112-Peterson: Bösartigkeit ist schlimmer als Unglück

Der Bereich des Chaos liegt an dem Ort, an dem wir nicht wissen, was passieren wird. Dort kann alles geschehen – sowohl Positives als auch Negatives. Man kann sich den Bereich des Chaos auch als den Geburtsort der Ordnung vorstellen. Der Ort, von dem aus Ordnung entsteht.

In der Disney-Verfilmung von Pinocchio gibt es eine Szene, in der Pinocchio in den Rachen des Wals hinuntersteigt, um seinen Vater zu retten. Er begibt sich also an den furchterregendsten Ort, den man sich nur vorstellen kann. Er beweist sich jedoch, befreit seinen Vater und bringt ihn an die Oberfläche. Die Konsequenz ist jedoch, dass Pinocchio stirbt.

Das heißt, in Wahrheit stirbt nur die dumme Puppe (im Film wird Pinocchio am Ende in einen echten Jungen verwandelt, Anm. d. Red.). Die Frage, die sich daraus abstrahieren lässt, lautet: Inwiefern sind wir bereit, die dumme Puppe in uns sterben zu lassen? Die Antwort lautet wohl, dass es darauf ankommt, zu welchem Grad wir eine dumme Marionette sind. Denn je mehr wir es sind, desto mehr von uns muss sterben.

Das ganze ist keine triviale Angelegenheit. Darum ist es kein ZUufall, dass in solchen Geschichten das lauernde Übel so schrecklich wir möglich dargestellt wird. Es geht um die Vergegenwärtigung, dass das Schlechte einen buchstäblich umbringen kann, wenn man nicht genügend vorbereitet ist.

Man kann nicht glauben, dass das passieren konnte

Das betrifft zum Beispiel Traumatisierte. Im Zuge der traumatischen Ereignisse sind große Teile ihrer Persönlichkeit gestorben. Und oft erholen sie sich nicht davon. Dies hat einerseits Auswirkungen auf der psychologischen Ebene. Unsere eigenen psychischen Erfahrungen können ausreichen, um uns radikal zu verstören und zu verletzen. Es kann jedoch auch in der realen Welt ausgetragen werden. Denn wenn man naiv und mit geschlossenen Augen durch die Welt geht und auf einen echten Psychopathen trifft, wird man auseinander genommen werden. Man wird sich aufgrund seiner Blindheit und Naivität nicht dagegen zur Wehr setzen können.

Wenn man mit einer solchen Konstitution auf miese Menschen trifft, kann es sein, dass man sich nie mehr davon erholt. Man wird einfach nicht fähig sein, mit den Nachwirkungen umzugehen. Gleichzeitig wird man nicht mit der Tatsache zurecht kommen, dass es überhaupt bösartige Menschen gibt. Damit wären wir beim Wesen des Traumas: Man kann einfach nicht glauben, dass das, was einem passiert ist, überhaupt möglich ist.

Aus meiner Erfahrung als klinischer Psychologe kann ich schlussfolgern: Menschen werden nicht durch Unglück, sondern durch Boshaftigkeit traumatisiert. Natürlich kann auch ein Unglück der Grund für ein Trauma sein, wenn es schlimm genug ist, doch das ist eher die Ausnahme. Im Allgemeinen kommen Menschen mit Unglück zurecht. Bösartigkeit haut sie jedoch um. Manchmal werden wir auch aus der Bahn geworfen, weil uns unsere eigene Bösartigkeit bewusst wird.

Wenn das nicht zutrifft, dann stießen die Betroffenen auf jemand, der es gezielt darauf anlegte, ihnen zu schaden. Wenn man es mit einer wirklich gestörten Person zu tun hat, kann es sein, dass sie es sogar in Kauf nimmt, sich selbst zu verletzen, um anderen zu schaden. Das kann man immer wieder bei Amokläufen beobachten, wo der Täter am Ende sich selbst erschießt. Man könnte sich fragen, warum er nicht so freundlich ist, sich gleich zu Beginn zu erschießen und damit den anderen viel Unglück erspart.

Aber darum geht es den Tätern ja gar nicht, denn, was sie deutlich machen wollen, ist: „Das Leben bedeutet mir nichts. Aber bevor ich das demonstriere, möchte ich, dass so viele andere leiden wie möglich.“ Das ist noch einen Zacken schärfer als Psychopathie, denn ein Psychopath hängt wenigstens am eigenen Vorteil. Wenn man jedoch den eben beschriebenen Horror in sich selbst oder einer anderen Person entdeckt, ist das eine erschütternde Erahrung.

Dies ist ein Auszug aus einer Vorlesung von Jordan B. Peterson. Hier geht's zum Auszug.

