Thomas Rietzschel / 29.01.2020 / 06:15 / Foto: Pixabay / 69 / Seite ausdrucken

10 Tage danach: Merkels Libyen-Frieden in Trümmern

Rechthaberei ist kein schöner Zug. Manchmal aber scheint es schon angezeigt, daran zu erinnern, dass etwas gekommen ist, wie es vorhersehbar war. Vor zwei Wochen, am Mittwoch, dem 15. Januar, schrieb ich an dieser Stelle, bei Angela Merkels Berliner Libyen-Gipfel werde nicht mehr herauskommen als das Übliche: „die bombastische Inszenierung der deutschen Regierung als Vermittler in internationalen Konflikten“. 

Vier Tage später, am Sonntag den 19., gab es dann den großen Bahnhof an der Spree, hochkarätig besetzt mit Putin, Erdogan, Macron und Boris Johnson, einem Kronprinzen aus Abu Dhabi, dem ägyptischen Präsidenten und dem UN-Generalsekretär. Nicht zu vergessen Libyens Regierungschef Fayiz as-Sarradsch neben seinem Kontrahenten, General Chalifa Haftar. Eine bunte Gesellschaft und mittendrin, hoch auf der Erbse, die deutsche Bundeskanzlerin in der Rolle des Maître de Plaisir. 

Die Welt schaute wieder einmal auf Berlin. Eifrig wurde die Abschlusserklärung studiert. Darin enthalten unter anderem die Aufforderungen zu einem Waffenstillstand, zur „Aufnahme vertrauensbildender Maßnahmen“ sowie zur „Entwaffnung bewaffneter Gruppen“. Weiter wurden die „Akteure“ angehalten, „alle Handlungen zu unterlassen, die den Konflikt verschärfen“ könnten. Angemahnt außerdem „eine transparente, rechenschaftspflichtige, faire und gerechte Verteilung öffentlicher Güter“. Und so weiter und so fort bis hin zu der Auflage einer „maßgeblichen Beteiligung von Frauen und jungen Menschen an allen Aktivitäten in Bezug auf den demokratischen Übergang Libyens“.

Gemeinplätze für den Frieden

Was hatte die Kanzlerin da nur wieder zustande gebracht! Wann hätte man je konkretere Gemeinplätze gelesen als in dem Ergebnisprotokoll ihrer Libyen-Konferenz. Kaum eine Zeitung, kein Magazin, kein Sender, die es versäumten, Angela Merkel und ihren Maas-Minister für das gelungene Krisenmanagement zu feiern. Von einem „Durchbruch“ sprach die „Zeit“. „Ein erster Schritt in Richtung Frieden“, titelte die „Stuttgarter Zeitung". ARD und ZDF wetteiferten im Lob der Kanzlerin. Innenpolitisch war ihre Rechnung aufgegangen. 

Eine gute Woche immerhin stand das Kartenhaus der Illusionen. Nun aber wird wieder geschossen. Trotz des vollmundig verheißenen Waffenembargos ist weder den Rebellen noch den libyschen Regierungstruppen die Munition ausgegangen. Den Ausflug nach Berlin haben die Kriegsherren achselzuckend hinter sich gelassen. Es kam, wie es schon vor der Gipfelaufführung abzusehen war. Nicht einmal die Kanzlerin dürfte darüber erstaunt gewesen sein. Hat doch bisher noch jeder Gipfel seinen Zweck erfüllt, wenn er das Volk daheim amüsierte, die „Menschen“ den Politikern für Ihre Darstellung applaudierten. 

Warum Journalisten die Nähe zur Macht suchen

Tatsächlich erstaunen kann dabei nur, wie viele immer wieder auf diese Masche hereinfallen. Bei den Journalisten mag sich das aus der gesuchten Nähe zur Macht erklären. Welchen Grund aber haben große Teile des Volkes, den politischen Hochstaplern auf den Leim zu gehen, in Deutschland zumal? Hoffen sie, an dem Ansehen zu partizipieren, dass sich die regierenden Dilettanten international erschwindeln? Oder verfolgen sie das politische Geschehen nur noch wie eine Seifenoper, als Unterhaltungsprogramm vor dem „Tatort“?

Aber vielleicht ist es ja noch ganz anders, und die Hoffnung stirbt zuletzt – die Hoffnung, es könne doch einmal anders kommen als vorhersehbar, schon bei der nächsten Gipfel-Inszenierung in Merkels Regie. Es mangelt ja nicht an Krisen, und die Kanzlerin freut sich, wenn sie gerufen wird. Wir Rechthaber können auch fair sein und würden uns freuen, von ihr widerlegt zu werden. 

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HaJo Wolf / 29.01.2020

“Hoffen sie, an dem Ansehen zu partizipieren, dass sich die regierenden Dilettanten international erschwindeln?” - Welches Ansehen? Deutsche Politiker genießen allenfalls bei denen scheinbar (!) Ansehen, deren Kassen sie aus Steuergeldern üppig auffüllen. Ansonsten lacht die Welt über Merkel & Co,, schüttelt die Köpfe über völlig geisteskranke Energiepolitik, freut sich, dass das deutsche Volk sich selbst als Wirtschaftsmacht aus dem Rennen nimmt undignoriert deutsche Politik bei wichtigen Entscheidungen. Merkel hat unser Land bereits international desavouiert. Die Endlösung der völligen Zerstörung ist bereits in Sicht.

Peter Müller / 29.01.2020

Aber ganz ehrlich mal: Hat irgend jemand im Ernst etwas Anderes von diesen Nichtskönnern erwartet? Nicht wirklich, oder?

