Es gibt ein schönes altgriechisches Wort für das neugriechische Problem der Euro-Zone. Es heißt Dilemma.
Ein Dilemma ist eine zweigliedrige Annahme, einfacher gesagt: eine Zwickmühle. Ganz gleich, welcher Annahme man folgt, oder welchen Zug man macht: Das Ergebnis ist immer das gleiche: unerwünscht bis desaströs.
Wären wir in Amerika und ginge es um den Dollar, würden wir mit Joseph Heller von “Catch-22” sprechen. Sind wir aber nicht und geht es nicht.
Wir sind in Europa und wir müssen feststellen: Es gibt keinen einfachen Ausweg aus einem Dilemma, auch wenn es so scheinen mag. Griechenland müsste ja nur aufhören, über seine Verhältnisse zu leben, schön sparen und in Zukunft der Versuchung einer allzu kreativen Buchführung widerstehen. Dann würden sich nach und nach das Land, die Finanzwelt und der Euro beruhigen.
Schön wär’s. Das Land beruhigt sich ganz und gar nicht. Im Gegenteil: Die Griechen stürmen die Straßen und haben dafür ein ganzes Bündel Gründe. Da ist die ungeahndete Erschießung eines jungen Mannes durch die Polizei. Da sind die jahrelange Misswirtschaft, der allzu reichliche Korruptionsgenuss in den oberen Etagen, und die mageren Zukunftsaussichten der kleinen Leute und der jungen Mittelschichtler. Und jetzt drohen in der Misere auch noch die Sparmaßnahmen wegen der Eurokrise. Wen treibt es da nicht auf die Straße!
Bleiben wir griechisch: Zwischen Skylla und Charybdis, also zwischen zwei (See-)Ungeheuern darf Regierungschef Papandreou wählen, nämlich zwischen dem drastischen, von den stabileren Euro-Ländern verordneten Spar- und Diätkurs und der demonstrierenden und zündelnden Masse auf der Straße; zwischen Ärger mit Brüssel und Zoff in Athen.
Ach, hätte man doch früher ein bisschen ordentlicher gearbeitet, die Freuden der Korruption öfter mal ausgelassen und dafür gesorgt, dass die Griechen auch das verdienen, was sie sich genehmigen, was nicht viel ist, aber offenbar doch zu viel. Mit anderen Worten: Wäre man doch nicht gar so griechisch gewesen, auch wenn’s schön ist und Spaß macht.
Aber es gibt ja noch ein Ach: Ach, hätten die Griechen ihre Sorgen doch allein! Wie weit weg wäre die Ägäis, wenn die griechische Krise uns Mitteleuropäer nicht mit in den Strudel zöge. Hätte man in Brüssel doch damals ein bisschen genauer hingeschaut, ehe man die Griechen in den Euro-Klub holte, anstatt sich von klassischer Europaromantik leiten zu lassen. Und hätte man den Griechen dann wenigstens kritischer in die Bücher geschaut, nachdem man sie nun mal reingelassen hat.
Zu spät, das Lamentieren hilft nicht mehr. Hilft, im Rückblick auf Fasching, Fastnacht und Karneval vielleicht ein bisschen Prunksitzungshumor?
Denn offenbar hat man ja die Fastnachtsfrage “Da drauße stehe e paar Grieche, wolle mer se heroilasse?” zu schnell und wohl auch ein wenig benebelt mit “ja” beantwortet. Und dann hat man festgestellt, dass ihr Auftritt ein schlechter Witz war, der dem ganzen Saal auf die Stimmung schlug. Und die Folge ist, dass sich das Publikum nun ernüchtert umschaut und fragt: Kommen vielleicht noch mehr so flaue Nummern? Und siehe da: Portugal, Spanien, Italien und Irland machen ebenfalls einen verdächtig stimmungstötenden Eindruck.
Jetzt, am Aschermittwoch ist leider nicht alles vorbei. Jetzt lautet die Frage: Wolle mer se hänge lasse oder wolle mer se rette? Das klingt, so formuliert, nicht nach einem Dilemma, ist aber eins. Und zwar diesmal ein europäisches. Die Griechen hängenlassen kann in ein Euro-Desaster führen; gutes europäisches Geld dem schlechten griechischen Geld hinterher werfen, sieht ebenfalls wie ein Weg ins Unglück aus.
Wir haben also zwei Dilemmas oder Dilemmata, je nachdem, wie klassisch man es gerne hat. Und bleiben wir klassisch, um der Gefahr eines Rückfalls ins Määnzerische zu entgehen, und fragen wir uns: Was macht man, wenn man zwischen Skylla und Charybdis gerät? Gibt es wirklich keine Rettunrg? Doch, eine sehr politische. Sie heißt: Augen zu und durch. Und hinterher schauen, ob man mit halbwegs heiler Haut davongekommen ist. (Odysseus hat es damals geschafft, aber ein paar seiner Kumpel sind auf der Strecke geblieben.)
So ist das. Wenn man vorher nicht schaut, muss man halt hinterher schauen, ob man noch lebt. Das ist kein Dilemma sondern Glücksache oder Pechsache. Aber schön ist es auch nicht.