112-Peterson: Der Freud’sche Albtraum

Nach dem Säuglingsalter muss die Mutter lernen, ihr Kind schrittweise in die Selbstständigkeit zu entlassen, damit es zu einem eigenständigen Menschen heranwachsen kann.

Man kann eine schlechte Beziehung zu seinem Vater haben, entweder weil er abwesend, missbräuchlich oder tyrannisch war, aber die Standardpathologie bei der Mutter ist, dass sie alles für Sie getan hat. Was bleibt Ihnen anderes übrig, als nichts zu tun – einschließlich niemals wegzugehen. Das ist die Motivation für die Frau, die nichts anderes als eine beschützende Mutter ist. Für sie gibt es keine andere Rolle als die des Versorgers.

Es ist so komisch zu beobachten, wie insbesondere die feministischen Postmodernisten über die Abwesenheit der geschlechtlichen Realität streiten und gleichzeitig die archetypische verschlingende Mutter spielen. Für sie ist die Welt in Raubtiere und Säuglinge aufgeteilt, und die Raubtiere sind böse und müssen gestoppt werden, und die Säuglinge müssen umsorgt werden.

Nun, das ist es, was die Mutter tut. Erwachsene und Heranwachsende sind aber keine Säuglinge mehr und alles, was man tut, ist, sie zu zerstören, wenn man sie so behandelt. Das gilt besonders für die Phase der Pubertät. Es gibt eine Regel, an die ich mich zu halten versuchte, als ich kleine Kinder hatte. Die Regel war, nichts für meine Kinder zu tun, was sie selbst tun können. Das ist manchmal sehr ärgerlich, weil man zum Beispiel etwa 15 Sekunden braucht, um einen Zweijährigen anzuziehen. Lässt man den Zweijährigen sich selbst anziehen, dauert das fünfzehn Minuten, zwanzig Minuten oder vielleicht sogar eine halbe Stunde. Aber wenn man ihm beibringt, sich selbst anzuziehen, dann muss man ihn nicht mehr anziehen. Das gleiche macht man auch beim Thema Tischdecken und bei allen anderen alltäglichen Handgriffen. Man hört auf, alles für das Kind zu tun.

So arbeitet man auch in einem Altersheim: Man lässt die Bewohner Dinge, die sie noch selbst erledigen können, auch selbst tun, weil man ihnen sonst die letzten Reste ihrer Unabhängigkeit rauben würde. Wenn man ein guter Manager ist, macht man sich selbst überflüssig, indem man den Menschen, die man leitet, Autonomie und Unabhängigkeit gewährt. Das tut man nicht, indem man alles für die Leute tut, und schon gar nicht, indem man die Welt archetypisch und unkritisch in Räuber, die mehr haben, und Opfer, die nichts haben, aufteilt und so tut, als könne man sie nur beschützen. 

Die „verschlingende Mutter“

Sie können Menschen nicht beschützen, sie können Sie nur stark machen, damit sie sich selbst beschützen können. Dann brauchen die Kinder ihre Mutter nicht mehr. Das ist das unterirdische pathologische Element der „verschlingenden Mutter“. Das ist der Freud'sche Albtraum: Sie laden ihr Kind schließlich auch nicht in Ihr Bett ein. Sie unterscheiden zwischen ihm und Ihrem Ehemann und fördern die Unabhängigkeit des Kindes.

Deswegen ist es auch sinnvoll, eine Mutter und einen Vater zu haben. Am Anfang ist die Mutter wahnsinnig in das Kind verliebt, sonst würde sie es aus dem Fenster werfen, nicht wahr? Kinder sind wahnsinnig anspruchsvoll und haben immer Recht. Die richtige Art und Weise, ein Kind zu behandeln, besonders bevor es 9 Monate alt ist, ist: „Ich werde alles für dich tun und du hast immer Recht. Deine Bedürfnisse haben Vorrang vor allen anderen und jeder, der dich bedroht, ist böse.“ Aber sobald das Kind laufen kann und anfängt, unabhängig zu werden, ist das die falsche Einstellung. 

