Eigentlich war doch alles gesagt über Hans Filbinger. Er war nicht der Obernazi, zu dem ihn seine Gegner gemacht haben, aber ein Widerstandskämpfer war er erst recht nicht. Auch als betagter Mann, der auf ein erfolgreiches Lebenswerk als Ministerpräsident Baden-Württembergs zurückblickte, sind ihm nie Worte der Reue über die Lippen gekommen. Er war mit sich im Reinen. Das sprach bis zuletzt gegen ihn.
Günther Oettinger hätte Filbinger am Grab nicht verurteilen müssen, er hätte sich auf dessen Leistungen als Politiker konzentrieren können. Aber Oettinger ist bewusst auf die Vergangenheit eingegangen - und hat sie verfälscht und beschönigt. Während die Forschung die Behauptung vom allgegenwärtigen Befehlsnotstand im NS-Regime längst widerlegt hat, lügt Oettinger den Mittäter zum Opfer der Umstände zurecht. Aber dieser Etappensieg im endlosen deutschen Verdrängungswettbewerb wird Oettinger nicht daran hindern, beim nächsten Gedenken an die „Reichskristallnacht“ über „historische Lehren“ zu sprechen. Wetten?
Kommentar im Kölner Stadt-Anzeiger, 13.4.07