112-Peterson: Dürfen Europäer stolz sein?

Im Folgenden geben wir einen Ausschnitt aus einem Interview des YouTube Kanals "The-Mill-Series" mit Jordan B. Peterson wieder:

The Mill Series: Es ist ein Tabu, die europäische Kultur zu feiern. Multikulturalisten werden ziemlich ungehalten, wenn Europäer beginnen, ihren Stolz auf ihre Kultur oder ihr Erbe auszudrücken. Viele, vor allem auf der linken Seite, unterscheiden zumindest in der Praxis kaum zwischen europäischem Stolz und weißer Vorherrschaft. Ihnen, Herr Peterson, ist die Freiheit des Einzelnen wichtig, die Freiheit des Einzelnen, zu denken, zu sprechen, Gedanken zu verknüpfen, kurz gesagt, ohne äußeren Zwang so zu handeln, wie man es richtig findet, solange man dabei die Freiheiten anderer nicht verletzt.

Professor Ricardo Duchesne, kanadischer Geschichtssoziologe und Professor an der University of New Brunswick, argumentiert, dass „Individualismus ein einzigartiges Attribut der europäischen Völker ist. Es wurde zu einem gewissen Grad in andere Länder exportiert, ist aber meiner Meinung nach nichts, was ihnen eigen ist.“ So fährt er fort: „Man kann jedoch nicht das Spiel spielen, das wir alle bloß Individuen seien. Wir müssen unsere ethnische Identität und unser Erbe bekräftigen und stolz darauf sein, um den neugierigen Individualismus des Westens zu bewahren. Wenn die Europäer zu Minderheiten im Westen geworden sind”, argumentiert er, „wird die Gründungsidee des Westens (gefährdet, Ergänzung Red.), dass keine juristische Person, kein Individuum, keine Gemeinschaft, kein Staat das Recht hat, einem Individuum mit Gewalt Leben, Freiheit oder Eigentum zu entziehen, unabhängig von Rasse, Klasse oder Religion des Betreffenden.” Es wäre nicht verwunderlich, wenn Duchesne, als er diese Erklärung abgab, Sie im Sinn hatte.

Jordan B. Peterson: Im Mittelalter glaubte man in Europa nicht umsonst an die sieben Todsünden, und eine von ihnen war der Stolz. Ich möchte zunächst folgendes festhalten: Ich glaube schon, dass aus Gründen, die auf der Hand liegen, der Westen einiges vorzuweisen hat. Allen voran ist wohl die Souveränität des Einzelnen zu nennen, die wir erreicht haben. Wir haben das auf bemerkenswerte Weise zum Ausdruck gebracht, und zwar nicht nur theologisch, philosophisch, in unseren Gesetzbüchern und in unseren Gesellschaften. Darüber hinaus hat sich dies insofern auf den Rest der Welt ausgewirkt, alsdass alle ziemlich schnell wohlhabender werden, was ein absolut positiver Effekt ist.

Eigentlich ein unmöglicher Gedanke

Kann ich aber nach dieser Feststellung sagen, dass ich stolz darauf sei? Das ist ja nicht mein Verdienst. Was zum Teufel heißt denn in diesem Fall Stolz? Das wäre nicht die richtige Antwort. Wie wäre es damit, sich verantwortlich zu fühlen? Als Teil einer großen und verschiedenartigen Menge von Stimmen, eines merkwürdigen Haufens von Stimmen, die besagen, dass auf unbeschreibliche Weise der ärmste Mensch so wertvoll ist wie der König. Man fragt sich, wie wir da eigentlich mal drauf gekommen sind? Eigentlich ein unmöglicher Gedanke.

Und doch ist dies die Basis unseres Rechtssystems. Das ist aber nichts, um stolz darauf zu sein, das ist etwas, um es mit Ehrfurcht als ethische Bürde zu tragen. Nichts, um eine Fahne zu schwenken, weil man ja so wunderbar ist, nur weil man zufällig die gleiche Hautfarbe hat wie einige der Menschen, die sich das mal ausgedacht haben. Stolz ist nicht die richtige Antwort. Vielmehr sollten wir die Augen öffnen und diese Errungenschaft als ein relativ neues Wunder auf der Weltbühne erkennen und am Prozess der Aufrechterhaltung dessen in unserem persönlichen und öffentlichen Leben teilnehmen.

Es geht nicht um Stolz auf die europäische Tradition. Ich fliege sehr gerne nach Europa. Die europäischen Städte sind echte Meisterwerke, weshalb sie von Pilgern und Touristen, die ihre Schönheit bewundern wollen, völlig überflutet werden. Ich bin aber nicht stolz darauf. Ich fühle mich eher, als müsste ich einem Anspruch gerecht werden. Das ist aber etwas völlig anderes.

