Michael Miersch / 03.11.2007 / 14:03 / 0 / Seite ausdrucken

Welterfolg mit Fehlprognosen

Erschienen in DIE WELTWOCHE  Nr. 43 am 25. Oktober 2007

Der Club of Rome, der jetzt nach Zürich umzieht, hat einen glanzvollen Ruf. Seine Aktivitäten sind jedoch ziemlich unbekannt. Was will der Club, was treiben seine Mitglieder und wie ist er entstanden? Eine Bilanz zum 40. Geburtstag.

Die Schweiz hat alles falsch gemacht. Sie müsste längst an Hunger, Elend und einer verpesteten Umwelt zugrunde gegangen sein - zumindest nach der Denkart des Club of Rome. Den Schweizern geht es stattdessen besser und ihre Umwelt wird immer sauberer. Und nun zieht der Club of Rome in die Schweiz. Dafür bekommt er von der Stadt Zürich 364 000 Franken im Jahr.

Überhaupt sind die völlig falschen Länder reich oder werden es gerade. Wo politische Freiheit, technischer Fortschritt und kapitalistischer Markt sich ausbreiten leben weniger Menschen in Armut als vor 50 Jahren – und das, obwohl die Menschheit sich verdreifacht hat. Mehr Kinder gehen zur Schule, Frauen und Männer werden älter als je zuvor. Es gibt dreimal so viele liberale Demokratien auf der Welt wie 1972 und auch die globale Getreideernte konnte seither verdreifacht werden. Solche und ähnliche frohe Botschaften kann man in dem Report: „State of the Future“ nachlesen, der vor ein paar Wochen von der UN veröffentlicht wurde. Sein durch zahlreiche Statistiken gestütztes Resümee: „Weltweit werden die Menschen gesünder, wohlhabender, gebildeter, friedlicher, besser vernetzt und sie leben länger.“

All das dürfte nicht sein, liest man die Schriften des Club of Rome. Darin war und ist immer und immer wieder zu lesen, dass Markt, Massenkonsum und insbesondere das böse, böse Wirtschaftwachstum die Welt in den Abgrund treiben. Rettung versprechen allein staatliche Planung oder besser noch internationale Behörden, die die Weltgeschicke nach den Vorgaben des Club of Rome steuern. Sie sollten das Wachstum drosseln, Wirtschaft und Konsumenten an die Kandare nehmen.


Wie kann es sein, dass eine Vereinigung, die immer exakt das Falsche vorausgesagt und die aberwitzigsten Rezepte empfohlen hat, dennoch einen tadellosen Ruf genießt? Das gehört zu den Geheimnissen der modernen Mediengesellschaft, die es ja auch fertig bringt Che Guevara zum Popstar und Al Gore zum Nobelpreisträger zu machen. Image ist alles, Fakten stören nur.

Wie schaffte es der Club of Rome in die erste Liga der Weltretter zu kommen? Das hat mit Fiat, VW und dem Zeitgeist zu tun. Der Club ist ein klassisches „One Hit Wonder“. Er wurde durch seinen ersten Report schlagartig weltberühmt und ist es geblieben. Keiner der folgenden 33 Reports schaffte auch nur annähernd so bekannt so werden wie Nummer eins. Wer Club of Rome hört, denkt bis heute automatisch an „Die grenzen des Wachstums“ (Auflage 12 Millionen, in 37 Sprachen übersetzt).

Alles begann 1968 als der italienische Industrielle Aurelio Peccei und der britische OECD-Funktionär Alexander King eine Runde angesehner Naturwissenschaftler und Ökonomen in der Accademia dei Lincei in Rom versammelten. Peccei war Spitzenmanager bei Fiat und hatte seinen Chef Agnelli davon überzeugt, die Versammlung zu finanzieren. Doch das Treffen war ein Flop, die Koryphäen diskutierten wild durcheinander und konnten sich auf nichts einigen. Peccei und King blieben hartnäckig und bei einem zweiten Treffen konnte sich die Runde darauf einigen, ein computergestütztes Weltmodell in Auftrag zu geben, dass die Zukunft des Planeten berechen sollte. Wieder bezahlte ein Autokonzern die Rechnung. Die nötige Million Deutsche Mark besorgte Club-Mitglied Eduard Pestel, der später Wissenschaftsminister von Niedersachsen wurde und über gute Kontakte zur Volkswagenstiftung verfügte.

