Heutzutage gibt es einige überragende Frauen, die mit besten Noten auf dem College und der Uni anfangen und schließlich bei einer Top-Kanzlei ihre 500 Dollar die Stunde als Anwältin bekommen. Wie sieht das Leben dieser Frauen aus? Sie arbeiten – ständig, sonst nichts, 70, 75 Stunden pro Woche. Sie dürfen keine Fehler machen. Wenn ihr Mandant sie am Sonntag um drei Uhr morgens anruft, sagen sie ihm, wie froh sie seien, von ihm zu hören. Denn andernfalls nimmt ihnen irgendeine angesagte Kanzlei aus New York den Klienten weg, der seine wirklich dringenden Fragen sofort beantwortet wissen will.
Einige werden sagen, dass diese harten Arbeitsbedingungen, unter denen sich Frauen behaupten müssen, der männerdominierten Branche geschuldet seien, während jede Anwältin über Dreißig das für kompletten Unsinn halten wird, schließlich wird sie ausschließlich durch den Markt determiniert. Und was passiert am Ende mit Frauen in ihren Dreißigern? Sie alle verlassen die High-End-Kanzleien, und warum? Weil niemand, der bei Trost ist, so leben möchte. Wenn Sie etwa 60.000 $ pro Jahr verdienen, für ihre Familie oder meinetwegen für sich selbst, dann hat zusätzliches Einkommen keinerlei Auswirkungen auf ihre Lebensqualität. Warum soll man also 80 Stunden pro Woche arbeiten? Eine Handvoll hyper-konkurrenzbetonter Männer, die davon besessen sind, die Spitze der Dominanzhierarchie zu erreichen, tut das. Sie arbeiten gerne 80 Stunden pro Woche und verzichten auf Beziehungen, Familie, Kinder – allesamt sekundär. Sehr oft ist es sehr schwierig, mit solchen Männern zusammenzuleben, so besessen wie sie von ihrer Karriere sind. Vielleicht haben sie kaum eine Beziehung zu ihren Kindern; in dem, was sie tun, sind sie aber verdammt gut, weil sie nicht nur schlau und diszipliniert sind, sondern arbeiten wie besessen: Führungspersönlichkeiten.
Häufig sind sie aber auch unsympathisch, denn: Wollen Sie wirklich Menschen führen? Man wird Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mögen, was Sie erst einmal verkraften müssen. Besonders für liebenswürdige Menschen, von denen es mehr Frauen als Männer gibt, ist es ziemlich schmerzhaft, nicht gemocht zu werden. Dass solche Positionen enorm stressig sind, liegt teilweise an der zwischenmenschlichen Dynamik und hauptsächlich an der massiven Konkurrenz.
Was bedeutet schon Macht?
Erreichen qualifizierte Frauen in ihren Dreißigern solche Positionen, setzen die Kanzleien alles daran, sie zu halten, denn zum einen ist es schwierig, derart hochqualifiziertes Personal zu finden, zum anderen sind Frauen auch in der Akquise von Aufträgen besonders gut. Die Kanzleien überschlagen sich regelrecht, damit ihnen diese Frauen nicht weglaufen – vergeblich.
Denn die Frage, warum zur Hölle man sich das alles antun sollte, hätte sich jeder zu stellen, der noch bei Trost ist. Zudem haben sie zu dieser Zeit bereits geheiratet und zwar einen Mann, der genauso viel oder mehr verdient als sie, weswegen sie das verdammte Geld noch nicht einmal benötigen. Also denken sie sich: „Das ist nicht alles im Leben“ – was genau der richtige Gedanke ist. Sie suchen sich einen planbaren Nine-to-Five-Job, stellen ein Kindermädchen ein und haben nicht nur Kinder, sondern auch Lebensqualität. Und es ist intelligent, das zu tun!
Wir fangen die Dinge in unserer Kultur am falschen Ende an. Und denken oft: Warum gibt es nicht mehr Frauen in Machtpositionen? Aber das ist die falsche Frage. Die richtige lautet: Warum gibt es überhaupt irgendwelche Männer, die solche Machtpositionen wollen? Zwar hat man Macht, doch die ist mit überwältigender Verantwortung verbunden. Ein Fehler, und Sie sind erledigt! Sie täuschen sich, wenn Sie annehmen, dass solche Positionen zu besetzen bedeutet, die Menschen herumzukommandieren und ein leichtes Leben zu haben. Immer sitzen einem die Menschen im Nacken, damit man auch ja jederzeit das Richtige tut. Vielleicht will man das, vielleicht aber auch nicht.
