Richard Wagner / 20.12.2011 / 18:12 / 0 / Seite ausdrucken

Wulffs Generation Zweites Glück

Eigentlich ist er der Grüßonkel der Republik. Keiner hat weniger Macht im Staate, heißt es. Und doch empfängt er die Mächtigen der Welt, und sie empfangen ihn. Die Republik schmückt sich gerne mit dem abwählbaren Monarchen an ihrer Spitze. Das ist nicht nur in Deutschland so, aber so deutlich wie in Deutschland ist es nirgends. Es ist als rufe einer stets dazwischen. Es ist, als rufe er: Nie wieder Hindenburg!

Damit hätten wir ein weiteres Mal den Abgrund der deutschen Geschichte erreicht, aber dort wollten wir gar nicht erst hin. Wir wollten bloß über den Bundespräsidenten sprechen, und zwar über sein Amt, dass die Verfassung für Repräsentationsaufgaben vorgesehen hat. Es ist aber dann doch nicht allein die Repräsentation, die seine Rolle ausmacht. Es geht manchmal auch um seine Unterschrift. Er hat die Gesetze zu unterschreiben, die ihm vorgelegt werden, damit sie in Kraft treten können. Er kann vielleicht da und dort meckern, aber er steht dann gleich gegen die Kletter-Wand der politischen Klasse, und schon gilt seine Kritik als unverhältnismäßig   Das weiß man, auch seine Mitarbeiter wissen es. In der Regel kommt ein Bundespräsident seiner Rolle nach, fügt sich in die politische Routine ein. Diese Kunst der unauffälligen Zählpräsenz beherrscht im Grunde die Mehrheit der politischen Klasse. Leider sind es so genannte Hinterbänkler, die sonst nichts mehr im Auge haben, außer dem Sitzfleisch.. Es gibt in den Parlamenten – daran sewi vorsichtig erinnert - nicht nur Links und Rechts, sondern auch vorne und hinten. Der Abstand zwischen vorne und hinten kann sogar größer sein als der zwischen links und rechts.

Nur selten fällt vor diesem Hintergrund, der auch als Drohkulisse wahrgenommen wird ,einer aus dem Rahmen oder gar aus seiner Rolle. Statt dessen kultivierten die meisten ein paar Eigenheiten, gaben sich gelegentlich ein bisschen intellektuell, versuchten nicht zuletzt den Parteisoldaten zu verbergen.

Einer sang auch schon mal Volkslieder und kam mit Chor und Hoch auf dem gelben Wagen in die Charts. Ein anderer ging mit seinen Mitarbeitern regelmäßig wandern. Er schätzte wohl das Mittelgebirge. Und einer wurde zur Lachnummer der Nation, mit einer linken Schallplatte, die seine spät erkannten Symptome einer schweren Krankheit zynisch überspielte. Es war einer der Tiefpunkte der deutschen Nachkriegsöffentlichkeit.
  Seither ist nicht alles anders, dafür aber verklausulierter geworden. Wulff allerdings hatte nicht viel zu befürchten, mit Lübke war bereits sein Vorgänger Köhler verglichen worden
Über ihn war bekannt, zumindest wurde es in journalistischen Kreisen so kolportiert, dass er das Kanzleramt anstrebe. Er galt, zusammen mit Friedrich Merz und Roland Koch, als einer der Amtsrebellen, die Angela Merkel die Kanzlerschaft streitig machen würden. Erwiesen ist so gut wie nichts, aber das änderte gar nichts In der Politik ist die Macht des Gerüchts weitaus größer als die der Wirklichkeit. Politiker haben längst herausgefunden, wie man damit in eigener Sache spielen kann.
  Friedrich Merz und Roland Koch an der Staatskonsole. Das war einmal. Jetzt haben wir eine Kanzlerinnen- Demokratie und die Konkurrenz ist buchstäblich verschwunden als Berater in die Wirtschaft, wie es heißt. Nur nicht weiter fragen, zumindest an dieser Stelle nicht, was eigentlich eine Beratung in der Wirtschaft bedeutet, und worin sie besteht.
  Vielleicht ist es ja auch so, dass Unternehmer und Politiker nicht ohne einander auskommen. Vielleicht spielen sie auch ab und zu nur Golf miteinander, weil sie sich sonst noch mehr langweilen,  wie bei sieben Regentagen und dann folgt auch noch der Aktienkurs, peinlich.
  Wer vermag am Ende eines solchen Tages zu sagen, woher das Geld gekommen ist .Wulff gehört einer neuen Generation von Politikern in der CDU an, es ist die Generation Zweites Glück,  die Erlebnisgesellschaft hat auch diese Partei erreicht und ihre pragmatische Vorsitzende hat die Modernisierung der Partei für sich zu nutzen gewusst. Bei Angela Merkel denkt man weder an das Christentum noch an die Moderne. Sie, die Pfarrerstochter aus dem Osten ist frei vom Hegelschen Geist.  Aus ihr spricht gerne die Volkspartei mit ermutigenden Worten
  Angela Merkel hat ihren Wulff aus Hannover weg gelobt. Sie hat ihn zum Bundespräsidenten gemacht, entgegen den anders lautenden Sympathien und Erwartungen in der Öffentlichkeit. Diese fand den Gegenkandidaten, einen Ostpastor der Wendezeit, angemessener.
  Wulffs Einzug in das Schloß Bellevue war ein Sieg der politischen Klasse über die Öffentlichkeit Die Politische Klasse ist in der Bundesrepublik längst zu einer eigenständigen Schicht geworden, der Menschen angehören, die nicht nur der Parteienstreit verbindet sondern die Interessen des eigenen politischen Überlebens. Die Politische Klasse ist Ausdruck des Niedergangs der demokratischen Ordnung. Bezeichnend ist, dass diese Leute sich für gewählt halten wobei schon eine schlichte Rechnung von Wahlbeteiligung und Parteien Vergleich ergibt, dass eine Mehrheit sie gar nicht gewählt haben kann, weil alles zusammen keine Mehrheit ergibt. Jede Regierung in der Bundesrepublik ist eine Koalitionsregierung, was nichts anderes heißt als dass sie eine künstliche Mehrheit durch den Zusammenschluss von zwei Minderheiten herbeiführt.

