112-Peterson: Das Problem mit der Selbstsucht

Im Folgenden geben wir einen Auszug aus einem Gespräch zwischen Jordan B. Peterson und dem politischen Kommentator Ben Shapiro wieder.

Ben Shapiro: Ich frage mich, wie wir nach dem Besten Streben und es überhaupt definieren können, ohne in die Subjektivismus-Falle zu geraten. Nach deren Logik wäre das Beste das, was sich für mich selbst am besten anfühlt. Gibt es so etwas wie ein universales Bestes, nach dem wir uns im Grunde alle sehnen?

Jordan B. Peterson: Es gibt ein transpersonales Bestes (über die Ebene der persönlichen Psyche hinausgehend, Anm. d. Red.). Ich weiß nicht, ob man es als objektiv bezeichnen kann. Ich denke, dass wir noch eine dritte Kategorie des transpersonell Subjektiven eröffnen müssten. Es ist bei allen Menschen gleich, tritt aber im subjektiven Bereich zutage.

Es gibt ein technisches Problem, wenn man selbstsüchtig ist und dies als „ich gegen die anderen“ definiert. Sagen wir, Sie tun grundsätzlich nur Dinge, die mit dem, was für Sie selbst gut ist, übereinstimmen. Welches „Selbst“ meinen Sie genau? Ihr Selbst in den nächsten fünf Minuten? Den nächsten zehn Minuten? Am nächsten Tag, in der nächsten Woche, im nächsten Monat? Oder meinen Sie Ihr Selbst im nächsten Jahr oder in den nächsten fünf Jahren? Es gibt schließlich ein „Selbst“, das sich auf mehreren Ebenen der zeitlichen Auflösung erstreckt. Man kann dieses „Selbst“ auch als Gruppe begreifen.

Früher oder später werden wir alt. Man kann sich vornehmen, als aufgeklärter Egoist in der Gegenwart das zu tun, was einem als 80-Jährigem nutzen wird. Doch wenn wir uns selbst als Daseinsfrom begreifen, die über einen längeren Zeitraum in einer Gemeinschaft existiert, sind wir automatisch mit dem Problem der kollektiven Existenz konfrontiert, selbst wenn wir hochgradig selbstsüchtig sind. Ich glaube daher nicht, dass es eine Form der Selbstsucht gibt, die auf logische Weise den Bedürfnissen der Gemeinschaft entgegensteht.

Dies ist ein Auszug aus einem Gespräch zwischen Ben Shapiro und Jordan B. Peterson. Hier geht's zum Auszug und hier zum gesamten Gespräch.

Foto: jordanbpeterson.com

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Dieter Kief / 01.09.2021

Im Internet gelesen in einem Artikel über Peter Thiels (paypal-Gründer) Lieblingsgeisteswissenschaftler (!) René Girard: It is often said that Jordan B Peterson is a dumb person’s idea of what a smart person would be like. - Oh - nicht dass einer denkt, ich dächte so. Ich denke keineswegs so.

Klaus Keller / 01.09.2021

Wer von den beiden wäre wohl der bessere Diktator geworden? Ganz so einfach lassen sich die Leute nicht erziehen. Nicht einmal die fdp wurde verboten.

Klaus Keller / 01.09.2021

An Florian Bode: Das unwandelbare Ich ist vermutlich nicht lernfähig. Es genügt aber nicht Dummheit grundsätzlich abzulehnen. Viel besser ist es zu lernen sie auszuhalten. Vermutlich haben deswegen Buddhisten die Meditation erfunden.

Marc Greiner / 01.09.2021

Ich glaube, dass das Buch “Eine neue Erde” (A New Earth”) von Eckhart Tolle sehr gute Antworten auf das Problem mit dem Ego liefert. Nach dem Buch sieht man sich selbst und die Anderen ganz anders, objektiver und versteht so Einiges was einem bisher unerklärlich war.