Vier Jahre später wurde das Weltmodell veröffentlicht. Einer der bekanntesten Buchtitel des 20. Jahrhunderts war geboren: Die Grenzen des Wachstums. Junge Wissenschaftler des Massachusetts Institute of Technology hatten den Bericht unter Leitung von Dennis Meadows erarbeitet. Die zugrunde liegende Computersimulation hieß „World3-Modell“. Für damalige Verhältnisse war die Rechnerleistung sensationell, gemessen an heutige Möglichkeiten sehr bescheiden. Die Studie sagte ein globales Desaster voraus, das schon bis zur Jahrtausendwende eintreten werde. Alle wichtigen Rohstoffe würden ausgehen oder extrem knapp und teuer werden. Außerdem werde die Menschheit an Überbevölkerung, Nahrungsmangel und Umweltverschmutzung zu Grunde gehen. Das Gegenteil trat ein: Bis zum Jahr 2000 fielen die Preise fast aller wichtiger Ressourcen und sie waren reichlich vorhanden. In den Industrienationen wurde die Umweltverschmutzung heftig reduziert. Das Bevölkerungswachstum verlangsamte sich (heute geht die UN von aus, dass die Menschheit ab 2050 gar nicht mehr wächst).

Meadows und der Club of Rome empfahlen die Industrieproduktion auf dem Stand der siebziger Jahre anzuhalten, um einen Zustand weltweiten Gleichgewichts herzustellen. Heute ist klar: Nicht Wohlstand sondern Armut zerstört die Umwelt. Überall auf der Welt, wo durch Wirtschaftswachstum die materielle Not überwunden wurde, ist die Umwelt heute sauberer und die Natur besser geschützt.

Dass die Modelle des Club of Rome von der Wirklichkeit widerlegt wurden, lag daran, dass die Grundannahmen von denen man ausging, sich viel schneller änderten als gedacht. Meadows hatte die positiven Folgen des technischen Fortschritts bei Weitem unterschätzt. Computer erhöhten in fast allen Industrien die Effizienz, dadurch reduzierte sich der Rohstoff- und Energieverbrauch. Doch ein Eingeständnis, dass man falsch gelegen hatte kam nie, auch keine Revision der Prognosemethoden. 2006 brachte Meadows mit Gleichgesinnten das 30-Jahre-Update der „Grenzen des Wachstums“ heraus. Darin wird weiterhin das Lied vom Untergang gesungen, allerdings zeitlich weiter in die Zukunft verschoben.  Man sei „weitaus pessimistischer bezüglich der Zukunft der Erde, als wir es noch 1972 waren,“ schreiben die Autoren. Bezüglich ihres Computermodells heißt es im Update, „dass World3 nicht völlig absurd war; die Annahmen dieses Modells und unsere Schlussfolgerungen verdienen heute noch Beachtung.“ So kann man es auch ausdrücken.

1974 folgte die zweite Studie des Clubs: „Menschheit am Scheideweg. Autoren waren Eduard Pestel, der Mechanikprofessor aus Hannover, der wiederum bei VW das Geld besorgt hatte und der Mathematiker Mihailo Mesarovic von der Universität Cleveland. Der zweite Report wurde als gemäßigt im Vergleich mit Meadows Werk angekündigt, strotze jedoch ebenfalls von apokalyptischer Prosa. So sagten die beiden Verfasser eine Milliarde Hungertote in Südasien voraus. Die asiatische Mega-Hungerkatastrophe sollte in den achtziger Jahren beginnen und im Jahr 2010 ihre Höhepunkt erreichen: „Für diese Art langsamer, unerbittlicher Zerstörung der Bevölkerung einer ganzen Weltregion gibt es keinen historischen Präzedenzfall.“ Doch statt wie angekündigt zu verhungern, nahmen die Asiaten lieber ihren ehemaligen Kolonialherren die Märkte ab und setzten auf Wirtschaftswachstum. Gemäß Club of Rome der völlig falsche Weg. „Das undifferenzierte, krebsartige Wachstum ist die eigentliche Ursache der Probleme.“ Pestel und Mesarovic forderten die Abkehr von der „Wachstums-Ideologie“, eine Umorientierung der Wirtschaft auf die realen Bedürfnisse der Menschen und eine neue „Konsum-Ethik“. In einem späteren Buch schrieb Pestel, man müsse auf die Einsicht hinwirken, „dass materielles Wachstum und somit das Wachstum des Bruttosozialprodukts auf die Dauer unmöglich ist.“ Als Ausweg aus der Misere empfahl er ein „System zukunftsbezogener Zielvorstellungen“ und „langfristiger Planungsinstrumente.“