Foto: jordanbpeterson.com

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Gerhard Hotz / 16.12.2020

Der Artikel gibt kaum eine Antwort darauf, was man denn präventiv tun kann, damit man vorbereitet ist, wenn man vielleicht einmal in die Fänge von bösartigen Menschen gerät. Okay, ein Fingerzeig ist vorhanden: Man soll keine “dumme Marionette” sein. Aber wie schafft man das? Das hätte ich gerne noch etwas ausführlicher gehabt. Zunächst ist es aber wichtig, die menschliche Aggression überhaupt erst mal zu verstehen. Erich Fromms Buch “Anatomie der menschlichen Destruktivität” liefert hier eine umfassende Analyse von grösster empirischer Sorgfalt. Vor allem die brillanten Studien zu Stalin, Himmler und Hitler sind sehr lesenswert. Gemäss Fromm war Stalin ein klinischer Fall von nichtsexuellem Sadismus, Himmler ein klinischer Fall von anal-hortendem Sadismus und Hitler ein klinischer Fall von Nekrophilie. Mit dem Wissen dieses Buches schafft man es definitiv besser, mit der Aggression von andern (und auch der eigenen) besser umzugehen. Man ist dann keine dumme Marionette mehr.

Wiebke Ruschewski / 16.12.2020

@Judith Jannach. Im Text ist nicht von Terroristen die Rede, sondern von Amokläufern. Das ist ein Unterschied. Dem Terroristen geht es um eine vermeintlich höhere Sache, in den meisten Fällen versucht er, mit dem Leben davonzukommen. Der Amokläufer hingegen will sich für erduldete Schmach rächen. Das eigene Ableben ist dann gewissermaßen das große Finale. Das Motiv ist bei ihm meist weder religiös noch politisch motiviert, sondern eine tiefsitzende Kränkung. Manchmal kann sich das aber auch vermischen. Selbstmordattentäter sind ein Spezialfall, ebenso der Fall Anders Breivik, der einen politisch motivierten Amoklauf beging und offenbar das sonst für Amokläufe typische Finale - die eigene Tötung - auslies. Außerdem setzen Sie den Psychopath mit einem Sadisten gleich. Psychopathie ist durch ein mangelndes Empathievermögen und das fast vollständige Fehlen von Angst gekennzeichnet. Viele - wenn auch nicht alle - Psychopathen sind darüber hinaus auch noch sehr manipulativ und durchaus charmant. Lust am Quälen ist nicht unbedingt das, was hier mit “eigenem Vorteil” gemeint ist. Es handelt sich eher um Rücksichtslosigkeit bzw. Gleichgültigkeit seinen Mitmenschen gegenüber. Aber ich bin kein Psychologe, ich bin bloß interessierter Laie. So ganz genau weiß ich es dann auch nicht ehrlich gesagt. Alles in allem kann ich aber bestätigen, was im Text steht. Wenn mir jemand schadet und es war aus Versehen, Zufall, Dummheit, Unaufmerksamkeit, was auch immer, dann ist das zwar ärgerlich, aber ich kann der Person nicht wirklich böse sein. Hat die Person das aber mit purer Absicht getan, dann wirkt das viel schlimmer. Was mich auch immer sehr betroffen stimmt, ist wenn jemand z.B. schwer erkrankt und andere zeigen ganz unverhohlene Schadenfreude. Das ist wirklich boshaft. Irgendwann muss auch mal Schluss sein. Wenn einer am Boden liegt, muss man nicht noch nachtreten finde ich.

Judith Jannach / 16.12.2020

ich denke die Schlussfolgerungen zu Terroristen sind nicht korrekt. In so einem brainwashed brain ist ja der Gedanke, dass im Himmel Jungfrauen warten als Belohnung dafür dass Infidels killed. Die Jungfrauen haben dann nichts anderes zu tun, als sich untergeben diesem strotzblöden Arsch zu widmen. Daraus erkennt man schon den IQ des Terroristen. Es ist also sehr wohl Eigenliebe die den Terroristen dazu treibt andere zu töten. Der Psychopath quält andere mit einem Lächeln, weil die Qual im Freude macht, einfach weil er sich selbst dadurch stärker fühlt und das Opfer wird ganz klein. Es ist immer dieselbe kranke Scheisse. Vorteile, Macht..den anderen ‘klein’ machen.

