Jesko Matthes / 18.12.2017 / 10:31 / Foto: Bildarchiv Pieterman / 23 / Seite ausdrucken

Elf Lacher und ein Tatort

Wir schwärmen für Wotan Wilke Möhring, meine Frau und ich, auch ihre beste Freundin und ihr Mann, mit denen wir den sonntäglichen „Tatort“ über uns ergehen ließen, nennen ihn zärtlich WoWiMö. Er ist immer so nachdenklich, so verletzlich, vor allem, wenn er die harten Kerle spielen muss, denn Nick Tschiller ist offenbar aufgrund seines durchschlagenden Erfolges bekanntlich gerade ausgefallen.

Und dass WoWiMö diesmal als Kommisar Falke im Zentrum des Rechtspopulismus ermittelt, dabei auch gegen eine linke, gar ex-rechte Aktivistin, stellt ihn gleich ins Zentrum der Hüter einer nachdenklichen, verletzlichen Demokratie wider den Extremismus. Wir lernen auch, dass linke, ex-rechte Aktivistinnen sexy sind, und dass Jugendliche eine Wehrmachts-Ordonanzwaffe, eine „Luger“ P08 Kaliber 7,65 bevorzugen, wie jene, deren Reste einst ein Kumpel von mir in völlig verrostetem Zustand nicht im „Darknet“, sondern auf dem Gebiet der ehemaligen Reichskanzlei fand – oder ist es doch eine 9-mm-Para?

Wie dem auch sei, am Ende ist WoWiMö schneller, wie in seiner wundervoll gebrochenen Rolle als am deutschen Wesen genesener Old Shatterhand. Gewalt ist ihm immer nur letztes Mittel, und so setzt er den finalen Kopfschuss ins Hirn der attraktiven Aktivistin, so dass die einem glatt leid tut, und er schreit – mit angemessener Verzögerung – nach Notarzt und Rettungswagen, der letzte echte Lacher dieses dunkeldeutschen Machwerks. Und Lacher, davon gibt es so einige in diesem „Tatort“.

In einem Multikulti-Stadtteil voller Harmonie aufgewachsen

Zunächst: das Übliche. Natürlich ist Kommissar Falke in einem Multikulti-Stadtteil voller Harmonie aufgewachsen, vor dreißig Jahren, als er sich dort als einziger Deutscher zum Boxsport angemeldet hat. Das nennt man Erfahrung, und das verschaffte ihm den nötigen Respekt. Mädels mit Kopftuch waren in diesem Sportstudio selbstverständlich seit jeher inkludiert – 1987 wahrscheinlich im Bikini, als Nummerngirls zwischen den einzelnen Boxkampfrunden, damals, als der spätere Kommissar noch im Ring stand. Immerhin: der zweite Lacher.

Nächster Lacher: Natürlich ist es gut für Deutschland, wenn man etwas gegen Populisten tut. Gehört der für die Sondierungen mit CDU und CSU kaltgestellte Sigmar Gabriel auch schon dazu, weil er über „Heimat“ und „Leitkultur“ nachdenkt?

Und weitere Lacher: In dem sauberen, dem hellen Deutschland des Kommisars Falke gibt dieser den finalen Schuss in Notwehr ab, völlig gefahrlos, auf eine Person, hinter der in seiner Schusslinie ihr jugendlicher Lover sitzt. Und Nachrichten gibt es natürlich nur mit dem echten Sprecher einer ÖRMA (öffentlich-rechtlichen Medienanstalt). Sie werden völlig authentisch in dem inzwischen ÖRMA-typischen, hohen, aufklärerischen Ton und mit dem verklärten, wasserklaren Blick knapp neben der Kamera vorgetragen, auf den Teleprompter.

Weitere Lachnummern folgen: Nur rechtspopulistische Politiker verdrehen Inhalte, verhalten sich unvorsichtig-kalkulierend, zynisch, konspirativ und korrupt, was also bei anderen demokratisch gewählten Parteien nie vorkommt.

Selbst am Ende dieses also völlig klischeefreien „Tatorts“ kommt man aus dem Lachen nicht heraus, nämlich über die überwiegend positiven Kritiken, sogar in der NZZ: Das geht ein bisschen auf Kosten der Spannung, (…) damit gelingt dem „Tatort“ ein wichtiges Stück Aktualität. So kann man es allerdings auch sehen: Es war langweilig, aber gerade deshalb pädagogisch wertvoll für uns dumme Fernsehkinder.

Maßstäbe werden woanders gesetzt

Ach, WoWiMö, warum lässt Du Dich für so eine Schmierenkomödie verheizen? Da lege ich lieber die DVD noch einmal ein, in der Du wirklich in aller Gebrochenheit glänztest, als harmloser Familienvater, von Skrupeln geplagter Mitwisser und am Ende, durch Suizid, unfreiwilliger Beschützer eines pädophilen Sexualmörders, der auch deshalb nicht erwischt wird, in dem düsteren Baran-bo-Odar-Film „Das letzte Schweigen", in dem die Polizisten so real sind, so nervös, so hilflos.

Die großartige, flapsig-augenzwinkernde Alwara Höfels steigt aus aus dem „Tatort“: "Unterschiedliche Auffassungen zum Arbeitsprozess und ein fehlender künstlerischer Konsens haben nach vielen Gesprächen diesbezüglich dazu geführt, dieses renommierte Format zu verlassen, da ich meine Verantwortung als Künstlerin ansonsten gefährdet sehe".