Auch Club-Gründer Peccei hieb mit seinem Buch „Zukunft, in unserer Hand“ in die gleiche Kerbe. Er verdammte die „anarchische wissenschaftlich-technische Entwicklung“ und „das Nicht-Vorhandensein von Plänen.“ „Für den Anfang,“ schrieb er, „bräuchte es einen globalen Bebauungsplan für die großen Regionen der Erde.“ Tief Beeindruckt von den Prognosen des Clubs forderte der Wirtschaftkommissar der damaligen EWG (heute EU), der niederländische Sozialist Sicco Mansholt eine „strenge Planwirtschaft,“ „Rationierung“ und den Aufbau eines „sauberen Produktionssystems auf der Grundlage eines geschlossenen Wirtschaftkreislaufs.“

Liest man solche Traktate aus heutiger Sicht, gewinnt man den Eindruck, hier seien Kommunisten am Werk gewesen. Tatsächlich traf sich der Club of Rome damals auch in Moskau, was in der Zeit des kalten Krieges ungewöhnlich war. Doch die Mitglieder des handverlesenen Clubs – es dürfen laut Satzung nicht mehr als 100 sein – waren und sind alles andere als stoppelbärtige Linksintellektuelle in abgewetzten Lederjacken. Es ist der internationale Geldadel , der so vehement Planwirtschaft propagiert. Bei Peccei zuhause servierten Diener mit weißen Handschuhen. Der jetzige Vorsitzende ist Hassan Ibn Talal ist der schwer reiche Bruder des jordanischen Königs und sein Vize Eberhard von Koerber ist ebenfalls gut betucht. „Ich hatte sie mir bescheidener vorgestellt,“ erzählt die Deutsche Gudrun Eussner, die als Studentin in den siebziger Jahren ein Treffen des Clubs im Berliner Hilton betreut hatte. „Ihre Ansprüche passten nicht zu ihren Lehren. Wir Helferinnen waren von den vielen Extrawürsten genervt.“ Eigentlich kein Club, der mit 364 000 Franken jährlich gefördert werden müsste.

Seit der Gründung bestehen die hauptsächlichen Aktivitäten des Club of Rome in der Veröffentlichung von Reports und zahllosen Symposien, Konferenzen und Kongressen zumeist an den schönen Orten dieser Welt. Die neueste Kopfgeburt des Clubs ist besonders in Deutschland und Österreich populär und nennt sich „Global Marshall Plan.“ Es ist mehr oder weniger wieder das Gleiche: Die Welt soll unter der weisen Führung einer erleuchteten Elite gerettet werden. Wie in den vorherigen Reports und Appellen spielt der Faktor Freiheit als Kriterium für eine bessere Welt nicht die geringste Rolle. Neu ist lediglich, dass zur üblichen antikapitalistische Rhetorik diesmal noch besonderes Verständnis für Islamisten hinzukommt. Es gelte die Arroganz des Westens zu beenden. „Der 11. September 2001 hat die Chancen für ein ökosoziales Modell verbessert,“ schreibt Club-Mitglied Franz Josef Radermacher, denn der Anschlag habe gezeigt, dass die westliche Zivilisation auf dem falschen Weg sei. Immerhin enthält der „Global Marshall Plan“ eine für Club-Verhältnisse geradezu revolutionäre Einsicht: Weltweites Wirtschaftswachstum wird nicht mehr als grundsätzlich falsch betrachtet. „Ökosoziale Marktwirtschaft“ lautet nun das Rezept.

Wer wirklich wissen will, wie sich die Welt entwickelt findet im UN-Report „State of the Future“ weniger Ideologie und mehr Fakten. Doch das Medienecho auf diese optimistische Studie war recht bescheiden. Wurde früher der Bote schlechter Nachrichten geköpft, so ist es heute umgekehrt: Wer gute Neuigkeiten verkündet, wird zum sozialen Außenseiter. So ging es auch Julian Simon. Der verstorbene amerikanische Ökonom hatte bereits in den siebziger Jahren zahlreiche gut begründete Argumente gegen die apokalyptischen Prognosen des Club of Rome zusammengetragen. Er behielt recht, wurde aber nicht berühmt.

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