Die klassische Empathieschule lehrt: Wohlstand geht nicht ohne Freiheit und Demokratie. Das ist eine süße Irrlehre. Die Volksrepublik China ist so unfrei, wie es schlimmer nicht geht, und produziert seit vielen Jahren fabelhafte Wachstumsraten. Äthiopien ist ein brutaler Polizeistaat. Gleichwohl war seine Wirtschaft im Jahr 2015 die einzige der Welt mit einer zweistelligen Wachstumsrate (rund 11 Prozent).
Die Apartheid-Republik Südafrika war die mit Abstand stärkste Wirtschaftsmacht des Kontinents, solange ein Drittel der Bevölkerung die anderen zwei Drittel ausbeuteten. Heute ist Südafrika ein freies Land. Doch es hat ebenso viele Sozialhilfeempfänger wie Erwerbstätige (13 Millionen). Als die Apartheid kippte, betrug das Wachstum vier Prozent jährlich. Seitdem ist es auf weniger als ein Drittel geschrumpft.
Während der Breschnew-Ära wuchs die Kommandowirtshaft der Sowjetunion nicht langsamer als die der USA und der EWG. Nach Einführung von Glasnost und Perestroika durch Michail Gorbatschow brach sie zusammen. Erst seit der Autokrat Wladimir Putin im Kreml die Peitsche schwingt, geht es wieder aufwärts. Mitte des letzten Jahrhunderts wurden fast alle afrikanischen Kolonien in die Unabhängigkeit entlassen. Seitdem ist der Lebensstandard permanent gesunken. Von den 14 ärmsten Ländern der Welt liegen 13 in Afrika.
Was lehrt uns das? Nichts. Viele Demokratien erlebten Boom auf Boom, andere gingen wirtschaftlich vor die Hunde. Die angebliche Kausalität von Freiheit zu wirtschaftlicher Prosperität ist eine Schimäre. Mal kommt es so, mal kommt es so.
Jeder Versuch, die Ökonomie in exakte wissenschaftliche Koordinaten zu zwängen, ist ein Va-banque-Spiel. Sonst gäbe es nicht so viele ökonomische Modelle, von denen die meisten einander total oder teilweise widersprechen. Man kann Entwicklungen nachträglich beschreiben. Voraussagen kann man sie selten. Die meisten großen Ökonomen - Marx, Keynes, Adam Smith - waren Nebelstocherer. Nur der große Schumpeter nicht. Er begriff, dass der Wohlstand der Gesellschaft aus Fleiß und Inovationsbeflissenheit kommt. So einen bräuchte man heute im Thinktank des Berliner Entwicklungsministeriums.
Die von Angela Merkels propagierte Bekämpfung der Fluchtursachen zur Bewältigung des Asylproblems stand neulich in Hamburg, mit drei Kreuzchen versehen, auf der G-20-Agenda. Sie fand aber nur in geringes Echo. Nicht weil sie so nicht funktionieren kann, sondern weil die Gipfelgäste sich nicht dafür interessierten. Die Bilanz der Entwicklungshilfe ist trist. In gut einem halben Jahrhundert haben die westlichen Länder in Afrika anderthalb bis zwei Billionen Euro versenkt. Lord Peter Bauer, damals Professor an der "London School of Economics" und ein Berater Margaret Thatchers, lehrte schon vor 30 Jahren, die Entwicklungshilfe sei "teilweise eine Ursache des Nord-Süd-Konflikts und nicht seine Lösung". Sie belohne den Misserfolg und verewige die Armut.
Aber ganz nutzlos war die Hilfe nicht. Sie hat viel gute Infrastruktur hinterlassen. Ohne sie gäbe es weniger Straßen, Schulen und landwirtschaftliche Maschinenringe. Deshalb muss sie weitergeführt werden. Mit mehr Augenmaß und mehr Schub für Eigeninitiativen.
Gerd Müller will einen Paradigmenwechsel
Und vor allem mit mehr Selbsthilfe durch die Afrikaner. Der (inzwischen verstorbene) Brunnenbauer Hans Mayer aus Rüsselsheim, auf Kisuaheli genannt der „Moya Mayer", zu deutsch „Wassermayer", konnte das bestätigen. Er baute in Tansania Dutzende von Brunnen, aus denen viele hunderttausend Menschen dann ihr Trinkwasser schöpften. Ein paar Jahre danach waren sie alle verfallen, weil sie nicht gesäubert worden waren. Deutschland ist weltweit der zweitgrößte Geberstaat. Entwicklungsminister Gerd Müller sagt, man wolle weg vom Gießkannenprinzip und hin zur Partnerschaft mit ausgesuchten Staaten. Man brauche einen Paradigmenwechsel. Der ist aber nicht in Sicht. Das alte Paradigma steht gut im Saft: Zuckerwatte für Zuckerkranke.