Männer, die weniger zu negativen Emotionen neigen und weniger mitfühlend sind, sind viel besser darin, diese Art von Unabhängigkeit zu fördern. Wenn sie anfangen, mit den Kindern zu spielen und sie vorwärts zu treiben und ihnen zu sagen, dass sie es schaffen können, ist es sehr schwer für eine Mutter, gleichzeitig eine universelle Bezugsperson und eine Erzieherin zu sein, weil die Rollen einander zuwiderlaufen.

Dies ist ein Auszug aus einem Video von Jordan B. Peterson.

Jordan B. Peterson (* 12. Juni 1962) ist ein kanadischer klinischer Psychologe, Sachbuchautor und emeritierter Professor. In seinen Vorlesungen und Vorträgen vertritt er konservative Positionen und kritisiert insbesondere den Einfluss der Political correctness und die Genderpolitik. Sein 2018 erschienes Buch 12 Rules for Life war internationaler Bestseller.

Foto: Gage Skidmore CC BY-SA 2.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Sabine Heinrich / 18.09.2024

@FCollini: Da sind Sie nicht allein!

Klara Altmann / 18.09.2024

@ FCollini: Die Jungsche Psychologie wurde von Freuds Schüler dahingehend weiterentwickelt, dass die Menschen unbewusste Archetypen (Persönlichkeitstypen immer gleicher Ausprägung) in sich tragen, die bestimmte Verhaltensmuster erzeugen. Man kennt diese Archetypen auch aus Traumdeutungen, wo sie symbolisch gedeutet werden. Ich fand die Idee immer interessant, vor allem deshalb, weil wirklich bestimmte Bilder in den Märchen aller Völker auftauchten - beispielsweise die Hexe, mein bevorzugter Archetyp. Es gibt auch die Vorstellung eines kollektiven Unbewussten, das alle Menschen teilen. Als Individualistin glaube ich jedoch doch eher an eine viel stärkere Selbstbestimmtheit der Menschen. Der Mensch steht im Zentrum vieler Einflüsse und unbewusste Inhalte, die alle Menschen teilen, können dazugehören. Trotzdem sind Menschen so individuell verschiedenen in ihrer Persönlichkeit, dass ich hier nicht an einen alles entscheidenden Einfluss glaube. Das Fazit von Peterson, dass man Menschen generell so selbständig wie möglich agieren lassen soll, das teile ich jedoch vollumfänglich. Der Mensch erlebt sich in seiner Wirkung auf die Umwelt und kann seine Fähigkeiten nur entfalten, wenn man ihn lässt.

Klara Altmann / 18.09.2024

“Es ist so komisch zu beobachten, wie insbesondere die feministischen Postmodernisten über die Abwesenheit der geschlechtlichen Realität streiten und gleichzeitig die archetypische verschlingende Mutter spielen.” Ich glaube, das ist viel zu kompliziert gedacht und man braucht dafür das Jungsche Modell des Unbewussten, inwieweit ist das überhaupt beweisbar? Und das würde ja zumindest doch eine gewisse Liebe zu anderen Menschen voraussetzen. Ich bin hingegen überzeugt, dass viele eher aus verdrängtem Hass und Herrschaftssucht versuchen, andere Menschen in destruktiver Weise zu unterdrücken. Man kann lernen, die eigenen Gefühle zu kennen und ich selbst weiß genau, wen ich alles hasse, aber ich weiß dann auch, wem ich tatsächlich mit Wohlwollen gegenüberstehe. Wenn man sich kennt, kann man sein Handeln selbst steuern und wird nicht zum Opfer unterdrückter Gefühle. Ich bin einmal ein Stück mit einer “Demonstration gegen rechts” mitgelaufen und ich sah glaube ich nie zuvor derartig hasserfüllte, verhärtete und verbitterte Gesichter.

FCollini / 18.09.2024

Ich verstehe ernsthaft nicht mehr, was dieser Mann sagen will.

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