Man weiß kaum, wo man anfangen soll

Es gibt rechte Stimmen, die sagen: „Seht, was wir alles erreicht haben.” Genau genommen haben sie das aber nicht erreicht. Hier geht es um eine echte Hausnummer. Man muss schon einiges vorweisen können, bevor man es wagen kann, sich hinszustellen und derartige Errungenschaften für sich zu reklamieren. Nein, es ist vielmehr sehr schwer, aufzustehen und seinen Platz in diesem historischen Prozess einzunehmen, diesem wundersamen Prozess, der nicht sehr wahrscheinlich war. Sich angesichts dessen nicht für den eigenen gegenwärtigen Zustand zu schämen, bedeutet, dass man verblendet ist. Und darüber hinaus seine Begabung dafür opfert, ein Begünstigter des Systems zu sein.

Wenn wir uns anschauen, was wir hier haben, diesen tollen Flecken Erde, den wir gerade bewohnen. Man benutzt dieses unverdiente Geschenk, das einem gewährt wurde, als Quelle des persönlichen Stolzes, als würde es sich um eine eigene Leistung handeln, die jedoch nur mit der Hautfarbe zusammen hängt. Das ist aber kein gutes Argument. Und natürlich heißt das nicht, dass es nichts Wertvolles an der europäischen Kultur gäbe, ganz im Gegenteil. Es ist aber zugleich nicht einmal ganz klar, inwieweit sie europäisch ist. Ein Teil kam aus dem Mittleren Osten. Diese ganze Entwicklung ist so verwirrend, dass man kaum weiß, wo man anfangen soll.

Dies ist ein Auszug aus einem Interview des YouTube Kanals "The-Mill-Series" mit Jordan B. Peterson. Hier geht's zum Auszug und hier zur gesamten Sendung.

Foto: jordanbpeterson.com

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Karl-Heinz Vonderstein / 09.10.2019

Wenn ein Afro American sagt er sei stolz ein Afro American zu sein, findet man es gut. Wenn ein Hispanic American sagt er sei stolz ein Hispanic American zu sein, findet man es gut. Wenn ein Native American sagt er sei stolz ein Native American zu sein, findet man es gut. Wenn ein White American sagt er sei stolz ein White American zu sein, findet man es rassistisch. Wenn einer stolz ist ein Schwarz Afrikaner, Chinese, Inder oder Araber zu sein, findet man es gut. Wenn einer stolz ist ein Weißer (allgemein) oder ein Deutscher (Biodeutscher) zu sein, findet man es rassistisch.

Dieter Kief / 09.10.2019

Stolz als eine der sieben Todsünden ist das die Argumentation des in diesen Dingen mild gelehrten Doktors tragende Paradoxon. Alles sehr alteuropäich, alles ok. Nichts dergleichen in den Überlieferungen der !kung oder der Yanomami oder der Aborigines oder der Piraha. Deshalb bin ich aber noch lange nicht nicht stolz, kein Aborigne oder kein !kung osä. zu sein! - Eh kloa - s. o. - : - Das die Argumentation des in solchen Dingen mild gelehrten Doktors Peterson tragende Paradox vom Stolz als einer der sieben Todsünden und ragenden Grundpfeiler unserer Kultur, ne!

Axel Robert Göhring / 09.10.2019

Petersons Argumentation scheint mir etwas theoretisch zu sein. Stolz auf die eigene Gruppe ist etwas Natürliches, zumindest bei Männern. Er ist ein Grundbedürfnis und eine Grundlage des Zusammenhaltes. Können große Leistungen der Vorfahren für den Stolz herangezogen werden, ist man entspannter. Sind Völker stolz, aber die sichtbare Leistung bildet das nicht ab (z.B. im Islamgürtel), entwickelt sich ein Gefühl des Zukurzgekommen-Seins, das wiederum zu Haß und Gewalt führt. Wir Euros hingegen können ganz entspannt sein.

Marcel Seiler / 09.10.2019

Wenn man die lange Antwort von J.B. Peterson für den europäischen Gebrauch zusammenfassen will: Wir sollen uns für unser europäisches Erbe nicht schämen. Es ist absolut nichts dagegen einzuwenden, dass wir dieses Erbe offensiv vertreten. Es hat viel Gutes bewirkt. – JBP wendet sich dagegen, dass sich jemand das großartige europäische Erbe als persönliches Verdienst zurechnet; eigentlich eine Selbstverständlichkeit.

