112-Peterson: Neid und Zerstörung

Im Alten Testament ist Josef der Lieblingssohn Jakobs. Seine zehn Halbbrüder hassen Josef, weil Jakob ihm allein einen bunten Rock geschenkt hat, und weil Josef Träume hat, in denen sich seine Familie vor ihm verneigt. Also entschließen sie sich, Josef loszuwerden:

„Jetzt aber auf, erschlagen wir ihn und werfen wir ihn in eine der Zisternen. Sagen wir, ein wildes Tier habe ihn gefressen. Dann werden wir ja sehen, was aus seinen Träumen wird.“ (Gen 37, 20)

Raue Leute mit rauen Sitten. In der Bibel findet man viele solcher Geschichten. Die Erzählung von Josef ähnelt in gewisser Weise der Geschichte von Kain und Abel. Wobei Abel ganz klar wegen seines Erfolgs umgebracht wird. Bei Josef ist die Sache etwas komplizierter. Wir wissen am Anfang nicht, ob Josef der Auserwählte ist oder einfach nur ein verzogener Halbwüchsiger, der an Größenwahn leidet.

Aber letztlich spielt das keine Rolle. Bereits die Tatsache, dass Josef bevorzugt wird und möglicherweise eine besondere Bestimmung hat, ist für seine Brüder Grund genug, ihn zu zerstören. Es ist faszinierend, wie oft dieses Motiv – das Niederreißen eines Ideals – in diesen alten Erzählungen vorkommt. Das Muster aus der „Kain und Abel“ Geschichte wiederholt sich immer wieder. Immer wieder sind Menschen verärgert, weil ihr Leben tragisch ist, weil sie Opfer von Böswilligkeit werden und weil Andere erfolgreicher sind als sie.

Sie trauen sich nicht, zuzudrücken

Wenn wir in der modernen Welt einen Groll gegen jemanden hegen und ihn zerstören wollen, erschlagen wir ihn in der Regel nicht und entsorgen ihn in einer Grube. Stattdessen bringen wir ihn langsam um, über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten. Ich bin im Laufe meines Lebens vielen Ehepaaren in dieser Situation begegnet und bin mir nicht sicher, ob das so viel besser ist.

Der Komiker Mitch Hedberg beschwerte sich gerne über Rollkragen. Er sagte, sie zu tragen sei, wie von einem sehr schwachen Zwerg erwürgt zu werden. Einige Beziehungen sind genau so. Jeder Partner hat die Hände um den Hals des Anderen. Aber sie trauen sich nicht, zuzudrücken. Sie üben nur ein wenig Druck aus, schneiden die Sauerstoffzufuhr nur ein bisschen ab, so dass die andere Person 30 Jahre braucht, um zu sterben. Sie mögen jetzt lachen, aber Sie wissen, dass es wahr ist. 

Dieser Beitrag ist ein Ausschnitt aus dem Vortrag „Biblical Series XV: Joseph and the Coat of Many Colors“. Hier geht’s zum Original-Vortrag auf dem YouTube-Kanal von Jordan B. Peterson.

Foto: jordanbpeterson.com

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Leserpost

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Peer Munk / 18.07.2018

Schon wieder die Bibel. Und einen Gemeinplatz, den man als große Weisheit verkauft: Es gab schon immer Neider. Allmählich reicht mir das.

Dirk Jungnickel / 18.07.2018

Nicht umsonst hat Thomas Mann die Geschichte von Josef und seinen Brüdern adaptiert und sie philosophisch vertieft.  Warum der Autor auf die Rollkragenmetapher kommt, ist mir schleierhaft. Josef hat natürlich eine göttliche Bestimmung, auch wenn sie anfangs nicht artikuliert wird. Er erlebt Höhen und Tiefen in Ägypten, aber sein Gottvertrauen und seine Menschlichkeit machen ihn zum Retter Ägyptens.  Und   er vermag es,  erfolgreich gegen den Hass anzugehen. Er versöhnt sich mit seinen Brüdern.

Leo Lepin / 18.07.2018

Die Artikel des Herrn Peterson finde ich schwach bis ärgerlich. Er geriert sich als großer Weiser, liegt aber dennoch daneben: Es gibt dieses beschriebene Modell der Ehe heutzutage kaum noch - siehe die hohe Scheidungsrate, Patchworkfamilien etc. Ich weiss auch, wovon ich spreche.

Werner Arning / 18.07.2018

Gott bevorzugt Abel vor seinem Bruder und Jakob bevorzugt Josef vor seinen Brüdern. Besonders Josef zeignet sich durch seine Klugheit und seine Sensibilität aus. Eine vorbeiziehende Karawane rettet ihn aus der Zisterne, in die ihn seine Brüder geworfen hatten. Er gerät an den Hof des Pharao. Dessen Frau versucht ihn zu verführen. Er widersetzt sich. Kommt aufgrund ihrer Falschaussage ins Gefängnis und fällt dort durch seine Fähigkeit, Träume deuten zu können, auf. Worauf der Pharao ihn zu seinem Berater macht. In dieser Funktion bewährt sich Josef. Später, als er die Möglichkeit erhält, sich an seinen Brüdern zu rächen, unterlässt er dieses. Er begegnet ihnen, im Gegenteil, mit Liebe. Die Geschichte von Josef gehört zu den Schönsten des Alten Testamentes. Sie besagt, dass wenn Gott mit einem ist, es immer einen Ausweg gibt. Und sei die Situation noch so verfahren und dem Augenschein nach, aussichtslos. Aus großem Unglück kann großes Glück entstehen. Josef nimmt die jeweiligen Schicksalsschläge an. Er ist ein ausgesprochen guter Mensch. Sein Ansinnen ist frei von Bösartigkeit und Hinterlist. Trotz Niederlagen verzweifelt er nicht, sondern vertraut auf Gott. Dieser prüft ihn zwar, doch bleibt er ihm treu und an seiner Seite. Auch Abel hat diese, vielleicht naive Seite. Er gerät in den Hinterhalt seines Bruders und wird erschlagen. Letztlich liegt das Schicksal dieser Protagonisten in der Hand Gottes. Dessen Plan ist dem Menschen unbekannt. Deshalb sollte niemand vorgeben, er kenne den Willen Gottes. Und schon gar nicht sollte man menschliche Maßstäbe, etwa von Gerechtigkeit, anlegen.

Rainer Nicolaisen / 18.07.2018

Halt das normale Ehemodell.

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