Michael Eiber / 01.09.2021

@ Theodor Joyeux - Geht mir genauso, Peterson ist oft brilliant, und manchmal ist er sogar noch besser… Dann improvisiert er, sprich in akademischen Termini, er versucht eine komplexe Hypothese zu bilden. Und das mitten im Dialog, denn darauf steht er, wie er immer wieder betont. Inhaltlich ist klar: er willl auf eine Dialektik zwischen Selbst und Kollektiv hinaus, die unauflöslich ist. Du kannst nicht ausschließlich zu Deinen Gunsten handeln, wenn Du die erweiterten Umstände Deines Lebens verstanden hast. Denn dann weißt du, dass du auf die anderen angewiesen bist, und zwar nicht nur in einer strategischen sondern auch in einer KONTINGENTEN Art und Weise. Außerdem wäre ein instrumentelles Nächstenverhältnis exakt gleich der Definition einer pathologischen Persönlichkeit (narzisstische Störung). - Sehr schrecklich dagegen sind die Vereinfachungen KANT’s. Sorry, Dieter! Aber da wird dasselbe ewige Gute auf die unendlich lange Reise bis zur Wiederkehr des Guten geschickt… Das ist einfach nur ein universelles Prinzip, das Kant beschreibt, und nicht viel mehr. - Anthropologische Reziprozität, bedeutet eben nicht, dass Gleiches mit genau demselben Gleichen vergolten wird. Das ist viel zu naiv, Immanuell! Reziprozität bedeutet fortgesetzte Kooperation…

Werner Arning / 01.09.2021

Man könnte die Realität in zwei Seins-Ebenen teilen. Die erste ist menschlich- materielle Ebene, die von jedermann wahrgenommen wird. Die zweite ist die seelische, nicht-materielle Ebene, die nicht von jedermann wahrgenommen oder erahnt wird. Welche dieser Ebenen ist die wichtigere, letztendlich die reellere? Und nimmt man sich in der zweiten Ebene noch als von Anderen getrennt wahr? Gibt es dann noch dieses Selbst, welches sich auf der ersten Ebene als getrennt wahrnimmt? Existiert auf der zweiten Ebene noch so etwas wie Zeit? Macht Selbstsucht auf der zweiten Ebene noch irgendeinen Sinn? Relativiert sich dort alles Vergängliche? Sein könnte es.

Stephan Bender / 01.09.2021

@ Theodor Joyeux: Also, mein guter Joyeux, als Vollblutintellektueller (Hardcore-Version 3.2 im DEV-Channel; spezialisiert auf komplexe Fragen von verwirrten Akademikern) sage ich Ihnen, dass Jordan Peterson damit eine zunächst dual daher kommende (“Ich gegen die anderen!”) Dreifaltigkeit eröffnet. Es gibt offenbar neben dem Ich und den anderen noch einen dritten Faktor, eine dritte Unendlichkeit. Peterson will sagen, dass der Mensch zwar aus zutiefst egoistischen Motiven handelt und sich dieses selbstsüchtigen Egoismus auch bewusst ist, er aber immer auch gleichzeitig ein Teil der Menschheit ist und sein egoistisches Handeln daher immer dem Fortschreiten der Menschheit dient, ob er das will oder nicht! Dabei ist es egal, ob er sich oder sein Handeln als göttlich empfindet, seine (Selbst-)Liebe, seine Taten, seine Kinder, errichteten Häuser und gewonnen Erkenntnisse kommen am Ende immer der Menschheit zugute. Sie stehen den Bedürfnissen der Menschheit nicht logisch im Wege, nur weil sie aus Selbstsucht erbracht wurden. Der Mensch gibt sein transpersonales Bestes, welches in seiner Physis und seiner originalen Persönlichkeit verankert ist, und er hält sich für einen Egoisten, aber in Wirklichkeit wird der Mensch alt und hat irgendwann und irgendwie der Menschheit gedient, weil es eben (außer dem Leichentuch) nichts gibt, was die Menschen mit in das Grab nehmen können. Mensch sein, heißt immer auch der Menschheit zu dienen, und da ist man dann schon froh, nicht als kleiner, grüner Steinfresser vom Mars auf die Welt gekommen zu sein.

Jörg Nestler / 01.09.2021

Das Problem mit dem Ego ist, dass es dazu neigt selbstsüchtig und selbstverliebt zu sein, andererseits unersetzlich ist, weil wir sonst kein Individuen mehr wären und uns keine Ziele mehr setzen könnten. Ein sinnvolles Leben ist ohne Ego nicht möglich. Man kann sein Ego nicht disziplinieren, indem man ihm befiehlt, statt ein übersteigertes ein maßvolles zu sein. Es wäre ja das Ego, das versucht das Ego zu kontrollieren. Meines Erachtens muss man in dieser Welt ganz normal leben, für seinen Lebensunterhalt sorgen, seine Freizeit gestalten, wenn man Kinder hat, sich um das Familienleben kümmern. Das Ego wird im Kontakt zu anderen Menschen und durch Lehren, die man aus erfolgreichen und erfolglosen Handlungen erfährt, auf ein vernünftiges Maß zurechtgestutzt. Zudem braucht man mal Abstand zum Ego. Man sollte sich Phasen der gedanklichen Ruhe gönnen, in denen das Ego einfach mal schweigt.

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