Alwara Höfels hat offensichtlich andere Vorstellungen und Ziele als die, zweitklassige, unfreiwillig komische Unterhaltungskrimis über erstklassig gewählte und dann grandios verfehlte Themen zu drehen. Auch das ist die Verantwortung des Künstlers.

Foto: Bildarchiv Pieterman

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Leserpost

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gottfried meier / 18.12.2017

Sogar meine Frau, eine leidenschaftliche Tartortguckerin, hat mich um 21.00 Uhr gebeten, was anderes herzuschalten. ” Den Schmarrn kann sich doch niemand anschauen!” Eine größere Freude hätte sie mir gestern nicht machen können.

Martin Landvoigt / 18.12.2017

Ich habe den Tatort nicht gesehen, sondern nur die Kritiken gelesen. Aber fehlt mir da was? Ich denke nein. Zu vorhersehbar ist das Narrativ, dass eben eine politische Stimmungsmache ist.  Sollten politische Themen tabu in Krimis und Unterhaltungssendungen sein? Ich denke nicht. Auch der Proporz, wer da durch den Kakao gezogen wird, kann man bestimmt nicht fordern. Immerhin hatte ja auch ein James Bond - z.B. bei einem ‘Quantum Trost’ ja einen erzgrünen Bösewicht. Aber der wurde ja auch nicht in Deutschland gemacht. Hier wirkt das ganze doch eher diffamierend, da man der Merkel-Partei eben keine Heuchelei mehr vorwirft, den Grünen skrupellose Klientel-Politik, der SPD Substanzlosigkeit und den linken ein seltsam geläutertes Verhältnis zu den Menschenrechten, nach ihrer SED-Wende. Das alles würde man in einem Tatort eher nicht erwarten. Dagegen ist die Konstruktion eines negativen AfD-Bildes politisch allzu opportun. Man hat keine Skrupel, sich als Staatsfernsehen der Volkserziehung und Lenkung zu gerieren.

Klaus Klinner / 18.12.2017

Dieser Erziehungstatort war einfach nur zum Fremdschämen.

Fellechner,Klaus / 18.12.2017

Ich verstehe die Empörung gar nicht.Die GEZ Zuschauer bekommen das was sie gewählt haben. Die Republik driftet in immer schnelleren Tempo nach links! Alle klatschen für den Verrat an unsere Kultur,an unsere Lebensart,an unsere Zukunft.Unsere Sicherheit im täglichen Leben ist nicht mehr gegeben,was solls,dafür ist die Republik bunter geworden und das ist “gut so”! Wir strotzen vor Humanität und tragen unsere Schuld ab,wir sind tolerant gegenüber intoleranten und begreifen nicht, die Armut der Welt können wir in Deutschland nicht beenden. Wir werden vom Islam verächtlich als Ungläubige bezeichnet,die man als gläubiger Moslem vernichten muss aber nein, das sind nur die Islamisten.Es gibt keinen modernen Koran,also auch keine aufgeklärten gläubige Muslime. Es gibt keinen Islamismus,es gibt nur den Islam,wer das nicht erkennt,kann auch keine vernünftige Politik für Deutschland machen! Deutschland ist ein unsicheres Land,wer das Gegenteil behauptet soll die täglichen Meldungen der regionalen Presse lesen.

Marcel Seiler / 18.12.2017

Den Tatort habe ich nicht gesehen. Dass die Neue Zürcher Zeitung diesen Tatort gut findet, wundert mich nicht (leider); die NZZ äußert sich oft gegen “Populisten” und “Vereinfacher”, und meint damit nicht Frau Merkel und die 80% des Bundestages, die nicht AfD sind.

Peter Bauch / 18.12.2017

WoWiMö -wessen Brot ich eß, dessen Lied ich sing.

Klaus Blankenhagel / 18.12.2017

Wotan wilke Moehring an Merkel: Auftrag erfuellt Genossin Vorsitzende…

Martin Rhoese / 18.12.2017

„Unterschiedliche Auffassungen zum Arbeitsprozess und ein fehlender künstlerischer Konsens haben nach vielen Gesprächen diesbezüglich dazu geführt, dieses renommierte Format zu verlassen, da ich meine Verantwortung als Künstlerin ansonsten gefährdet sehe“. So erklärt Alwara Höfels ihren Ausstieg aus dem “Tatort”. Angesichts holzschnittartiger, klischeebeladener Handlungen (sofern man überhaupt von Handlungen sprechen kann), wie wir sie auch in diesem aktuellen Krimibeitrag wieder einmal bewundern dürfen, wundert es, dass nicht andere ihr folgen. Und dann sind da jene Schaupieler und -innen, die uns durch ihre unsäglichen “Bemerkungen” via Twitter oder andernorts politische Weisheiten vermitteln. Nein, es muß anders laufen: stringente Handlungen und gute Schauspieler, die sich in der Tat als Künstler verstehen und nicht nur als Gagen-Empfänger mit geringer Kernkompetenz und gleichzeitig vorhandenem Drang zum Sich-Äußern zu Themen, von denen sie wenig bis nichts verstehen.

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