Wulff versucht den Mangel an Format durch politisch korrekte Umtriebigkeiten zu konterkarrieren. Er ist weder der Weihnachtsmann noch die DHL. Das politisch korrekte ist eine geradezu unerlaubte Form der öffentlichen Frechheit. So wird der Präsident der staatlich abgesetzten Festkostenträger von den Marterln des Fortschritts für seine Osnabrücker Abdrücker ausgiebig gelobt. Zum Beispiel dafür, dass er gesagt hat, der Islam gehöre zur Deutschland.

Dafür hätte er sich selbst das Bundesverdienstkreuz anheften können.
Damit erwies er sich nicht zum ersten mal als Jakob der Dampfplauderer. Schon als Ministerpräsident in Hannover hat er eine vorbildlich integrierte Türkin zur Ministerin werden lassen. Ihre Amtseinführung gestaltete sich seinerzeit wie eine Provinzausgabe des Berlin-Kreuzberger Karnevals der Kulturen. Mehr war es auch nicht, wie sich bald herausstellen sollte, denn unter den ersten originellen Einfällen, die die Ministerin von Wulffs Gnaden aus den Erkenntnissen der Edition Unseld gezogen hatte, war ein Papier zum kulturengerechten Sprachgebrauch des Deutschen

Wulff kann es mit dem Islam halten, wie er will, privat. In seiner Amtsäußerung hatte die Anmerkung nichts zu suchen, sie steht nicht in der Verfassung. Und, das was nicht in der Verfassung steht, hat der Bundespräsident, auch wenn er der Grüßonkel sein sollte, nicht anderslautend zu vermelden. Er ist schließlich nicht der Pausen-Clown.
  In solchen Situationen ist immer gleich die Rücktrittsforderung parat. Das ist falsch. Die Rücktrittsforderung an die Politik ist zum Sport des Hauptstadtjournalismus geworden.
  Wulffs Problem besteht vor allem darin, dass er meint, ein Modernisierer zu sein, und das Modernisieren in der Verwandlung von Politik in spielerische Parolen des Guten versteht. Der Mythos der Generationen hat in Deutschland schon viel Schaden angerichtet. Auch die CDU ist mit dem Problem noch lange nicht fertig. Wie soll das nur gehen? Der Bundespräsident tanzt und alle sollen wegschauen. Nein, das geht wirklich nicht.Ein Kongress muss her. Ein tanzwürdiger. Damit der Wutbürger emdlich zu Zuge kommt. Zum Swing!

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