Drei der vier "apokalyptischen Reiter", wie die sambische Harvard-Ökonomin Dambisa Moyo sie nennt, nämlich Korruption, Armut, Krankheit, Krieg, haben viel Elend über Afrika gebracht. Armut allerdings ist keine Ursache, sondern ein Zustand. Korruption ist in der Tat eine Pest, die viele Initiativen erstickt, sie ist aber nicht fundamental bedrohlich. Thailand nimmt im Korruptionsranking von "Transparency International" einen miserablen 102. Platz ein (Dänemark und Neuseeland Platz 1, Somalia Platz 175) und schreibt trotzdem ganz ordentliche Zahlen. In Deutschland fließen jährlich hundert Millionen Schmiergeld, schätzt das BKA. Das meiste im Außenhandel.
Die Merkelianer sagen, sie wollten den Handel liberalisieren, also Zollschranken abbauen. Aber da gibt´s nichts abzubauen. Die EU garantiert den Afrikanern den totalen zollfreien Zugang zu den europäischen Märkten. Nur, sie nutzen ihn nicht. Der Anteil der subsaharischen Länder am Handel mit Deutschland betrug 2015 kümmerliche 1,24 Prozent. Wenn man das Ölland Nigeria und Südafrika abzieht, tendiert er gegen null. Für das „Neue Deutschland“ ist er trotzdem noch immer „kapitalistische Ausbeutung“.
Hähnchen des Todes
Greenpeace hat recherchiert, wie das „globale Huhn“ in Togo angeblich Märkte zerstört. 2013 exportierten Brasilien, die USA und die EU 12.000 Tonnen gefrorenes Hühnchenfleisch nach Togo. Weil die einheimischen Geflügelfarmen die Importpreise nicht halten konnten, gingen sie pleite. „Hähnchen des Todes“ würden die Import-Flattermänner in Togo genannt, sie zerstörten die Lebensgrundlage der Menschen, berichtete das „Greenpeace Magazin“. Aber so ist das mit dem Wettbewerb: Einer gewinnt, der andere verliert. Den Vorteil hat der Verbraucher.
Es ist wahr, die Epidemien sind eine kontinentale Plage. Aids, die bösartigste - nicht die einzige -, hat ihren Höhepunkt schon vor Jahren überschritten. 25 Millionen Menschen sind infiziert. Aber die Zahl der Erkrankten ist in den vergangenen zehn Jahren drastisch zurückgegangen, in Äthiopien um 90 Prozent. Da ist Licht am Horzont.
Kriege sind auch eine afrikanische Fluchtursache, gewiss, aber keine wirklich bedeutende. Sie sind auch nach der Genfer Konvention und nach Artikel 16a des Grundgesetzes als solche nicht anerkannt. Nach UN-Angaben leben fünf Prozent der Afrikaner in Kriegsgebieten. Das heißt: 95 Prozent leben im Frieden. Asylbewerber aus Afrika täuschen - sofern sie nicht aus Somalia oder dem Südsudan kommen - Krieg als Fluchtgrund nur vor.
Nein, die drei apokalyptischen Reiter sind nicht wirklich existenzbedrohend. Die wichtigsten Ursachen wirtschaftlicher Not - nämlich das galoppierende Bevölkerungswachstum, die defizitäre protestantische Arbeitsethik und die – horribile dictu - unterdurchschnittlich entwickelten kognitiven Fähigkeiten der Afrikaner – kommen im wissenschaftlichen Diskurs nicht vor.
Abgesehen von den 2002 und 2006 in den USA erschienenen Büchern "The IQ and the Wealth of Nations" und „IQ and Global Inequality“. Die Autoren, Professor Richard Lynn von der Universität Ulster, und Professor Tatu Vanhanen von der Universität Tampere, haben die ungleiche Verteilung der "fluiden Intelligenz" über den Globus thematisiert. Danach leben die intelligentesten Menschen in Nordostasien, die allergescheitesten in Hongkong und die mit der geringsten geistigen Kompetenz in West-und Zentralafrika.
Schlusslicht: Republik Äquatorialguinea
Am schlechtesten kommen die Einwohner der Republik Äquatorialguinea weg. Die politischen Zustände dort sind entsprechend. Staatschef ist der als Folterer verschriene Diktator Teodoro Obiang Nguema Mbasogo, der laut CBS auch im Verdacht steht, oppositionelle Politiker aufgefressen zu haben.
Lynn und Vanhanen mußten sich methodische Fehler vorwerfen lassen. Zu viele Staaten würden in ihren Studien nicht berücksichtigt. Sie schrammten an einigen Stellen auch dircht an der Rassenlehre der Nazis vorbei. Doch die grundsätzliche Korrelation zwischen Erbanlagen und Leistungsstandard ist nicht zu übersehen. Lynn beschäftigte sich auch mit der Untersuchung von Fleiß und Moral. Der Begriff „Fleiß“ aber gilt in Deutschland als Unwort, er ist gleichfalls tabu. Wer ihn verwendet, wird schnell als Rassist gebrandmarkt. Das Dogma ist nicht verhandelbar: Alle Menschen sind gleich, also sind sie auch gleich klug und gleich fleißig.
