112-Peterson: Was kommt nach der Queen?

Welche Auswirkung wird der Tod der Queen auf das Commonwealth haben? Ich sehe hier zwei Möglichkeiten.

Der Tod der Queen kommt zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Ich bin ein großer Bewunderer des Systems der konstitutionellen Monarchie, weil sie eine gewisse Weisheit beinhaltet, vor allem in der Art und Weise, wie Großbritannien diese Staatsform umgesetzt hat. Vielleicht besser als je ein anderes Land zuvor, was eine ganze Menge bedeutet. Natürlich hat Europa andere konstitutionelle Monarchien, doch diese sind nur ein schwacher Abglanz dessen, was im Vereinigten Königreich existiert.

(…)

Die Briten haben im Prinzip eine vierfache Gewaltenteilung: Legislative, Exekutive, Judikative und das Symbolische. Der Monarch trägt das symbolische Gewicht und das ist ziemlich klug, denn somit ist es vom politischen Gewicht getrennt. In den USA läuft der Präsident jeweils Gefahr, sich in einen Zaren zu verwandeln. Dazu passt auch die Idee der First Lady, in Kanada zum Beispiel völlig unbekannt. Niemand kennt Trudeaus Frau, aber die US-amerikanische First Lady ist eine Art Königin. Man denke nur an Hillary Clinton in dieser Position. Aber vermutlich wird dieser Posten aus der Sehnsucht nach dem symbolischen Gewicht heraus geboren, das das Oberhaupt tragen soll. Trump zum Beispiel war eine Art König und Präsident zugleich – in jedem Fall zu viel für eine Person.

Ich glaube, aus demselben Grund gibt es in Amerika das unbeschreibliche Bedürfnis nach Glamour, das von der Hollywood-Industrie gestillt wird. Derartiges ist in der Unterhaltungsbranche weiß Gott besser aufgehoben als in der Politik, aber gefährlich ist es auch hier allemal. Denn Schauspieler werden leicht zu Propheten ethischer Tugenden verklärt.

(…)

Bemerkenswert skandalfrei

Queen Elizabeth II. war natürlich die absolute Idealbesetzung einer Königin. Was für eine Frau! Ich glaube, sie hat 13 Premierminister überlebt – und hat stets die Aufgabe übernommen, ebendiese Premiers einzuschüchtern. Eine wirklich gute Einrichtung, die sie, glaube ich, hervorragend erfüllt hat.

Psychologisch gesehen, war es bestimmt sinnvoll, dass der jeweilige britische Premierminister – der als solches ebenfalls monarchische Anwandlungen hat, wie etwa Donald Trump als Präsident – sich regelmäßig mit dieser Respektsperson auseinandersetzen musste, die bereits eine enorme Spanne historischer Entwicklung miterlebt hat. (Einmal wöchentlich) musste der Premier bei der Queen sozusagen ein Bekenntnis ablegen und sich ihrer vorsichtigen und weisen Beurteilung aussetzen. Ich zumindest habe sie für eine hochgradig traditionelle, weise und vorsichtige Frau gehalten.

Natürlich gab es in ihrer Familie Skandale, aber wir würden wohl alle Skandale auslösen, wenn die Umtriebigkeiten unserer Verwandten publik würden. Die Queen selbst blieb jedoch bemerkenswert skandalfrei über ihre gesamte Regierungsspanne hinweg. Nach 70 Jahren eine enorme Leistung!

Und was wird nun geschehen? Ich glaube, das Wahrscheinlichste ist, dass die britische Monarchie auseinanderfällt, wie so viele andere auch. Ich sage natürlich nicht, dass das unbedingt passieren wird. Ich würde es mir nicht wünschen. Aber es ist so schwierig, ein solches Reich aufrechtzuerhalten, vor allem in der modernen Welt, sodass man wirklich eine bemerkenswerte Person für diese Aufgabe braucht. Die Wahrscheinlichkeit, dass auch der nächste Herrscher dem entspricht, ist ziemlich gering. Trotzdem wünsche ich dem neuen König natürlich viel Glück.