Petra Wilhelmi / 16.12.2020

Bei den bösartigen Menschen geht es auch darum, Macht gegenüber anderen Menschen zu demonstrieren, die in einem Abhängigkeitsverhältnis zum bösartigen Menschen stehen. Chefs z.B. die Mitarbeiter mobben. Ich kenne das aus eigener Erfahrung. Man wird krank davon und später muss man immer wieder und immer wieder davon sprechen, um die Seele zu reinigen. Die krankmachenden Auswirkungen von Mobbing wird man wohl nie wieder völlig aus seinem Leben streichen können, aber man lernt damit umzugehen und vieles verblasst auch, wenn man dann, wie ich, vorfristig in Rente gehen konnte und ein harmonisches Rentnerleben leben kann. Was bleibt ist ein Rest von Misstrauen gegenüber anderen Menschen, weil man Mobbing nie wieder durchmachen will.

Jean Vernier / 16.12.2020

Und schwere Traumata werden in die Gene der Traumatisierten biochemisch geschrieben (!), so jüngste die jüngsten Erkenntnisse der Genforschung, allerdings bewiesen bisher (erst?) in Labortieren ... .  Wie wirkt sich wohl unser Erbgut nach dem hyper-traumatisierenden 20. Jh. mit Generationen von Geschädigten aus ... ?

Werner Arning / 16.12.2020

In der Regel wird ein geistig gesunder Mensch, Gewalt verabscheuen. Mit dem Maß einer eventuellen Beeinträchtigung dieser Gesundheit, wird unter Umständen seine Gewaltbereitschaft zunehmen. Extrem gewalttätige Menschen sind wahrscheinlich auch extrem gestört. Gewaltbereitschaft kann auch durch langsame „Gewöhnung“ an Gewalt entstehen. Auch das Opfer von Gewalt kann sich an diesen Zustand gewöhnen, ihn gar als „normal“ empfinden. Die Gewalt muss dabei nicht unbedingt körperlicher Art sein. Der gesunde Mensch dürfte eine starke Hemmung besitzen, die ihn davon abhält, Gewalt anzuwenden. Etwa dazu fähig zu sein, jemandem ins Gesicht zu schlagen, ist wohl kein Zeichen für geistige Gesundheit. Eine Ausnahme bildet nur die spontane Selbstverteidigung. Bei demjenigen, der einer Gewaltszene beiwohnt, selbst wenn er von dem Ereignis nicht direkt betroffen ist, wird in den meisten Fällen ein Gefühl der Verstörtheit, des Ekels, eines körperlich empfundenen Unwohlseins, welches lange Zeit anhalten kann, hervorgerufen. Er wohnt einem ihm fremden Ereignis bei, welches er nicht nachvollziehen und einordnen kann. Wird er selber Opfer einer Gewalttat, kann ihn dieses Erlebnis für lange Zeit völlig aus der Bahn werfen. Auf Gewalt nicht vorbereitete Menschen können damit kaum umgehen. Dieses trifft beispielsweise auf friedliche Demonstranten zu, die einer plötzlichen Polizeigewalt beiwohnen. In Kriegshandlungen verwickelten Soldaten können vom einen zum nächsten Tag graue Haare wachsen. Die Szenen werden nie wieder vergessen. Gewalt ist dem (gesunden) Menschen fremd.

Zdenek Wagner / 16.12.2020

“Engel, Genies, Dummköpfe und Bestien”, so würde ich einem Alien den Menschen an sich beschreiben. Und ich fürchte fast, die letzten Beiden mehr oder minder in uns allen angesiedelt. Beispiel: Eine junge Frau wurde nachts während eines Spaziergangs hinterrücks von drei Jugendlichen mit einer Eisenstange niedergeschlagen und auf dem kalten Straßenpflaster liegen gelassen. Das Letzte was sie noch vernahm, bevor sie bewusstlos wurde, war ein glückliches(!) Glucksen der jungen Gentlemen und die Freude darüber, dass - Originaltext! - die “Fotze garantiert tot ist”. Das Opfer gab nach seiner Genesung an, dass besagter Dialog der Täter, nachdem sie ihr Opfer tot wähnten, von allem das Entsetzlichste war! Und um dem Ganzen eine Krone aufzusetzen: die Täter wurden geschnappt, einem Richter vorgeführt und noch am selben Tag auf freien Fuß gelassen, mit der Auflage sich bis zu ihrer Verhandlung täglich zu melden. Resultat: die Täter verschwanden spurlos und blieben es bis zum heutigen Tage. “Einen Täter nicht zu bestrafen heißt dem Opfer ein zweites Mal Gewalt antun”. Weise Worte, leider habe ich den Urheber dieses Zitates vergessen. Was ich damit sagen will: wir können der von Ihnen beschriebenen Bösartigkeit nur auf eine einzige Art und Weise den Stachel (wenigstens) ein wenig kürzen, in dem wir besagte Bösartigkeit RIGOROS verfolgen UND bestrafen. Ohne Mitleid und ohne irgendwelche albernen Nabelschauen, Stichwort: wer hat wen als Kind verprügelt etc.

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