112-Peterson: Ein religiöses Substrat

Die Frage „Warum tue ich etwas Bestimmtes?“, sollte man sich häufiger stellen.

Stellen Sie sich also vor, Sie haben ein Ziel vor Augen. Sie wollen zum Beispiel morgens zur Arbeit oder in die Uni gehen. Ich habe meinen Studenten dazu immer Fragen gestellt: „Was wollen Sie schreiben?“ „Warum schreiben Sie den Aufsatz?“ „Warum sitzen Sie in der Vorlesung?“

 – „Ich bin in der Vorlesung, weil ich es muss.“ 

– „Ich brauche diese Vorlesung, weil sie Teil meines Hauptfachs ist.“

 „Warum haben Sie dieses Hauptfach gewählt?“

– „Ich brauche einen Job, um Körper und Seele in Einklang zu bringen und vielleicht produktiv zu sein und mir einen Namen zu machen.“ 

„Und warum wollen Sie das tun?“

– „Weil es zum normalen Leben dazugehört.“

 „Und warum wollen Sie normal leben?“

An diesem Punkt sind die Menschen in der Regel nicht in der Lage zu antworten, weil man sie mit Fragen nach dem „Warum“ so lange bedrängen kann, bis ihnen die Erklärungen ausgehen. Der Punkt ist, dass man immer einem bestimmten Handlungsmuster folgt und in einer Abfolge von zielgerichteten Handlungen verschachtelt ist, die mehr oder weniger ausgeklügelt sind.

Wenn man anspruchsvoll ist, dann hat man eine ziemlich hohe Hierarchie von Antworten. Man könnte also fragen: „Warum wollen Sie ein produktiver und großzügiger Bürger sein?“ Man könnte antworten: „Nun, das ist Teil des reziproken Altruismus, und wenn ich produktiv und großzügig bin, dann ermutigt das die anderen Leute, produktiv und großzügig zu sein. Und wenn wir alle zusammen produktiv und großzügig sind, dann gibt es mehr für alle und wir werden alle besser miteinander auskommen und wir werden für einen längeren Zeitraum miteinander auskommen und das wird unsere Gesellschaften besser machen.“

Dann könnte man fragen: „Warum ist das relevant?“ Eine Antwort wäre zum Beispiel: Weil die Alternative einem Abstieg in die Hölle nahekommt. Es ist Teil einer Reflexion der göttlichen Ordnung und des ewigen Kampfes zwischen Gut und Böse.“  Man könnte es sogar noch weitertreiben und sagen: „Werden Sie auf der Seite des Erlösungshelden oder auf der Seite des ewigen Gegners stehen?“ Man gräbt immer weiter nach unten und je weiter man nach unten gräbt, desto mehr gerät man in das, was man als das implizite religiöse Substrat bezeichnen könnte.

Dies ist ein Auszug aus einem Video von Jordan B. Peterson.

Jordan B. Peterson (* 12. Juni 1962) ist ein kanadischer klinischer Psychologe, Sachbuchautor und emeritierter Professor. In seinen Vorlesungen und Vorträgen vertritt er konservative Positionen und kritisiert insbesondere den Einfluss der Political correctness und die Genderpolitik. Sein 2018 erschienes Buch 12 Rules for Life war internationaler Bestseller.

Foto: Gage Skidmore CC BY-SA 2.0 via Wikimedia Commons

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Sybille Schrey / 11.09.2024

Es wird grundsätzlich nicht zwischen Religion und Gottesglaube unterschieden. Ich selbst bin zwar sehr gläubig, war aber nie einer Religion verhaftet. Ja, Frau Grimm missioniert, soll sie. Es ist der christlichen Religion eigen und tut doch wohl niemandem weh. Wenn doch, haben diejenigen ein Problem, das aber nicht ursächlich mit Frau Grimm zusammenhängt. @ Frau Altmann: Brecht ist ja nun wirklich der letzte Kronzeuge für solche Zusammenhänge. @ Frau Eden, Zitat: „Nur der Mensch selbst kann sich diesen Sinn geben ….“ Na dann, Ihr Wort in Gottes Ohr! Weiter schreiben Sie von den „Helden der Menschheit“, von Kreativen und Künstlern, Erfindern und Unternehmern. Wie wär´s denn mal mit Wissenschaftlern? Werner Karl Heisenberg, 1932 Nobelpreisträger für Physik, sagte: „Der erste Trunk aus dem Becher der Naturwissenschaft macht atheistisch; aber auf dem Grund des Bechers wartet Gott.“ Und Albert Einstein meinte: „Ein Zeitgenosse hat nicht zu Unrecht gesagt, dass die ernsthaften Forscher in unserer im Allgemeinen materialistisch eingestellten Zeit die einzigen tief religiösen Menschen sind.“ Dann wäre da noch Arthur Stanley Eddington, britischer Astrophysiker: “Die moderne Physik führt uns notwendig zu Gott hin, nicht von ihm fort - keiner der Erfinder des Atheismus war Naturforscher. Alle waren sie sehr mittelmäßige Philosophen.” Wer noch nicht einmal den Unterschied zwischen Religiosität (Gottesglaube) und Religion verstanden hat, sollte tunlichst von solchen Themen Abstand nehmen, geschweige denn noch irgendwelche Ratschläge erteilen wollen. Denn auch der Atheismus mündet in Knechtschaft und im Schwarm der Getriebenen.