Scham gehört bis heute zum Selbstbild der Briten

Vielleicht jedoch wird Großbritannien und das ganze Commonwealth erhalten bleiben, in Anerkennung, dass die gemeinsamen Bande auf dem englischen Grundgesetz beruhen und der großen demokratischen Tradition, die dieses Land so sehr bestimmt. Großbritannien ist sozusagen der Geburtsort von Ländern wie Kanada, den USA, Australien, Neuseeland oder Indien, die heute freie, demokratische, produktive und großzügige Gesellschaften sind. Eine bemerkenswerte Errungenschaft.

In Europa und damit auch in Großbritannien sehe ich eine große Weigerung, dies anzuerkennen und die Großartigkeit und den Beitrag des Ganzen zu begreifen. In den USA zum Beispiel spricht niemand davon, dass das Vereinigte Königreich die Sklaverei abgeschafft hat. Derartiges ist nur ein einziges Mal in der gesamten Geschichte der Menschheit geschehen. Doch Großbritannien hat es getan und dafür 175 Jahre und eine enorme Wirtschaftsentwicklung gebraucht. Von England aus verbreitete sich diese Idee in alle Welt, doch bis heute gibt es noch Sklaven, vermutlich aktuell ungefähr 30 Millionen. Aber es gibt wohl nur noch wenige Menschen, die unbekümmert sagen würden, dass dies in Ordnung sei. Großbritannien war hier in jedem Fall eine treibende moralische Kraft.

Und doch gehört Scham bis heute zum Selbstbild der Briten. Natürlich hat jedes Land Dinge, für die es sich schämen kann. Aber nicht jedes Land hat Dinge, auf die es stolz sein kann. Vielleich wird uns also klar, dass das Commonwealth etwas Kostbares und Schützenwertes ist.

Dies ist ein Auszug aus einem Vortrag von Jordan B. Peterson. Hier geht's zum Auszug.

Foto: Joel Rouse/Ministry of Defence nagualdesign OGL 3 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Wolfgang Richter / 14.09.2022

“Von England aus verbreitete sich diese Idee in alle Welt,” Das Romantisieren der englischen Abschaffung der Sklaverei liest sich ja ganz nett, ist aber meines Wissens nicht der Realität entsprechend. Es war ja wohl eher so, daß das Brit. Empire mit dem Beginn der Industrialisierung den Wert der Bodenschätze in der Tiefen der afrikanischen Erde erkannte und um daran zu kommen, ein politisches Programm brauchte, die dortigen Fürsten für sich gewogen zu stimmen. Es waren also ganz einfach monetäre Interessen, die den Anstoß gaben und die Macht der britischen Marine auf den Weltmeeren, dies umzusetzen.

Ralf Pöhling / 14.09.2022

@sybille eden Vom Kieler Matrosenaufstand und der Novemberrevolution 1918 in Deutschland, in direkter Folge der Oktoberrevolution 1917 in Russland, haben Sie schon mal was gehört, richtig? Die Novemberrevolution war quasi die deutsche Variante der Oktoberrevolution. Nur dass Wilhelm II. sich nicht einfach hat abknallen lassen, so wie Zar Nikolaus II., und zeitig geflüchtet ist. Freiwillig hat er das also nicht gemacht. Die Ursache wie auch die Folgen dieser Vorgänge waren in Russland wie auch in Deutschland faktisch die selben: Eine marxistische Revolution, die erst die Monarchie beseitigte und damit dem Totalitarismus von Stalin und Hitler erst die Tür öffnete. Was hunderte von Millionen Menschen das Leben gekostet hat. Das will aber keiner hören. Anstatt dessen arbeiten sich marxistische Kreise bis heute noch am Adel ab, weil dieser Kolonialismus betrieb. Dabei sind durch den Kolonialismus nicht im Ansatz so viele Menschen gestorben wie durch das, was die marxistischen Revolutionäre selbst freigesetzt haben.

