112-Peterson: Psychopathen und soziale Medien

Normalerweise unterliegen Psychopathen gewissen Kontrollen, weil man sie durchaus erkennt, isoliert und bestraft. Ich glaube jedoch nicht, dass dies online noch geschieht.

Der Anteil von Psychopathen in einer Gesellschaft macht kulturübergreifend ungefähr 1 bis 5 Prozent aus. Man kann dies auch von einem evolutionsbiologischen Standpunkt aus betrachten. Ich habe mit dem Psychologen David Buss verschiedene Theorien über diesen Prozentsatz besprochen. Die erste Beobachtung ist: Es ist im Grunde nicht besonders effektiv, ein machtbesessener Psychopath zu sein. 95 bis 97 Prozent der Weltbevölkerung sind es nicht, und zwar, weil es eben keine besonders effektive Strategie ist. Man muss ja als Psychopath im Grunde auf der Flucht vor sich selbst sein. Daher haben sie oft einen nomadischen Lebensstil, weil die Leute ihrem macchiavellistischen Narzissmus früher oder später auf die Schliche kommen und sie entlarven.

Aus biologischer Sicht ist es aber immerhin sinnvoller, ein räuberischer Psychopath zu sein als jemand, der so depressiv und isoliert ist, dass er nie das Haus verlässt. Man könnte also Psychopathie als Reproduktionsstrategie bezeichnen, die nicht immer im Scheitern mündet. Die Wahrscheinlichkeit etwa, dass junge Frauen einen räuberischen Psychopathen von einem wirklich selbstbewussten und kompetenten Mann unterscheiden können, ist eher gering.

Dies ist also das „Fenster“ der Psychopathie. Hinzu kommt, dass die meisten Menschen kooperativ, produktiv und großzügig sind, wenigstens im Großen und Ganzen. Das bedeutet: Besagter kleiner Prozentsatz kann sich dies zunutze machen, indem er diese Eigenschaften simuliert. Psychopathen imitieren diese Tugenden, indem sie selbstbewusst und durchsetzungsfähig auftreten und den Anschein erwecken, sie seien kompetent, obwohl sie in ihrer eigentlichen Orientierung räuberisch und parasitär veranlagt sind.

Psychopathen finden im Internet einen Selbstbedienungsladen

Diese 1 bis 5 Prozent Psychopathen repräsentieren also eine unglaubliche, konstante Gefahr für die Integrität der Geselllschaft. Es braucht nicht besonders viele Menschen, um eine komplexe Gesellschaft zu destabilisieren. 3 Prozent sind wirklich mehr als genug.

Normalerweise unterliegen Psychopathen gewissen Kontrollen, weil man sie durchaus entlarvt, isoliert und bestraft. Ich glaube jedoch nicht, dass dies online noch geschieht. Ohnehin lernen Psychopathen nur wenig durch Bestrafung und Bedrohung. Online sind diese Mechanismen jedoch komplett ausgehebelt.

Räuberische Psychopathen finden im Internet sozusagen einen Selbstbedienungsladen für ihre Bedürfnisse. Ich frage mich also, zu welchem Grad die Virtualisierung der Kommunikation und die Öffnung der hypothetischen demokratischen Front den Grad der Anfälligkeit unserer Gesellschaften gegenüber den Zersetzungen durch machiavellistische Psychopathen vergrößert hat.

(...)

Angefangen damit, dass Psychopathen sich grundsätzlich wenig aus negativem Feedback machen, vor allem nicht in psychologischer Hinsicht. Einem Psychopathen ist es total egal, was ein anderer von ihm denkt. Sie mögen mit einem gewissen Grad von Überraschung reagieren, wenn man sie tatsächlich trifft, aber wenn man einfach etwas sagt, das nur eine Person mit normalem Bewusstsein sich zu Herzen nehmen würde, wird ein Psychopath das einfach von sich abschütteln.

 

Dies ist ein Ausschnitt aus einem Gespräch von Jordan B. Peterson und Dr. Jean Twenge. Hier geht's zum Auszug und hier zum gesamten Gespräch.

