss nur mit offenen Augen und Ohren durch die Welt gehen und sie bewusst wahrnehmen.
Als Einstein seine allgemeine Relativitätstheorie formulieren und veröffentlichen wollte, nahm der die Hilfe eines befreundeten Mathematikers (Marcel Grossmann, Prof. an der ETH Zürich) in Anspruch. Der half ihm, die Ideen Einsteins zur Veröffentlichung in die Sprache der Mathematik zu übersetzen. Auch hier lief es also in dieser Reihenfolge ab: Erst Einsteins Denken, zunächst intuitiv, ohne Mathematik und verbale Sprache. Dann die “Übersetzung” in die Sprache der Mathematik (gleichzeitig ein Test auf die innere Konsistenz der Theorie). Für Laien wird dann immer wieder versucht, diese Theorie auch in verbale Sprache zu übersetzen, was aber kaum geht. Denken ohne Sprache: Wahrscheinlich fast immer der erste Schritt, wenn es kreativ zugehen soll.
Sehr herzlichen Dank für diesen schönen und interessanten Beitrag. “Am Anfang war das Wort…” Klang, Ruf, Impuls, Frequenz, Resonanz, Wind -
Die schwierigste Aufgabe in einer hochtechnologischen Gesellschaft ist die Kooperation. Es ist auch der Prozess, der ganz schnell zerstört ist, wenn nur die Dogmatiker ohne Verstand mit Befehlen dazwischen schlagen. Problem: Um Hochtechnologie zu entwickeln, muss man eine Vielzahl verschiedener Personen zu einer handlungsfähigen Einheit zusammenbringen, von denen jeder hochspezialisiert ist. Jeder hat ein “internes” Denken, mit dem er die Symbole seines Spezialgebietes “bearbeitet”. Sein Denken erzeugt vollständig neue Strukturen, die mit den Strukturen seiner Kollegen/Mitarbeiter zusammenarbeiten müssen, ohne dass er die “interne” Sprache seiner Kollegen verstehen kann, weil deren Symbole eine ganz andere Bedeutung haben, die es in seinem Denkschema vielleicht gar nicht gibt. Und dieses “Team” wird dann von einem kaufmännischen Chef geführt, der nur in kaufmännischer Mathematik denken kann. Unglücklicherweise hat dieser Chef den Hochmut, das Denken aller Team-Mitglieder lenken zu wollen. Das versagt vollständig. Die Team-Mitglieder entwickeln dann ein völlig neues Kommunikationssystem, das nur in diesem Team gilt und das den Chef vollständig außen vor lässt. Wenn nicht sämtliche Team-Mitglieder die kaufmännischen Begriffe des Chefs konstruktiv anwenden können und wollen (der ja eigentlich führen will) ist das Scheitern vorbestimmt. Das wirtschaftliche Scheitern, nicht das technische oder wissenschaftliche. Dann wird das Team zerlegt/zerstreut und das Projekt über die Kante abgekippt. Hochtechnologie ist das Ergebnis einer kommunikativen Meisterleistung, an der die Nutznießer dieser Leistung nahezu keinen Anteil haben. Wenn man das dann auch noch den “Marktgesetzen” ausliefert, ist der Verlust der Kompetenz eines ganzen Landes unvermeidbar. Hochspezialisierte Personen, die ein halbes Leben lang lernen mussten, um in ihrem Spezialgebiet Hochleistung zu bringen, bedienen dann bei McDonalds oder wandern aus. Universalgenies halten es länger aus, mit dem selben Ergebnis
@Rainer Niersberger : >>Abgesehen davon, dass hier Sprache oder Sprechen leicht reduktionistisch als eine Stimme mit Lauten verstanden wird, was dem Stummen zu Unrecht die Sprachfaehigkeit nimmt, ihm fehlt die Lautfähigkeit, gilt es auf die untrennbare Verbindung zwischen Sprache und Denken zu achten. Natuerlich kann man Denken, ohne laut zu sprechen.<< ## Der kreative Prozess eines Ingenieurs, der eine Maschine entwickelt, ist zweifellos Denken. Dieses Denken findet weitgehend in bewegten bunten Bildern statt. Dabei müssen diese Bilder niemals als reeles Bild entstehen, auf keinem Bildschirm. Wer CAD verwendet, sieht das Bild auf dem Bildschirm, wenn er vorher dem Computer sein inneres Bild auf eine Weise übertragen hat, die das CAD-System versteht. Ein Elektronik-Entwickler denkt auch in Bildern, aber diese Bilder sehen völlig anders aus, als das entstehende System selbst. Und immer wieder muss er die Sprache wechseln, sobald er mit der Sprache mathematischer Symbole konkrete Parameter/Werte berechnet. Die Ergebnisse der Berechnung sind Ziffern und Maßeinheitssymbole, die etwas genau bestimmen, was kein Mensch sehen kann. Die Übersetzung dieser Bildersprache in latainische Buchstaben ist oft ungenau und kann missverstanden werden, ist jedenfalls ungeeignet, bei einem anderen Menschen die selben Bilder zu entwickeln. Entwickler sind oft einsam, niemand versteht sie. Aber wenn er sein Werk zuende gebracht hat, können viele andere Menschen dieses Ergebnis nutzen, ohne jemals seine innere Sprache (die Symbole seines Denkens) verstehen zu können.
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