„Ich habe hier 18 Bücher über das Dritte Reich veröffentlicht, und das alles hatte keine Wirkung. Du kannst Dich bei den Deutschen totdokumentieren, es kann in Bonn die demokratischste Regierung sein – und die Massenmörder gehen frei herum, haben ihr Häuschen und züchten Blumen.“ Joseph Wulf, am 22.12.1912 in Chemnitz geborener, in Krakau aufgewachsener jüdischer Historiker und Shoah-Überlebender, schrieb dies im August 1974 in einem Brief an seinen Sohn in Paris. Zwei Monate später, am 10. Oktober 1974, sprang der schwer Depressive aus dem im 4. Stock gelegenen Fenster seiner Wohnung. Sein Tod reiht sich in die furchtbar lange Reihe der jüdischen Shoah-Überlebenden, die den Freitod gewählt haben – „am Ende“, nach einem langen, produktiven Lebens. Ob ihr letzter Schrei um Hilfe oder ein Schrei der Erlösung war muss uns unbekannt bleiben.
Joseph Wulf scheint heute vergessen. Dies sollte verwundern: Schließlich gehörte Wulf zu den ersten Publizist in der jungen Bundesrepublik, die über die Shoah und ihre Fortwirkungen publiziert haben – knapp drei Jahrzehnte lang. Immer wieder. Trotz der allgegenwärtigen deutschen Verdrängungsbemühungen, der Verleugnungen. Bis zu seinem tragischen Tod. Rechtzeitig zu seinem 100. Geburtstag erinnert Klaus Kempter in seiner voluminösen, ansprechenden Biografie „Joseph Wulf. Ein Historikerschicksal in Deutschland“ an Wulfs’ Wirken. http://www.hagalil.com/archiv/2012/12/20/wulf/