112-Peterson: Die Entdeckung der Zukunft

Wie geht man am besten mit Gefahr um?

Dies ist wohl – neben „Wie geht man am besten mit Schmerz um?“ – eine der wichtigsten Fragen der Menschheit. Niemand möchte verängstigt sein und sich in Gefahr befinden. Da ist es besser, man findet heraus, wie man mit Bedrohungen umgeht. Zunächst braucht man ein Konzept von „Gefahr“. Man werfe beispielsweise einen Blick auf Darstellungen von Kali, (der hinduistischen Göttin des Todes, der Zerstörung und der Erneuerung, Anm.d.Red.). Sie wird mit aus ihrem Haupt steigenden Flammen (ein numinoses Zeichen – gefährlich und transformativ zugleich), Kopfschmuck aus Totenköpfen, Waffen in der Hand, einer Tigerzunge oder einer Schlange um die Hüfte gezeigt.

Es gibt beispielsweise Darstellungen von Kali, die sie kurz nach der Geburt eines Menschen abbilden, den sie jedoch beginnt zu verspeisen, indem sie mit seinen Eingeweiden anfängt. Was soll ein derartiges Kunstwerk? Nun, hier hat sich jemand überlegt, wie er am besten Zerstörung darstellen kann. Was fängt man mit einer derartigen Götterfigur an? Man bringt ihr Opfer dar.

Das mag einem modernen Menschen seltsam vorkommen, weil man schließlich glaubt, dass etwas Derartiges nicht existiert. Die Wahrheit ist – wenn es sich um eine Mischung bedrohlicher Symbole handelt, dann existiert es sehr wohl, und zwar als Abstraktion. Bringen wir Heutigen dem noch Opfer dar?

Natürlich. Warum plagen sich junge Menschen, die doch wohl besseres zu tun hätten, mit dem Lernen an Universitäten herum? Sie verzichten auf das heutige Vergnügen zugunsten des zukünftigen Vorteils. Das ist nichts anderes, als ein Opfer darzubringen.

Eine nicht zu unterschätzende Entdeckung

Natürlich war uns derartiges nicht bewusst, als wir noch als Menschenaffen herum krauchten. Es brauchte sehr viel Zeit, bis wir dies auf dramatische Weise entdeckten. Die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit wird ja oft durch eine männliche, strafende, allgegenwärtige Gottheit repräsentiert, der man geben muss, was sie will. Wenn man das nicht tut, wird man von ihr zerstört. Wenn man diesem Gott jedoch das richtige Opfer darbringt, wird man ein gutes Leben haben. Dies ist eine nicht zu unterschätzende Entdeckung. Man könnte sagen, es handelt sich dabei um die Entdeckung der Zukunft.

Genauer gesagt ging es dabei um die Entdeckung der Zukunft als etwas, womit man Handel betreiben kann. Wow! Welch ein Gedanke! Wie handelt man denn nun mit der Zukunft? Man gibt ihr, was sie will. Man pflegt seine sozialen Beziehungen. Man macht sich nützlich für andere. Man arbeitet an sich, um mit anderen kooperieren zu können. Man versucht, nicht zu impulsiv zu reagieren. Man legt von der nächsten Ernte etwas beseite, selbst wenn man deswegen zunächst hungert. Indem man die richtigen Opfer bringt, gelingt es, dass die Zukunft nicht zur Hölle wird.

Wenn man nun der Göttin Kali opfert, verwandelt sie sich in ihr Gegenteil. Sie schenkt Wohlstand, genau wie Mutter Natur. Man nehme sich in Acht vor Mutter Natur – zwei Wochen in der Wildnis und man weiß, warum. Die Natur hat es im Grunde auf unsere Zerstörung abgesehen. Wenn man sie jedoch richtig behandelt und die richtigen Opfer bringt, schenkt uns einer ihrer Bäume womöglich Früchte. Das hört sich schon besser an, doch viele Menschen starben beim Versuch, dies herauszufinden.

Dies ist ein Ausschnitt aus einer Vorlesung von Jordan B. Peterson. Hier geht's zum Ausschnitt und hier zur gesamten Vorlesung.

Foto: jordanbpeterson.com

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Leserpost

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Kurt Müller / 23.09.2020

Diese Kali-Geschichte mit dem Menschen, der aufgegessen wird, klingt irgendwie nach Hieronymus Bosch. Ganz abstrakt überlegt könnte es aber auch die Darstellung einer Krankheit sein, bei der in bestimmten Situationen die Fäulnis von innen heraus losgeht, z. B. die Cholera, dann würde es sich um eine verschlüsselte Warnung vor bestimmten Verhaltensweisen handeln, weil man noch keine Schriftsprache hatte; die Schrift für Sanskrit wurde ja erst sehr spät erfunden. Vielleicht enthalten viele dieser schrecklichen Skulpturen aus der Vergangenheit eigentlich wichtige Botschaften, nur kann man sie nicht mehr entschlüsseln, weil das Wissen verloren gegangen ist. Ähnlich wird es mit dem Atommüll in den Castorbehältern sein ... in 500 000 Jahren spricht niemand mehr deutsch oder englisch, und Wikipedia wird es auch nicht mehr geben, und die Menschen, die dann leben, halten das vielleicht für Opfergaben, die dem Gott des Winters dargeboten wurden, damit er bald Milde zeigt und es wieder Frühling werden lässt. Vielleicht sollte man auch solche grausamen Bilder auf die Castorbehälter malen, um die Menschen in weiter Zukunft vor dem Inhalt zu warnen. Denn wenn die Wissenschaftler in 500 000 Jahren das aufmachen, um mal reinzugucken ... dann ist es um sie geschehen.