Sam Lowry / 14.09.2022

Die wundervollste Frau des sinnlosen gesamten uns bekannten Universums ist und bleibt: DIDO! Fertisch…

W. Renner / 14.09.2022

Sie sehen doch, was nach der Queen kommt. Der grün-debile ewige Prinz. Und ich bin überzeugt davon, dass der grösste Antrieb der grossen alten Dame möglichst hundert Jahre alt zu werden es war, genau den als König zu verhindern. Wie alle rot-grün blasierten, wird der es fertig kriegen, in wenigen Jahren zu ruinieren, was andere in Jahrhunderten geschaffen haben.

Thomas Schmied / 14.09.2022

Die einzige Bedeutung, die Queen Elizabeth II. für mich hatte und jetzt weiterhin hat, ist ihr Konterfei auf den meisten Bullionmünzen. Sie wirkte wie die Personifizierung des Konservatismus, hat aber zu jedem woken Hirnriss eine nette Miene gemacht. König Charles III. hängt dem woken Zeitgeist offenbar direkt an, wie man hört. Der gleiche Käse wie überall - nur mit Krone. Ein royales Abziehbild für die, die eh gerade herrschen und Klatsch für die geistig Armen. Was kostet das den britischen Steuerzahler?

sybille eden / 14.09.2022

Werter Herr Ralf PÖHLING, - in Deutschland ist das Kaiserreich nicht ” abgeschafft worden .” Der Kaiser hat sich feige und gewissenlos ins Ausland geflüchtet ! Die Linke ( SPD & KPD ) haben die Gelegenheit benutzt um die Republik auszurufen. ( Scheidemann & Liebknecht ) Ohne diesen feigen Verrat des Kaisers         hätten sie doch keine Chance dazu gehabt ! Die deutschen wollten in ihrer Mehrheit das Kaiserreich erhalten. ( Sebastian Haffner )

Heiko Meyer / 14.09.2022

“Großbritannien ist sozusagen der Geburtsort von Ländern wie Kanada, den USA, Australien, Neuseeland oder Indien, die heute freie, demokratische, produktive und großzügige Gesellschaften sind.” Ich persönlich bin nicht sicher, ob all die genannten Länder noch freie und demokratische Gesellschaften sind.

Frances Johnson / 14.09.2022

Typischer Jordan B. Peterson-Pragmatismus: “Natürlich gab es in ihrer Familie Skandale, aber wir würden wohl alle Skandale auslösen, wenn die Umtriebigkeiten unserer Verwandten publik würden. Die Queen selbst blieb jedoch bemerkenswert skandalfrei über ihre gesamte Regierungsspanne hinweg. Nach 70 Jahren eine enorme Leistung!” So muss man es betrachten, wobei es sicherlich bei Working Royals Unterschiede gibt und Andrew seine Position nicht bewusst war.——Im Gegensatz zu Peterson glaube ich, dass die Monarchie noch lange erhalten bleibt. Erstens hat King Charles fehlerfrei angefangen und wird respektiert und auch schon spontan gemocht, zweitens reichen die Schatten mancher Verstorbener weit hinaus in die Zukunft, und die Queen gehört zu dieser Gruppe. Drittens hat King Charles durchweg akzeptierte Thronfolger, die Enkel werden geradezu angehimmelt, und Charlotte ähnelt ein wenig der Queen. Was sie nicht von Granny Carole hat, hat sie von “Gan-Gan”. William hat viel von King George VI. Somit erinnern die Lebenden auch an die Toten, was im Unterbewusstsein spontane Sympathie auslöst. God Save the King! Von woken AmerikanerInnen lassen die meisten Briten sich jetzt schon nichts sagen. Peterson ist Kanadier. Dort sollte man aufpassen. Löst man sich aus dem Commonwealth, wittert der große Nachbar im Süden Bratengeruch. Wir haben den Beltway hier zunehmend etwas dick wegen übertriebener Einmischung.

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