@Thomas Taterka, Sie schreiben immer recht gute Beiträge, aber manchmal ist „nix“ schreiben zu gut wie gut zuhören. Es geht um Emphatie, ist nicht so wie in der Kunst.
@Karla Kuhn, à propos Wahrheit: „Die Wahrheit wird jetzt unterdrückt, will niemand Wahrheit hören; die Lüge wird gar fein geschmückt, man hilft ihr oft mit Schwören; dadurch wird Gottes Wort veracht, die Wahrheit höhnisch auch verlacht, die Lüge tut man ehren.“ Ev.Gesangbuch, 145, Vers 5 – Johann Walter, 1561 (!) Nichts Neues unter der Sonne. Es kommt uns alles nur so neu vor, weil es täglich schlimmer wird - oder zu werden scheint.
Damit eine therapeutische Beziehung enstehen kann, muss wohl zunächst beim Therapeuten (in) ganz ehrlich geprüft werden : kann/will ich diesen Menschen, der mir hier gegenübersteht, überhaupt annehmen, BEJAHEN, bin ich wirklich an ihm interessiert (i.S. “positiver Neugier”), will ich ihm wirklich beistehen , mich auf ihn einlassen (“positive Übertragung”) ? Auf dieser Basis könnte dann Vertrauen entstehen, die Voraussetzung für den Hilfesuchenden, um sich öffnen zu können, das Risiko einzugehen, verletzlich zu sein. Daraus kann sich dann die Chance ergeben, zu VERSTEHEN . Und dadurch die Möglichkeit , zu klären, zu ordnen, zu entscheiden, was VERÄNDERT werden könnte… Notwendig ist natürlich auch auf der Seite des (“therapiewollenden”) Gegenübers die Entscheidung für diese therapeut. Beziehung / die Bereitschaft, sich auf diesen konkreten Therapeuten zumind. versuchsweise einzulassen. (nicht mit jedem Menschen “stimmt meine Chemie”). Eine Beziehung ist die Entscheidung BEIDER Menschen ! Die therapeutische Beziehung kann nicht primär ein Geschäft sein. Ethik . Für den Andern das Gute wollen .
Welchen Gewinn soll ich davon haben, wenn mein Gegenüber auf sachliche Argumente mit Nazi, Faschist, Rechtspopulist antwortet? Okay, ich weiß dann, welch Geistes Kind er ist.
Zuhören zu können, ist tatsächlich eine Kunst. Und es gibt nicht viele, die diese Kunst wirklich beherrschen. Ab und zu trifft man so jemanden und ist in der Regel angetan, weil diese Personen nicht in erster Linie von sich selber sprechen, sondern weil sie auf das eingehen, was ihnen ihr Gegenüber gerade mitgeteilt hat. Die meisten Menschen möchten von sich oder ihrem eigenen Erleben, ihrem eigenen Umfeld berichten und nutzen das Gesagte ihres Gesprächspartners eigentlich nur als Anstoß, als Stichwort, um von Eigenem zu erzählen. Menschen, die dieses nicht sogleich tun, fallen auf. Sie können in Erstaunen versetzen, einfach nur deshalb, weil sie die Kunst des Zuhörens beherrschen. Um diese Kunst zu erlernen, braucht es echtes Interesse an dem Erzählenden, am Gegenüber. Es braucht Empathie. Einfühlungsvermögen. Ein gesundes Maß an Intelligenz, Menschenkenntnis und der Fähigkeit, sich selber zurücknehmen zu können. Also Demut. Ob all dieses ein Therapeut besser beherrscht als ein Nicht-Therapeut, weiß ich nicht. Aber wünschenswert wäre es.
Wieder viel Nachdenkenswertes und gut, dass es diese Reihe hier gibt. Da ja so vieles außerhalb meines “Betrachtungskorridors” existiert. Ihr Zitat: “Jeder Diskussionsteilnehmer darf erst dann seine Position vortragen, wenn er die Ideen und Gefühle des Vorredners genau wiedergegeben hat.” (vielleicht ein Übersetzungsproblem, dann wäre hier schon Schluß) Da bin ich dann bei Otto Weininger. Niemand kann (ausgenommen Genies) “...die Ideen und Gefühle des Vorredners genau wiedergeben…”. Jeder hat in seinem Leben in sich und für sich etwas Einzigartiges zur Zeit noch nicht Kopierbares “angehäuft”. Woraus seine “Ideen und Gefühle” entspringen. Ich müsste also das Leben eines Anderen gelebt haben, zuzüglich genetisch 1:1 sein. Ich kann Ideen, Argumente aus meinem “Angehäuften” heraus bei anderen nachvollziehen. Ich kann andere Gefühle nachempfinden, nur “genau wiedergeben” kann selbst die beste Schauspielerin, der beste Schauspieler nicht. Der Dieb wird bei einem Neukontakt immer unterstellen, dass sein Gegenüber wie ein Dieb agiert. (Wenn er erkannt hat, dass es sich um ein Opfer handelt, anderes Thema.) Für Dieb kann hier jede andere positive oder negative Berufung eingetragen werden. Wie der einzelne Mensch dann wirklich ist, erfährt man, zumindest ansatzweise, in Extremsituationen. Hunger, Kälte, Durst, Tod
” Zuhören können ” ist im Kern nichts weiter als geschulte “musikalische” Begabung, die auf andere Disziplinen übertragen wird. Machen Sie die Probe : vergleichen Sie ein Musikstück Ihrer Wahl in drei verschiedenen Interpretationen. Sie hören, was Sie verstanden haben, immer. Eine rein kognitive Leistung. Hören Sie drei Interpretationen des gleichen Textes , gesprochen von drei verschiedenen Schauspielern und dann lesen Sie den Text selbst laut vor. Sie erfassen sofort, welche Passagen Sie nicht völlig für sich “geklärt” haben. Ähnlich verhält es sich mit der Bildbetrachtung. Sie sehen, was Sie wissen. Dadurch stellen Sie die emotionale Verbindung her.” Erkennen” ist der Anfang der Zuneigung. Erkennen entsteht durch eigene Erfahrung, die in Neuem wiederentdeckt wird . Das ist eine Facette des Lernens : sie lernen durch aufmerksamen Vergleich beim Zuhören. Lesen ist nichts anderes . Sehen und Lesen ist eine erweiterte Form des Zuhörens mit anderer Partitur. Ich empfehle eine Orchesterprobe mit Arturo Toscannini oder die Aufzeichnung einer Masterclass von Jascha Heifetz. So spontan fällt mir nichts prägnanteres ein, das mich amüsiert und beeindruckt hat. Für den Theaterfreund eine Probenaufnahme von Fritz Kortner als Shylock. Ich hoffe, es ist klar, daß ich unter Kunst des Zuhörens vor allem die Kunst verstehe, NICHT das sinnlose Gesabbel der Politik. Politik ist mehr oder weniger gepflegtes, absichtliches ANEINANDERVORBEIREDEN aus Eitelkeit und Gier. Eine ““Geltungsbedürfnisanstalt” . Da soll rumlungern , wer unbedingt muß.
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