Thomas Taterka / 23.09.2020

@Volker Kleinophorst Machen Sie sich nichts ’ draus, wenn Sie von “höchstberufener” Seite eins auf den Deckel bekommen : 90% wollen Führung und werden es nie zugeben. Und wenn der Richtige partout nicht kommen will ( schätze, selbst der wäre nicht der richtige ), geht man eben mit der ” Schrift ” ins Bett. Bevor man wieder alles selber machen muß. - Ist nicht mein Problem : ich hab kein Talent zum Anstands - Wauwau. - Ich sag nur : ” Gott schütze Donald Trump. ” Nochmal zum Mitdenken : - ” GOTT “. - Junge, Junge, da bleibt einem glatt die Spucke weg. Und die winselnden Gottpinscher drumherum sind mir intellektuell auc etwas zu… keusch. Wenn ich etwas nicht ausstehen kann , dann sind es Frömmler, die von Verdammnis faseln. Schönen Tag noch !

Thomas Taterka / 23.09.2020

Der Erkenntnisschock des Menschen ist die Gewissheit der eigenen Sterblichkeit. Seitdem versucht er diese Einsicht gewissermaßen zu überlisten, durch Überlieferung. Mir gefällt am meisten die Bescheidenheit der künstlerischen Variante, sie verarbeitet alle anderen, setzt aber alles auf eine Karte : die freiwillige Rezeption. Kein Zwang geht von ihr aus , nur das Vertrauen darauf , an sich selbst zu arbeiten zu können. - Bevor eine Öffentlichkeit hergestellt wird !  Gesetz und Freiheit im Ausdruck ist wirkliche Überlieferung .

Werner Arning / 23.09.2020

Kali steht wohl auch für die weibliche Kraft, die zerstören, wie beleben kann. Sie kann Leben verhindern, sie kann Leben schenken. Sie kann das Kind lebensfähig machen, sie kann das Kind lebensuntüchtig machen. Sie kann dem/ihrem Mann Tatkraft, Mut und Stärke verleihen, ihm die Augen öffnen für die Wirklichkeit, ihn auf den richtigen Weg bringen, ihm dabei helfen, seine Feinde zu besiegen, mit ihm zusammen das Gute obsiegen zu lassen. Nur mit ihrer Hilfe ist er fähig zur Veränderung, nur mit ihrer Hilfe kommt er zum Ziel. Ohne ihn bleibt ihre Stärke wiederum wirkungslos, oder wirkt gar zerstörerisch. Sein Zurücknehmen und ihre Energie bewirken das Gute.

S. Marek / 23.09.2020

Eine aktuelle Überschrift auf WO “Sie soll ihre Eunuchen genossen haben – und andere Perversionen”——-> “In den letzten Jahrzehnten des Chinesischen Kaiserreichs zog eine Ex-Konkubine die Strippen in der Verbotenen Stadt: Die Kaiserinwitwe Cixi spielte Parteien und Mächte gegeneinander aus. Mit ihr ging die Qing-Dynastie zugrunde.” Echt, hätte ich nicht die 2 Zeilen darunter gelesen war ich sicher es Handelt sich um Deutschland der letzten 16 Jahren !!

Volker Kleinophorst / 23.09.2020

Ein paar Zusatzinfos: 1. Wir leben laut Hinduismus im Kali-Yuga im Zeitalter Kalis (Übersetzt: Zeitalter des Streites). Das läuft ca. 3000 Jahre, wir sind knapp über der Hälfte. 2. Das schöne Kalkutta ist die Stadt Kalis, des heute noch lebendigen Kali-Kultes. Dort befindet sich auch einer der wichtigsten Wallfahrtsorte der Kalighat-Tempel. “Gehören auch Menschenopfer der Vergangenheit an, so ist doch der Gedanke des blutigen Opfers weiterhin im Tempel gegenwärtig. Obwohl für die meisten Hindus ein Gräuel, sind hier noch heute Ziegenopfer üblich.” (Wiki) Ein Blutkult. 3. In der hinduistischen Kosmologie hat der Zerstörer eine ebenso wichtige Bedeutung wie der Erschaffer. Denn ohne Zerstörung kein Platz für Neues. 4. Dass in den Tempeln auch Angela Kali Kasner gehuldigt wird, sind böswillige Gerüchte, die nur den Falschen nützen.

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