Foto: Gage Skidmore CC BY-SA 2.0 via Wikimedia Commons

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Thomin Weller / 07.12.2022

“Angefangen damit, dass Psychopathen sich grundsätzlich wenig aus negativem Feedback machen, vor allem nicht in psychologischer Hinsicht. Einem Psychopathen ist es total egal, was ein anderer von ihm denkt.” Es geht um Gesellschafts- und Sozialkontrolle. Eine gewagte These wenn ich mir ansehe wie sich manche Menschen kleiden. Da gibt es YT Videos aus den USA die einem die Sprache verschlagen wie die rumlaufen. Welche Feedbacks erhält man den aus der Gesellschaft wenn jede Art eines Feedback hunderte gedanklich Filterstufen vor der Äußerung durchlaufen muss. Gibts einer Frau ein Feedback das sie hübsch ist kann vieles passieren. Von “ich bin ein Mann” bis zur Anzeige wegen Belästigung. Dazu auch, welche gesunden, positive Vorbilder haben heutige Kinder und Jugendlichen? Welche gibt es überhaupt noch? Die Gesellschaft, dass soziale Miteinander ist ziemlich defekt. Ein schleichender Prozess, vor über 20 Jahren gabs schon Artikel über “Die Misstraunsgesellschaft”, das Krimidrama “Breaking Bad” zeigt es wunderbar was Gesellschaft in den USA ist. Wer das Kissen hat, darf reden, die anderen müssen Zuhören. Zerstöre die Kommunikation einer Gesellschaft schon kann sie geformt werden. Das erleben wir rund um C19 ganz massiv. Kommunikation ist der Punkt.

Wilfried Cremer / 07.12.2022

Hi, auch dem Scholzomaten ist verdächtig viel egal. Man könnte ihm eventuell den Namen “Egomat” verpassen, aber dafür ist er eigentlich zu klein.

Helmut Driesel / 07.12.2022

  In Deutschland gibt es das Normale offiziell nicht. Also gibt es auch nicht Abweichungen vom Normalen sondern nur Unterschiede. Und wenn man dieses offizielle Narrativ der Bundesregierung anerkennt, gibt es auch keine Abweichungen vom Normalen mit Krankheitswert, also Menschen, die früher oder später mit ihren Beschwerden beim Arzt oder Psychiater vorsprechen und von diesem Moment an unter Kontrolle sind. Wer also darüber hinaus von Psychopathen spricht, macht sich zumindest der Willkür schuldig. Wenn man es darwinistisch betrachten möchte, kommt man nicht um das Zugeständnis herum, dass die Qualitäten eines Menschen, die der Existenzkampf erfordert, sich ändern können. Nicht nur, wenn die biologische Umgebung die Individuen in ihren Freiheiten einengt, sondern auch Kriege und eine darüber hinaus gehende, technisch organisierte Dominanz, die zukünftig wahrscheinlich sind. Was man heute noch gut und menschlich empfindet, kann bald der Faktor für das Verderben sein. Psychopath ist ein flüchtiger Ausdruck für eine Gesellschaft der statischen Normative, in der wir aber nicht leben.

Marcel Seiler / 07.12.2022

Ich begrüße J.B. Petersons Perspektive, gesellschaftliche Fehlentwicklungen auf das Milieu zurückzuführen, hier also das Milieu sozialer Medien, anstatt auf individuelle Charakterfehler. Gleiches gilt m.E. für unsere politischen Parteien: In ihnen existiert ein Milieu, das “die Falschen” anzieht und befördert – hier übrigens auch gern Personen mit psychopathischen Zügen. Leider fehlen hier Untersuchungen – mir sind jedenfalls keine bekannt.

R. Reiger / 07.12.2022

All die Mittelmäßigen, die mehr sein wollen, endlich mal in Erscheinung treten wollen, sichtbar sein wollen, sonst Looser, hier strampeln sie um Likes, für ein paar Schulterklopfer aus dem Nahfeld, seht mich an, ich bin wer, endlich, ich bin Aktivist: Wenn mir vor Jahrzehnten mal einer gesagt hätte, dass einige der wertvollsten Firmen der Welt auf Profilneurosen beruhen, ich hätte es nicht geglaubt.

Ralf.Michael / 07.12.2022

Herr Peterson, leider muss ich Ihnen zustimmen. Psychopathen, Soziopathen, egal…Diese Gefahr lässt sich meiner Analyse bekämpfen, wenn man das `WWW “ mittels eines weltweiten Elektromagnetischer Impuls (EMP)  zerstört. Dies würden die Menschheit zwar etwa um ca. 200 Jahre zurückversetzen, das Problem wäre aber gelöst. Kein TV, Telefon, Internet, Sateliten, etc., etc. Irgentwann wird Soetwas zwingend notwendig sein. Ich bin absolut sicher, dass Man daran schon eifrig arbeitet. Mit Sicherheit sind da bei den Tüftlern ausser Saboteuren auch Weltverbesserer dabei….Wetten ?

S. Andersson / 07.12.2022

Na wenn das stimmt: “Einem Psychopathen ist es total egal, was ein anderer von ihm denkt. ” dann muss ich zum Teil so einer sein. Mich berühren nur die Menschen die ich wirklich mag und mit denen ich eine Freundschaft pflege. Die Leut mit ihrer Meinung interessieren mich nicht, besonders dann wenn mir jemand vorschreiben will was ich zu tun und zu lassen habe. Darunter fallen die woken Gutmenschen als Bsp. Auch werde ich meinen Mund nie halten wenn jemand Unsinn redet. Ich denke das ist eine gesunde Einstellung. Eine schöneFrage dazu: wieso schämen sich so viele für ihrenKörper, aber nicht für ihren Verstand?

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