Bernhard Lassahn / 11.11.2010 / 10:17 / 0 / Seite ausdrucken

Zur Sache, bitte!

Es gibt zwei Themen, mit denen man bei einem netten Zusammensein von Frauen und Männern ruckartig die Laune ruinieren und das Tischtuch zerreißen kann: Pornografie und Feminismus.

Wie diese beiden Reizthemen zueinander stehen, scheint bereits entschieden: Feminismus kämpft gegen die Pornografie. Charlotte Roche geht da allerdings auf Distanz, sie sieht sich gerne mal einen Porno an und versteht die Altfeministen in diesem Punkt nicht.

Ich gehöre zum alten Eisen und erinnere mich noch an einen Hersteller von Haushaltsgeräten, der von sich behauptete, er wüsste, was Frauen wünschen. Bauknecht! Der hatte den gewagten Slogan ‚Bauknecht weiß, was Frauen wünschen’! Das ist lange her. Heute würde wohl kaum jemand in der Pose so einer Gewissheit in die Öffentlichkeit treten wollen.

Nur Alice Schwarzer. Die weiß zwar nach Lektüre des Interviews mit Ministerin Kristina Schröder nicht, ob sie „lachen oder weinen“ soll, doch sie weiß, was Männer wünschen. Die „wollen einfach nicht“ als Lehrer arbeiten.

Die Schüler sind auch schwierig geworden, gerade die Jungs. Die wollen nicht mehr lernen. Die sind von einem „Rollenbild“ befallen wie von einem Dämon: „Schuld ist (...) eine Männerrolle, bei der es als uncool gilt, zu lernen, und als cool, zu pöbeln - und Pornos zu konsumieren.“

Damit steht Frau Bauknecht ... pardon: Frau Schwarzer auf der gegenüberliegenden Seite der Wirklichkeit: Pornos gelten nicht als cool, die Jungs gehen damit hilflos und verschämt um. Anders kann ich mir nicht erklären, dass sich Rapper mit losem Mundwerk und Figuren wie Lady Bitch Ray als Rebellen gegen den Mehrheitsgeschmack stilisieren können.

Doch da ist es wieder, das böse Wort: Porno! Der ‚Berliner Kurier’ vom 6. November meldet auf der Titelseite: „Berlin verbietet Sex-Witze“. Da weiß man wenigstens, ob man lachen oder weinen soll: Lachen jedenfalls nicht. Es ist ein Dauerthema des Feminismus, der mit seinem Erzfeind viel mehr heimliche Gemeinsamkeiten hat, als die diversen PorNo-Kampagnen mit all ihren Varianten (Sexismus, sexuelle Gewalt, Belästigung am Arbeitsplatz ...) vermuten lassen. Ich will mal versuchen – ab jetzt ohne Links –, mich an das Thema heranzutasten. Worum geht es?

Es heißt, dass es schwer ist, Pornografie zu definieren, dass sie aber jeder sofort erkennt. Es geht um die Darstellung „der Sache“ – so nannte man das früher in der DDR (auch wenn im Roman ‚Aller Welt Freund’ von Jurek Becker „die Sache“ als Selbstmord auftaucht, was nicht so recht ins Bild passt). Wir wissen schon, was gemeint ist. Womöglich erinnert sich auch mancher noch an den Film ‚Zur Sache, Schätzchen’.

Dabei ist gerade die Sachlichkeit dem Thema nicht angemessen – und Begriffe wie „Beischlaf“ oder „Geschlechtsverkehr“ machen es nicht besser und bestätigen den Verdacht, dass es Situationen gibt, bei denen man lieber die Klappe halten sollte.

Man muss nicht religiös, erleuchtet oder esoterisch interessiert sein; man muss das Tantra nicht kennen und muss auch Leonard Cohen nicht mögen, der nicht nur in seinem Song ‚Hallelujah’ den Schnittpunkt zwischen Religion und Sexualität thematisiert – es weiß eigentlich jeder, der jemals was damit zu tun hatte: Es ist viel mehr dran an „der Sache“, als man singen, sagen und in Bildern darstellen kann.

Und gerade darin liegt das Falsche und Niederträchtige der Pornografie: Es löst „die Sache“ aus den Zusammenhängen. Das erzeugt dann (bei Frauen schon vorher, bei Männern hinterher) ein Gefühl von Abscheu und Leere. Da fehlt etwas. Nennen wir es Liebe. Das Desiderat ist damit zwar nicht vollständig benannt; all you need is love, umfasst nicht „alles“, was wir wirklich brauchen - aber immerhin. Da war mal was.

