112-Peterson: Die 13. Fee

Die 13. Fee aus dem Märchen „Dornröschen“ ist gleichbedeutend mit der unbarmherzigen Mutter Natur, sie ist der Spuk der Nacht und der Teufel selbst. Aber sie einfach nicht einzuladen, ist auch keine Lösung.

Dornröschens Eltern waren bei ihrer Geburt schon recht alt und hatten sich bereits lange Zeit nach einem Kind gesehnt – wie so viele Menschen heute. Es bleibt demnach auch nur bei einem Kind – wie bei vielen Eltern heute. Sie wollen logischerweise nicht, dass ihrem kleinen, einzigen Wunder, ihrer Prinzessin, irgendetwas geschieht. Also versuchen sie, alles Ungemach von ihr fernzuhalten.

Zu ihrer Taufe laden sie alle möglichen Gäste ein, darunter zwölf Feen – aber die 13., bekannt als „die böse Fee“, nicht. Sie ist gleichbedeutend mit der unbarmherzigen Mutter Natur, sie ist der Spuk der Nacht und der Teufel selbst. Also mit anderen Worten all das, was man seinem Kind nicht zumuten will. Der König und die Königin übergehen die 13. Fee daher einfach zur Taufe – aber das ist auch keine Lösung.

Denn hier spricht sozusagen die ödipale Mutter, die ihr Kind mit ihrer Überbehütung verschlingt. Anstatt dass das Kind durch die Bekanntschaft mit den Schrecken der Welt gestärkt werden kann, wird es durch die übermäßige Fürsorge geschwächt, und wenn es dann hinaus in die Welt geht, ist es nicht lebensfähig. So ergeht es Dornröschen.

Der König und die Königin entschuldigen sich bei der 13. Fee halbherzig damit, dass sie vergessen hätten sie einzuladen, was natürlich wenig überzeugend ist. Wie könnte man auch den Horror des Lebens einfach vergessen? Schon gar nicht, wenn man ein Kind hat. Die Frage aber bleibt, ob man die 13. Fee zur Taufe einlädt. Das kommt darauf an, wie bewusst oder unbewusst man sein Kind erziehen will.

Erzieht man sein Kind ohne Bewusstsein für die Schrecken der Welt, wird es vielleicht nie sein Zuhause verlassen. Möglicherweise zieht man als Eltern Nutzen für sein eigenes trauriges Leben daraus, anstatt eine anderweitige Beschäftigung zu finden. Möglicherweise spürt man sogar das Bedürfnis, sich zu rächen, weil das eigene Kind einen Hang zu dem Mut hat, den man selbst 30 Jahre zuvor geopfert hat. Auch dies ist ein Element von „Dornröschen“.

Dies ist ein Auszug aus einem Vortrag von Jordan B. Peterson. Hier geht's zum Auszug und hier zum gesamten Vortrag.

Foto: jordanbpeterson.com

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Gabriele Klein / 12.10.2022

“die ödipale Mutter, die ihr Kind mit ihrer Überbehütung verschlingt.” Das versteh ich nicht. Meines Wissens bestehen ödipale Beziehungen zwischen weiblich und männlich. Wie z.B.  Mutter und Sohn in d. griechischen Sage Ödipus. Aber ich gebe zu, die Zeiten haben sich geändert und es wird höchste Zeit, Freud und die ödipalen Beziehungen entsprechend zu “editieren” wie die Bibel und die griechischen Sagen auch, auf dass auch die Vergangenheit dem neuen Diktum und seinen Missionaren gehorcht.

Ilona Grimm / 12.10.2022

@Arne Ausländer: Auch ich frage mich, ob Petersen das Märchen überhaupt gelesen hat. Denn, wie Sie sagen, die Fee Nr. 13 war nicht von Haus aus böse. Sie wurde böse, weil man sie aus Aberglauben nicht eingeladen hatte. Der Aberglaube geht zurück auf Judas Iskariot, den Jesus-Verräter, der der dreizehnte Jünger Jesu gewesen ist. Und der war in der Tat böse.

Ludwig Luhmann / 12.10.2022

@Arne Ausländer / 12.10.2022 - “Im Märchen - wie es von den Brüdern Grimm überliefert wurde - wird die dreizehnte Fee erst aus Ärger über ihre (aus banalen Gründen erfolgte) Nichteinladung zur bösen Fee. Das ergäbe eine andere Geschichte für die psychologische Deutung. Für die von Peterson genannte unberechenbare Natur steht in diesen Märchen meist der Wald. Na ja, Peterson eben. Nicht ganz falsch, was er sagt. Aber wenn man genauer hinschaut…”—- Das wird den anwesenden Jordanisten:Innen/Petersonisten:Innen nicht munden. - Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass Ich JP für überschätzt halte? JP füllt Lücken und Risse gerne mit kitschig-christlichem Schmonzes auf.  Das ist mir schon vor Jahren aufgefallen, als er berühmt wurde. Im Großen und Ganzen mag ich ihn ja ...

Werner Arning / 12.10.2022

Durch ein Über-Beschützen seitens der Eltern können Kinder lebensfremd erzogen werden. Eltern wollen dann das Kind nicht aus dem Nest lassen (früher häufig bei relativ alten Eltern von Einzelkindern zu beobachten, heute auch in anderer Konstellation üblich). Um das Nest herum wächst eine Dornenhecke. Das Kind wird für eine erwachsene, liebevolle Beziehung „verdorben“. Erst ein sie dennoch liebender, alle Schwierigkeiten überwindender Mann, kann sie erlösen. Er erlöst gleichzeitig die Eltern und das das Umfeld von einem ödipalen Wahn. Das Kind und Eltern sind wieder frei. Das Küken darf flügge werden.

Arne Ausländer / 12.10.2022

Im Märchen - wie es von den Brüdern Grimm überliefert wurde - wird die dreizehnte Fee erst aus Ärger über ihre (aus banalen Gründen erfolgte) Nichteinladung zur bösen Fee. Das ergäbe eine andere Geschichte für die psychologische Deutung. Für die von Peterson genannte unberechenbare Natur steht in diesen Märchen meist der Wald. Na ja, Peterson eben. Nicht ganz falsch, was er sagt. Aber wenn man genauer hinschaut…

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