112-Peterson: Der Reiz des Verbotenen

Wenn Sie jemanden dazu bringen wollen, etwas bestimmtes zu tun, ist es das beste, ihm zu sagen, dass er das auf keinen Fall machen sollte, ohne ihm zu erklären, warum.

Würde ich meinen Studenten beispielsweise jedes Mal zu Beginn einer Vorlesung sagen, dass sie sich auf keinen Fall auf einen bestimmten Stuhl setzen sollen, würde ich sie vermutlich dazu bringen, sich irgendwann heimlich auf diesen Stuhl zu setzen, einfach um zu sehen, was wohl passiert.

Die Menschen waren schon immer sehr neugierig. Wir alle öffnen im Verlauf unseres Lebens sozusagen mehrfach die Büchse der Pandora. Wir haben ständig die Vorstellung, dass Familienmitglieder, unser Partner oder unsere Kinder eine Kiste mit sich herumschleppen, die verborgene Dinge enthält, und wir hegen den Wunsch, die darin enthaltenen Geheimnisse zu lüften.

Wir lieben es zu entdecken, selbst wenn wir es besser wissen

Beispielsweise wünschen wir uns, dass uns jemand von einem bestimmten Ereignis erzählt. Der Andere weigert sich eine Weile, bis er schließlich nachgibt und seine „Büchse“ für uns öffnet. Und aus dieser Kiste entfleuchen dann alle möglichen Dinge, mit denen wir niemals gerechnet hätten. Und am Ende denken wir uns, dass es besser gewesen wäre, wenn diese bescheuerte Kiste nie geöffnet worden wäre. Das ganze kann man übrigens auch mit eigenen Themen anstellen, denen man auf den Grund geht.

Die gesamte Vorstellung der „Kiste der Pandora“ oder der „verbotenen Frucht“ ist also eine sehr wirkmächtige Idee. Ein Grund, warum in der christlich-jüdischen Tradition ständig von der „Erbsünde“ die Rede ist, besteht darin, dass äußerlich zwar hochentwickelte Schimpansen wie wir, die aber nicht immer viel Verstand haben, einfach nicht in der Lage sind, ihre Finger von bestimmten Dingen zu lassen. Wir lieben es zu entdecken, selbst wenn wir es besser wissen. Und jedes Mal, wenn wir das tun, erfahren wir die Zerstörung des Paradieses, in dem wir gerade leben.

Die wirklich wichtigen Dinge lernen wir nie, ohne dass der Vorgang einen sehr destabilisierenden Effekt auf uns hat, in dem Moment, wo wir uns darüber klar werden. Wenn wir etwas Schönes erfahren, ist das toll. Es zeigt uns aber lediglich, dass wir alles richtig machen und ist daher nicht besonders informativ. Wenn wir dagegen die Hölle in Brand gesetzt haben, fangen wir an, nachzudenken. Und hören vielleicht für den Rest unseres Lebens nicht mehr damit auf.

Dies ist ein Auszug aus einer Vorlesung von Jordan B. Peterson. Hier geht's zum Auszug und hier zur gesamten Vorlesung.

Foto: jordanbpeterson.com

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Leserpost

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Werner Arning / 15.07.2020

Erbsünde könnte meinen, den Verlust der Gemeinschaft mit Gott. Diese könnte es gelten, zurückzugewinnen. Erst das, was verstanden, erarbeitet, verdient, gesucht wurde, ist Teil der sich bemühenden Person geworden. Das Geschenkte, Dargebotene, schon Vorhandene wird selten wertgeschätzt. Ein übermäßig verwöhntes Kind geht häufig ohne Bedacht durchs Leben. Es schätzt die erhaltenen Gaben nicht wert. Jener, der seine Energie in die Erlangung dieser Gaben steckt, weiß um ihren Wert. So ist „Sünde“ möglicherweise nicht als ein Vergehen zu verstehen, nicht als eine schlimme Tat. Vielleicht handelt es sich eher um eine Abkehr. Die Abkehr nimmt Form in einer Lüge. Die Lüge ist möglicherweise das Element, welches hilft, die sogenannte Erbsünde weiterbestehen zu lassen. Sich ihr zu unterwerfen, entfacht das Höllenfeuer, gibt diesem den notwendigen Sauerstoff. Wir alle haben Seiten an uns, auf die wir nicht stolz sind. Wir mögen einigen Unrat in uns entdecken. Sich dessen bewusst zu sein, sich diesem Unrat jedoch nicht auszuliefern, ihn keine Überhand über uns gewinnen zu lassen, dazu braucht es häufig ein gewisses Maß an Erkenntnis. Erkenntnis unserer selbst. Dabei hilft absolute Ehrlichkeit gegenüber sich selbst. Die dabei entdeckte Person, mag uns nicht immer sympathisch sein. Dieser Person keine absolute Macht über „uns“ zu gewähren, sie nicht mit dem „ich“ der Seele zu verwechseln, kann hilfreich sein. Zu schützen gilt es, dieses „wirkliche Ich“. Sich ihm zu nähern, kann eine Lebensaufgabe sein. Sich mit der „Person“ zufrieden zugeben, kann auf eine falsche Fährte locken.

Stephan Bender / 15.07.2020

“Die wirklich wichtigen Dinge lernen wir nie, ohne dass der Vorgang einen sehr destabilisierenden Effekt auf uns hat, in dem Moment, wo wir uns darüber klar werden.”—- Das ist leider so nicht wahr, sondern die Wahnvorstellung eines Menschen, der im orthodoxen Denken gefangen ist.  Nicht die Dinge, die wir aus Fehlern lernen, sind wichtig, sondern wir selbst speichern die Informationen und Erkenntnisse in unserem Körper biochemisch ab, und nennen sie dann später Erfahrung. Wir sind eben nicht nur “äußerlich hochentwickelte Schimpansen”, sondern Computer, deren Software die DNA ist, sonst wären wir biologisch nicht als Mensch entstanden, sondern als Schimpansen. Und diese Software in unserem Körper verarbeitet die Informationen aus unserem Leben, die wir Neugier, Fehler, Lernprozesse und schließlich Erfahrung nennen.

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