Klara Altmann / 11.09.2024

Ich arbeite, denn ich muss wohnen und essen. Ich brauche Kleidung und im Winter Heizung, sonst friere ich oder werde eingesperrt aufgrund der Erregung öffentlichen Ärgernisses. Und ich mag nicht von jemandem abhängig sein, der mir dann vorschreibt, was ich tun oder lassen soll, also sorge ich selbst für diese Dinge. Und bevor ich etwas tue, womit ich mich schlecht fühle oder was mich langweilt, mache ich lieber etwas Sinnvolles und Nützliches, damit ich meine Zeit nicht verschwende. Und am Ende meines Lebens kann ich auf das zeigen, was ich geschaffen habe und kann dann zufrieden sein. Die Spieltheorie hat mir zudem noch überzeugend erklärt, warum man Menschen besser konstruktiv begegnet, im Ergebnis hilft das allen. Wieso irgendwer dafür eine Religion braucht, erschließt sich mir nicht. Brecht brachte das so gut auf den Punkt in den “Geschichten vom Herrn Keuner”: “Einer fragte Herrn K., ob es einen Gott gäbe. -Herr K. sagte: “Ich rate dir, nachzudenken, ob dein Verhalten je nach der Antwort auf diese Frage sich ändern würde. -Würde es sich nicht ändern, dann können wir die Frage fallen lassen. -Würde es sich ändern, dann kann ich dir wenigstens noch so weit behilflich sein, dass ich dir sage, du hast dich schon entschieden: Du brauchst einen Gott.”

sybille eden / 11.09.2024

Keine Religion kann dem Menschen einen Lebens-Sinn geben, es wäre nur eine Knechtschaft . Nur der Mensch selbst kann sich diesen Sinn geben, jenseits von Lügen und Illusionen. Findet er den Sinn nicht, wird er nur ein Getriebener, ein Fisch in einem Schwarm. Trost und Halt findet er dann wieder in den Lügen und Utopien der Ideologien, aber er bleibt ein Getriebener denn mitLügen kann man nicht ein echtes Leben führen. Und so geht der ewige Kreislauf weiter. Für die große Masse, nicht für den Kreativen und Künstler , für den Erfinder und Unternehmer. Sie sind die wahren Helden der Menschheit !

Ute Maria Laufs / 11.09.2024

@Ilona Grimm Sehr geehrte Frau Grimm, was ich wirklich nicht verstehe ist die Tatsache, dass Sie in den letzten vier Jahren sehr dezidierte Argumente dafür hatten nicht Teil der Impfung sein zu wollen. Die minimale Schlussfolgerung für mich ist, dass Sie bei diesem Thema sehr genau verstanden haben, dass Sie sich Freiheiten für ihr eigenes Leben wünschen und es ablehnen kujoniert zu werden. Deshalb ist es für mich nicht nachvollziehbar, warum Sie beim Thema Religiosität eine andere Sichtweise vertreten. Es geht um exakt das gleiche Muster, nämlich die Autonomie, die ein Mensch sich wünscht und leben möchte und dessen Maß er - natürlich ohne Schädigung eines anderen - auch für sich leben können sollte. Evangelisieren ist nervig, lächerlich, übergriffig und darüberhinaus der ausdrückliche Wunsch, den anderen zu beherrschen. Ich erlebe es als Besessenheit und gewissermassen als elterliches Introjekt “das Beste für den anderen zu wollen aka keine Hölle”. Tragischerweise ohne das Einverständnis dafür einzuholen und ungefragt den anderen zuzutexten. Letztlich ist es auch nicht integer und vertrauenswürdig das Gegenüber missionieren zu wollen, weil es genau wie bei Kopftuchträgerinnen eigentlich der Wunsch und die Botschaft ist, sich über den anderen zu erheben. Gefälle, Ungleichheit, das Gegenteil von Augenhöhe.

Ute Maria Laufs / 11.09.2024

Seitdem Herr Peterson die Religion für sich entdeckt hat, sind seine Einlassungen noch unerträglicher als sie es vorher schon waren.

Ilona Grimm / 11.09.2024

@Gerd Quallo, Sie antworten mir: »Und Sie glauben natürlich, nicht brennen zu müssen. Sind Sie dann nicht hoffärtig? Und ist nicht Stolz eine der Todsünden?« - - - Bin ich hoffärtig, weil ich den Heilsversprechen der Bibel (Gottes Wort!) unbedingt vertraue und deshalb die Gewissheit habe, die Ewigkeit im „Himmel“ verbringen zu dürfen? Und das trotz meiner Sündhaftigkeit! Denn meine Sünden sind vergeben, „the slate is clean“. Heilsgewissheit gibt es bei den Mohammedanern nicht, und auch sonst in keiner „Religion“. Für gläubige (der Bibel vertrauende) Christen gilt jedoch: Joh. 1,12 | Joh, 5,13 | Joh. 6,47 | Joh. 6,58 | Joh, 14, 2-4 | Römer 8,1 | Römer 10, 9-11 | Phil. 1,6 - - -  ABER: → Wer mich verachtet und nimmt meine Worte nicht an, der hat schon seinen Richter: Das Wort, das ich geredet habe, das wird ihn richten am Jüngsten Tage.← - - - „Ach Gottchen“ wird an jenem Tage NIEMAND sagen! Denn: Jedes Knie wird sich einmal vor Gott beugen müssen. (Römer 14,11)

Thomas Szabó / 11.09.2024

@ Ilona Grimm: Wie sieht die Hölle aus? Erzählen Sie.

finn waidjuk / 11.09.2024

Wer an die Hölle glaubt, lebt jetzt schon drin. Der einzige Weg heraus ist der Tod. Danach wird man dann zu Substrat. Völlig egal, was man vorher gemacht hat. Man hat dann halt ein sinnloses Leben geführt, aber was soll`s. Ist ja nicht mein Problem.

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