Esther Burke / 09.10.2019

Mein Großvater Ludwig L. .*1858 - 1926, Wagnermeister, war möglicherweise zur gleichen Zeit in der Wagnerinnung in Schorndorf, wie Gottlieb Daimler. Ich bin deutsch.    In dieser Natur / Landschaft, Sprache, im hieraus resultierenden Lebensgefühl bin ich daheim .  Auch in den überlieferten Formen des Zusammenlebens : Familie, Freundschaften, Feste im Jahreskreislauf, Literatur und Liturgie, und so vielem mehr.  Dies alles macht - so meine ich - meine Identität aus.  Deutschland -  im Zentrum Europas - wurde immer gespeist von Hinzugekommenem aus allen Himmelsrichtungen, hat immer aufgenommen und auch wieder abgegeben, sich gemischt, verbunden und für Neues geöffnet.  Aber kann Identität gefunden werden, wenn es nur noch / ausschließlich Offenheit gibt ?  Kann das “Neue” verstanden, bejaht werden, wenn das “Eigene” keinen sicheren Stand hat ?  Geht das : das “Eigene” haben und pflegen, bewahren, sowie, das “Fremde” verstehen, annehmen und sich von ihm befruchten lassen ?  Identität scheint mir zutiefst dialektisch, 2-polig zu sein .  Hier die stimmige Balance zu finden ist wohl die Hauptaufgabe.  Soziokulturelles Selbstverständnis, Identität braucht Strukturen.  Nicht rigide, starre, sondern vitale, elastische, auch tragfähige und belastbare.  “Patriotismus” : die tiefe Freude über den Reichtum seiner kulturellen Wurzeln, des ererbten Schatzes… Es ist erlaubt, diesen bewahren, pflegen und erhalten zu wollen.  Sinnerfülltes Leben eines - relativ ! - mündigen und freien Menschen , manchmal sogar in in seiner Herkunft zuhause…? Eine Farbe ,Stimme, ein Klang oder Duft unter vielen -  weil ich die Vielfalt liebe, bin ich gerne - auch ( und trotz allem Bösen, das auch hier vorhanden ist) - gerne deutsch.

Rolf Lindner / 09.10.2019

Ich verstehe das ganze Anliegen nicht. Warum soll ich nicht stolz sein, auf das, was in Europa und besonders in Deutschland geschaffen wurde? Wo ist der Teil, der aus dem mittleren Osten stammt? Natürlich hat es immer Einflüsse sogar aus China gegeben, aber die Kultur in Europa ist abgesehen von marginalen jüdischen und arabischen Beiträgen im Wesentlichen durch das alte Griechenland, durch das römische Reich und durch das Christentum geprägt. Zu all dem, was in diesem Kulturbereich geschaffen, wurde haben Generationen und Massen von Menschen, aber auch Einzelne, größere oder kleinere Werke geliefert oder sich für den Erhalt des Geschaffenen und der Kultur eingesetzt. Genauso wie es heute noch ein Teil der Gesellschaft tut. Und dieser Teil sollte stolz sein auf das Ererbte und den eigenen Beitrag dieses Erbe zu erhalten und zu erweitern. Diesen Stolz empfindet nur der Teil der Gesellschaft nicht, dem die europäische und die deutsche Kultur ein wirklich unverdientes Geschenk ist, das man verächtlich macht, selber ausplündert und zur Ausplünderung freigibt. Denen ist der verdiente Stolz ein Dorn im Auge. Für die ist Deutschland ein Stück - na, sie wissen ja.

Werner Arning / 09.10.2019

Europa ist wie ein Mensch, der erwachsen geworden ist. Er musste eine Menge Erfahrungen sammeln, durch viele Irrtümer gehen, sich vieler Dinge bewusst werden und hat sich dabei recht gut aus der Affäre gezogen. Diese Errungenschaft, die mit viel Leid bezahlt wurden, gilt es, wertzuschätzen und zu verteidigen. Das ist es, was wir unseren Vorfahren und uns selbst schuldig sind. Wir dürfen diese Errungenschaften nicht für ein oberflächlich empfundenes Gefühl aufs Spiel setzen. Nicht jeder teilt diese Errungenschaften, nicht jedem bedeuten sie etwas. Doch gibt es einige, die sich einen feuchten Kehricht um die Errungenschaften sorgen und die diese gar gerne zerstört sehen würden. Seien wir ihnen gegenüber wehrhaft. Naivität ist gefährlich und hier fehl am Platze.

Karsten Dörre / 09.10.2019

Stolz ist man auf seine eigenen Leistungen. Bei Entwicklungsstufen der eigenen Kinder, wie z.B. erste Mal stehen, erste Mal gehen, den ersten Schultag geschafft usw., freut man sich mit dem eigenen Kind mit. Wer als Elternteil dabei Stolz empfindet, hat Leben nicht begriffen. “Stolz Deutscher” oder “stolz Europäer” zu sein ist evolutionärer Humbug.

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