Stellen wir uns vor, dass Sie ein Dinner vorbereiten wollen. Ihnen ist einfach danach, sie wollen das gerne machen. Wir verleihen dem ganzen jedoch noch eine moralische Dimension. Zunächst einmal ist es immer etwas Gutes, hungrige Menschen zu speisen – Sie selbst eingeschlossen. Am besten wäre natürlich, dass Sie nicht einfach nur ein Essen machen, sondern ein gutes Essen vorbereiten. Sie könnten ja auch einfach eine schrecklich leckere, schwere, glutenhaltige Massenkatastrophe auf den Tisch bringen und diese mit Verachtung und Hass servieren. Das wäre allerdings keine Speise von besonderer Qualität, sondern etwas, womit man tagtäglich überall konfrontiert ist.
Gehen wir lieber davon aus, dass Sie etwas Tolles und wirklich Schmackhaftes zaubern, das nahrhaft ist und das Sie mit der richtigen Einstellung servieren. Es ist schön, etwas Derartiges zu essen zu bekommen! Es ist bestimmt schon länger her, dass Ihre Gäste eine solche Auswahl an hochqualitativem Essen hatten. Ein wenig Dankbarkeit wäre also angebracht.
Nun ist die Frage: Was genau tun Sie, wenn Sie zu einem Essen einladen? Zunächst einmal ist das ja eine abstrakte Idee: Kommt, wie machen ein Essen! In dem Moment, wo Sie sich jedoch in die Küche stellen und den Kühlschrank öffnen, ist es nicht mehr abstrakt. Es wird physisch, man beginnt, mit der Welt zu interagieren. Sie legen die Hand auf den Griff des Kühlschranks und öffnen die Tür. Natürlich wissen Sie, wie das geht. Aber wissen Sie auch, was genau dabei geschieht?
„Wir brauchen Möhren!“
In dem Moment gehen Ihnen die Gedanken aus. Ihr Verstand weiß, wie er Ihre Muskulatur in Gang bringt, aber der gesamte Vorgang ist ihm dennoch ein Mysterium. Ihr Geist erdet sich in Ihrem Körper. Genauso verhält es sich mit der Moral, denn die Welt ist ein handlungsorientierter Ort. Sie gucken also in den Kühlschrank, denken sich: „Wir brauchen Möhren!“ Sie nehmen die Möhren aus dem Kühlschrank und legen sie auf die Arbeitsplatte.
Dann schälen Sie die Möhren und wieder ist es das gleiche: Im Grunde wissen Sie, was kommt, schließlich haben Sie ja vorher schon Möhren geschält. Man könnte sagen, es handelt sich um einen deterministischen Vorgang. Man entfernt also die Teile, die nicht sonderlich genießbar sind. Schließlich schneidet man die Möhren in Scheiben, am besten mit einem Messer mit einer geeigneten Klinge. Wenn man sich gut anstellt, schafft man es, die Möhrenstücken in gleicher Größe zu zertrennen.
Wir in Kanada legen die Möhren dann in Alufolie, geben etwas Butter, Kreuzkümmel und Pfeffer hinzu und packen sie auf den Grill. Man wartet, bis die Möhren dampfen als Zeichen, dass sie fertig sind. Als verständiger Mensch hat man natürlich dafür gesorgt, dass die Steaks und die Kartoffeln zur selben Zeit fertig werden. Vielleicht ist das Steak karamellisiert, vielleicht haben Sie den Kartoffeln genau die richtige Menge Butter hinzugefügt. Sie stellen das ganze auf den Tisch und alle sind zufrieden.
Die Teilmenge eines gelungenen Essens
Hierin verbirgt sich auch eine gewisse Hierarchie. Die niedrigste Stufe dabei sind Ihre Muskelbewegungen, die Sie aufwenden müssen, um die Karotten zu schälen. Daran ist erstmal noch gar nichts abstraktes. Dann müssen Sie die Karotten in der Folie verteilen und auf dem Grill platzieren. Und das ist der springende Punkt, wenn es gelingen soll.
Anschließend fragen Sie sich, was die Teilmenge eines gelungenen Essens wohl ist. Wenn Sie ein guter Freund oder ein guter Vater oder eine gute Mutter sein wollen, ist es vielleicht gar keine schlechte Idee, zu einem Essen einzuladen. Natürlich ist man nicht plötzlich ein toller Vater oder ein guter Freund, weil man einmal zu einem Essen einlädt. Aber vielleicht macht ein Dinner ein Fünftel oder ein Zehntel davon aus. In jedem Fall kommt man in den Kreislauf des reziproken sozialen Austauschs, wenn man sich auf diese Weise betätigt.
Dies ist ein Ausschnitt aus einem Vortrag von Jordan B. Peterson. Hier geht's zum Ausschnitt.