Unterdrückter Kinderwunsch
Während nicht wenige meinen, dass diese Leute in ihren Büros sitzen, die Füße auf den Schreibtisch legen, Zigarren rauchen und die Welt unterdrücken, arbeiten diese Leute auf Hochtouren, ständig – was völlig in Ordnung ist, insofern man es denn will. Denn manche Menschen sind eben so geeicht, superfleißig, egal wohin man sie stellt. Stellte man sie mit einer Axt in einen Wald, würden sie direkt anfangen, Bäume zu fällen, einfach weil sie so veranlagt sind. Will man hingegen ein ausgeglichenes Leben – und man sollte dies wollen! – sollte man sich lieber um seine Familie kümmern, die umso wichtiger wird, je älter wir werden.
Die ach so nützliche Karriere, deren Höhepunkt man mit 35 oder 40 hat, beginnt ab dann ziemlich steil abzufallen. Mit etwas Glück hat man bis dahin jedoch einen Menschen gefunden, den man liebt und mit dem man Kinder hat, sodass man zwischen Fünfzig und Achtzig schlichtweg beschäftigt ist. Ohne Kinder wird es wirklich öde, es ist wirklich ein großer Fehler, eine Zukunft mit Kindern nicht als erstrebenswert zu erachten.
Mit 19 denkt man hingegen, weil man noch von nichts eine Ahnung hat: „Ich weiß wirklich nicht, ob ich überhaupt Kinder will.“ Ich habe viele, viele Frauen über ihre Karriere hinweg beobachtet. Nur sehr selten ist es nicht der primäre Wunsch einer dreißigjährigen Frau, ein Kind zu bekommen. Und mit denjenigen, für die das nicht gilt, stimmt meiner Meinung nach irgendetwas hinsichtlich dessen nicht, wie sie verfasst sind und wie sie die Welt betrachten. Natürlich gibt es Frauen, die von Natur aus nicht mütterlich sind, sondern ein maskulines Naturell haben: nicht besonders liebenswürdig und mitfühlend, nicht mütterlich, nicht so interessiert an Kindern. Dagegen gibt es nichts einzuwenden, nur viele sind es nicht. Allerdings gibt es viele, die sich nicht eingestehen wollen, dass ein Kind das ist, was sie am dringendsten wollen.
Kind und Karriere? Lieber nicht.
Nun könnte man fragen, ob es nicht klüger wäre, erst Kinder zu bekommen und sie zu erziehen und mit dem Studium zu beginnen, wenn die Kinder elf bis zwölf sind. Denn so herum könnte es einfacher sein, als wenn man mit Kleinkindern fest im Berufsleben zu stehen hat. Ich habe Frauen gesehen, die es auf beide Arten geschafft haben. Und es gibt natürlich auch die Sorte Ausnahmefrau, die eine Spitzenkarriere und Kinder managt. Aber diese Art Frauen... sie kaufen stärkere Mikrowellen, damit es nur 45 Sekunden dauert, das Essen zu erwärmen, anstatt einer Minute. Das ist kein Scherz. Sie stehen um 5 Uhr auf, trainieren ein halbe Stunde, bereiten das Frühstück, machen die Kinder fertig für die Schule, gehen zur Arbeit, arbeiten dort 14 Stunden, kommen nach Hause und haben dann noch zwei Stunden mit den Kindern zu tun. Sie haben ein Kindermädchen, das ihnen hilft und arbeiten noch mal zwei Stunden, bevor sie um 1 Uhr schlafen gehen und dann stehen sie wieder um 5 Uhr auf und fangen von vorn an. Ich kann Ihnen sagen: Man muss zäh sein, wenn man das vorhat, auch physisch, weil man dabei ausbrennen wird. Ich habe einige Frauen kennengelernt, die das schaffen, zähe und ungewöhnliche Frauen, weil das ein höllisches Programm ist. Wenn irgendetwas schief geht, ein Kind krank wird oder es irgendeine Familienkrise gibt, dann wird es schlagartig zu viel.
Die Wahrheit ist, ich weiß nicht, wie unsere Gesellschaft mit der Kinder-Karriere-Problematik umgehen soll. Es ist ein Mysterium. Doch ein Teil dieser Antwort besteht sicherlich darin, jungen Frauen klar zu machen, wie sie sich fühlen werden, wenn sie erst Dreißig sind und auch, sie von dem Irrtum zu befreien, dass eine Karriere etwas umwerfend Tolles sei. Die meisten Menschen haben keine Karriere. Sie haben Jobs. Der Grund, warum man für Jobs bezahlt wird, besteht darin, dass man die Dinge sonst nicht tun würde. Karriere heißt nicht, dass man mit den Stiefeln auf dem Schreibtisch Zigarre raucht, soviel ist sicher. Nicht, dass das überhaupt eine tolle Vorstellung wäre.
Dieser Beitrag ist ein Ausschnitt aus dem Vortrag „Maps of Meaning 9: Patterns of Symbolic Representation“. Hier geht’s zum Original-Vortrag auf dem YouTube-Kanal von Jordan B. Peterson.