Paul Siemons / 29.01.2020

Libyen Gipfel? War da was? Und ist für den Außenheiko nicht alles über 2 Meter ein Gipfel?

Stephan Bujnoch / 29.01.2020

Sehr geehrter, lieber Herr Rietzschel, es tut gut zu wissen, daß es unter den Massen Blinden noch sehende Realisten wie Sie und Ihre AchGut Kollegen gibt. Natürlich konnte diese “Gipfel-Fakepolitik” nicht gut gehen, da die Resolution praktisch durchgängig im Konjunktiv formuliert war. Könnte, sollte, würde. Dies ist auch der Grund, warum es Alle unterschrieben haben, weil es nicht wirklich die Beteiligten zu konkreten Maßnahmen verpflichtete. Das wirklich Bedenkliche aus meiner Sicht ist aber nicht der unnötige “Dining & Wining” Gipfel an sich - weil man ja zwischenzeitlich gewöhnt ist, daß noch viel mehr Geld an anderer Stelle rausgeschmissen wird - , sondern das hyperventilierende Hochjazzen desselben durch unsere Qualitätsmedien. Unsere gutmenschelnden Mediengrößen dürften mehrheitlich nicht mehr über eine Realitäten gerechte Wahrnehmung verfügen. Wahrnehmung, Analyse und Beurteilung werden durch zeitgeistgerechtes Wunschdenken und “Haltung” ersetzt. Haltung hat es früher auch schon gegeben, nur war es damals semantisch geradezu diametral besetzt. Haltung hieß, unbequeme Wahrheiten zu äußern und diese nach außen zu vertreten, also genau das, was Sie getan haben. Danke dafür!

Detlev Bargatzky / 29.01.2020

Es ist tatsächlich sehr erstaunlich (nicht überraschend), wie viel Lob und Huldigungen diese Regierung für die Organisation eines unverbindlichen Meetings mit Fototermin bekommt. Dass es mich nicht überrascht liegt einfach daran, dass die MSM so gut wie jede Aktion an der die Bundeskanzlerin beteiligt ist, als Ausdruck ihrer unendlichen Weisheit und ihres nicht enden wollenden Verhandlungsgeschicks feiert.

Wolfgang Kaufmann / 29.01.2020

Wer Israel wiederholt angreift, muss eben im Zweifelsfall auch Gebietsverluste hinnehmen, so wie Deutschland zu Recht seine Ostgebiete verloren hat. Seitdem die UNO eine sehr einseitige Veranstaltung geworden ist, sollte man sich lieber auf das Kriegsvölkerrecht berufen, welches Guerilla ächtet und hybride Krieger als „unlawful combatants“ aburteilt. Terrorismus ist nichts anderes als verdeckter Krieg unter Benutzung von zivilen Schutzschilden.

Rupert Reiger / 29.01.2020

Zum Waffenstillstand: Clausewitz im Buch „Vom Kriege“: „Sinngemäß: Ein Waffenstillstand kommt nur zustande, wenn in einer Pattsituation sich beide (!!!) Seiten einen Vorteil davon erhoffen oder beide (!!!) Seiten zu ermattet sind, den Krieg weiterzuführen. Im ersteren Fall kann das auch daran liegen, dass jeder Gegner nur erhofft, sich zwischenzeitlich besser aufstellen zu können, um den Krieg verstärkt weiterführen zu können.“ Das heißt auch: Ist ein Gegner (wie in Libyen General Haftar) dem anderen weit überlegen, haben wir also weder eine Pattsituation noch eine Ermattung beider Gegner, kommt kein Waffenstillstand, oder maximal einer zum Schein auf äußeren Druck, zustande. Im letzteren Fall ist der Waffenstillstand wirkungslos. Man braucht nur einen Grund dafür und wenn es nur heißt, die anderen haben zuerst wieder angefangen. Oft braucht es nicht mal das. In Clausewitz’ Buch „Vom Kriege“ kann man mehr über den Frieden lernen, als in Büchern, die das Wort “Frieden” im Titel führen ... aber wohl nicht alle ... oder aber es ist eine reine Inszenierung für die Öffentlich-Rechtlichen Hofberichterstatter. Die Nagelprobe dafür ist, ob die ÖR jetzt auch über die Wirkungslosigkeit der Aktion berichten.

Gudrun Dietzel / 29.01.2020

Lieber Herr Rietzschel, fragen Sie sich das ernsthaft (ich schaue auf Ihr Geburtsjahr und auf Ihre Sozialisation und wundere mich), welchen Grund große Teile des Volkes haben, den politischen Hochstaplern auf den Leim zu gehen, zumal in Deutschland? Die Frage, warum das Journalisten tun, beantworten Sie: Die Nähe zur Macht treibt sie zum Lügen (Lügen hab ich gesagt). Aber wissen Sie, was Mainstream-Äußerungen (Zeitungen, Fernsehen) bei Menschen bewirken? Schauen wir den Leuten aufs Maul (frei nach Luther) und wir wissen es. Wie oft höre ich, „aber es hat in der Zeitung gestanden“ oder „das habe ich im Fernsehen gehört“... Hier dokumentiert sich nicht nur Unwissenheit (Dummheit möchte ich nicht sagen), hier beweist sich vor allem, wie die Mainstream-Medien das Vertrauen ihrer Rezipienten übel mißbrauchen, der schlimmste Vorwurf, den man denen überhaupt machen muß: Vertrauen mißbrauchen! Wenn man das erkannt hat, ist klar, welche Gefahren vom Journalismus ausgehen: Ihr Werk (das der Medien) ist Manipulation „vom Feinsten“ und der Nachweis, Journalisten sind Steigbügelhalter der Macht.

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