Aber es muss Gründe dafür geben, dass ein Landwirt auf der indonesischen Insel Bali 25mal so hohe Hektarerträge erzielt wie unter vergleichbaren geologischen und meteorologischen Bedingungen in der zentralafrikanischen Republik Gabun. Dass Südkorea Ende der fünfziger Jahre ein ungefähr gleiches und ein halbes Jahrhundert danach ein zwanzigmal so hohes Sozialprodukt erwirtschaftete wie Ghana.
Schaffenskraft kann nicht belanglos sein für allgemeine Leistungsstandards. Unter der Palme liegen und warten, bis die Kokosnuss runterfällt, ist kein Startup. Dass Sambias rachitische Wirtschaft, so, wie sie ist, nicht sanierungsfähig ist, liegt vor allem daran, dass sie Kolonialzeiten unverändert vom Kupferbergbau abhängt. Ebenso wie die von Ghana vom Kakao und die des Senegal von Erdnüssen. Innovation wird überall kleingeschrieben.
Der erste Schritt zur Kapitalakkumulation
Jeffrey Sachs, der Direktor des „UN-Millennium-Projekts zur globalen Armutsbekämpfung“ hat ein simples und probates Modell für Afrikas Landwirtschaft entworfen, das auch für Handel und Industrie taugt: Ein Haushalt verkauft eine von vier Tonnen Mais, die er erwirtschaftet, auf dem Markt. Ebenso Eier und Wolle. Von dem Erlös kauft er Hühner, Schafe und einen Ochsen. Den Ochsen kann er als Zugtier benutzen. Dadurch verbessert er seine Ernteerträge. Das führt zu Kapitalakkumulation. Die Armen, so lehrt Sachs, bräuchten nur Hilfe, um die erste Sprosse der Entwicklungsleiter zu erklimmen. Danach könnten sie sich selbst helfen.
In einigen Ländern gibt es auch gute Ansätze für den wirtschaftlichen Fortschritt, unter anderem in Äthiopien, Ägypten, Marokko und Kenia. Etliche haben in den letzten zehn Jahren sogar einen respektablen Aufschwung hingelegt. Einen Pyrrhus-Fortschritt freilich, denn die Bevölkerungsexplosion macht jede Entwicklung platt. Wenn sie nicht gebremst wird, werden um die Mitte des Jahrhunderts zwischen Sahara und Kap zwei Milliarden Menschen leben, doppelt so viele wie heute. In Deutschland bringt eine Frau im Durchschnitt anderhalb Kinder zur Welt, im Horrorstaat Somalia sechs. Die Bevölkerung wächst doppelt so schnell wie die Zahl der Arbeitsplätze.
China und die Tigerstaaten haben vorgemacht, wie Geburtenkontrolle geht. Afrika bräuchte es nur nachzumachen. China hat mit seiner – wenn auch rabiaten – Ein-Kind-Politik das Problem gut in den Griff gekriegt. Südkorea, Thailand und Vietnam haben ihre Geburtenraten mehr als halbiert.
Afrika bleibt Afrika
Westliche Politiker trauen sich nicht, über den „human factor“ zu reden, weil sie fürchten müssen, dass sie was mit der Rassismuskeule übergebraten kriegen. Sie wollen ja nicht den Oberlehrer geben. Deshalb tickt die Bevölkerungsbombe weiter. Und Entwicklungspolitik bleibt die Domäne der Träumer und Schwafler.
Der englische Pastor Robert Malthus stellte im Revolutionsjahr 1789 die These auf, die Menschheit wachse exponentiell, die Nahrungsmittelproduktion aber nur linear. Sie steuere auf eine monströse Hungerkatastrophe (nightmare) zu. Deshalb solle sie ihren Geschlechtstrieb bremsen.
Nur der erste Teil der Prognose war richtig. Nach allen Hochrechnungen wird nämlich die Menschheit auch in hundert Jahren nicht hungern. Doch das verheerende Elend und die geringe Lebenserwartung in Afrika werden bleiben. Der Überdruck, so lehrte Malthus auch, werde sich in einer Massenemigration entladen. Damit scheint er Recht zu behalten. Und damit muss nicht Afrika fertig werden, sondern – vor allem wegen der Sogwirkung seiner Sozialsysteme – Europa.
Die afrikanischen Regierungen tun nichts gegen den überbordenden Babyboom. Unter den 55 Regierungen der "Afrikanischen Union" hat keine einzige die Geburtenkontrolle auf dem Zettel. Nigerias ehemaliger Staatspräsident Jonathan hat immerhin versucht, das Thema unter die Leute zu bringen. Das Echo war vernichtend. Muslimische und christliche Kleriker nannten ihn in seltener Einheit einen neokolonialistischen Volksverderber. Jonathan gab aber die Hoffnung nicht auf, offenbar weil er auf sein Credo vertraute: Er heißt mit Vornamen Goodluck.