Das ist nicht mehr da. So „vergrößert“ die Pornografie gerade dadurch, dass es „die Sache“ ohne einen von Liebe gestifteten Kontext sieht, „den Ozean zwischen den Menschen“. So hätte es Kafka womöglich gesagt, der sich jetzt nicht beklagen kann, dass ich mir kurzerhand seine Worte ausgeliehen habe.

In diesem Ozean sind die Jugendlichen verloren: Sie müssen irgendwie wieder zur Liebe finden, zu einer „Einbettung“ des „Weltknotens Sexualität“. Da muss man ihnen helfen, damit sie nicht länger dem „Konsum“ ausgeliefert sind (wobei es ihnen das Internet ermöglicht, kostenlos an die Schmuddelware aus den Geschäften für „Ehehygiene“ heranzukommen, die sie sich früher nicht leisten konnten).

Man muss die Jungs aber auch schützen vor der Rollenzuschreibung, die der Feminismus für sie bereithält. Darin sind sie vorverurteilt, eh sie überhaupt die Gelegenheit haben, Fehler zu machen. Denn wie sieht man in Feministenkreisen „die Sache“? Ebenso. Als etwas, das aus dem Zusammenhang, der sich auf Liebe gründet, herausgenommen ist.

So beklagt die Familienministerin, dass der (radikale) Feminismus die Beziehung zwischen Frauen und Männer primär als Gewaltverhältnis sieht: „Zum Beispiel, dass der heterosexuelle Geschlechtsverkehr kaum möglich sei ohne die Unterwerfung der Frau. Da kann ich nur sagen: Sorry, das ist falsch.“ Ich habe hier nicht das Problem, dass ich nicht weiß, ob ich bei diesen Worten von Kristina Schröder lachen oder weinen soll. Ich weiß, was ich mache: Ich applaudiere! Laut und herzhaft.

Damit hat sie eine empfindliche Stelle getroffen. Entsprechend schrill ist das Aufstöhnen von Alice Schwarzer: „Frau Ministerin, ein so billiges Klischee wagen Sie doch nicht allen Ernstes über die folgenreichste soziale Bewegung des 20. Jahrhunderts zu verbreiten?“

Vermutlich hat sie mit der Formulierung vom „billigen“ Klischee nur versehentlich keinen Superlativ gewählt. Sorry: Bei so einem Duktus frage ich mich längst nicht mehr, ob es auch ne Nummer kleiner und eventuell sachlich geht. Alice Schwarzer scheint den Superlativ für die Grundform zu halten. Schon in den nächsten Sätzen bestätigt sie übrigens, dass Kristina Schröder im Prinzip Recht hat. Na also.

Doch im Ernst: Der Feminismus als „soziale Bewegung“ hatte natürlich Folgen. Gute und schlechte. Allerdings lassen sich die nicht eindeutig auf das Konto des Feminismus buchen. Das erscheint nur in einer Perspektivverengung so.

Beispiel Abtreibung. Das fällt mir zuerst ein. Einer der Vorkämpfer für die Freigabe der Abtreibung war bekanntlich Gottfried Benn: Lyriker, Arzt und – ganz wichtig! – Mann. Außerdem sind Männer – Ärzte etwa, die Abtreibungen vorgenommen haben – zu Tode gekommen bei ihrem Einsatz für eine soziale Bewegung, deren Erfolg sich nun die Frauenbewegung an den Hut steckt.

Die feministische Deutung, es handele sich dabei um einen Erfolg, den die Frauen der Männermacht abgerungen hätten, wirkt wie ein falscher Ton in einem Konzert, das sowieso schon lange auf dem Spielplan stand.

Darin liegt das Grundübel des Feminismus: in der primitiven Trennung von Frauen und Männern. Es ist eine Sichtweise mit negativer Bilanz. Die neuen Erkenntnisse, die dabei herauskommen, sind dürftig. Um dahin zu gelangen, musste man mehr Augen zudrücken, als man normalerweise hat. Und immer geht eine Eiseskälte davon aus. Und eine peinliche Selbstbelobigung.

Es ist das große Klischee des Feminismus, der Geburtsfehler, Männer und Frauen als grundsätzlich getrennt voneinander und obendrein in Feindschaft zueinander zu verstehen. Dieses Klischee ist nicht mal mehr „billig“, es hat überhaupt keinen Wert mehr. Es wird einem inzwischen nachgeworfen.

Die Lieblosigkeit lässt die Temperatur tief fallen. Nicht nur, dass der Ozean zwischen den Menschen größer wird, man muss schon fürchten, dass er zufriert. Zum Glück ist rechtzeitig „Salz ins Meer“ gekommen. Wie auch immer. Bei der Lektüre von Schwarzer-Prosa überkommt mich oft das Gefühl, ich müsste mir sofort eine lange Unterhose anziehen.

Auch wenn das als unerotisch gilt.

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