Das „Kuratorium Deutsche Einheit“ würdigt seit 2005 Persönlichkeiten, die sich um die Deutsche und Europäische Einheit maßgeblich verdient gemacht haben. Die Liste ist schon lang und zeigt, wer bereits alles von den Großen dieser Welt seine Schritte in das Herz Deutschlands zwischen Hessen und Thüringen, zwischen Rasdorf und Geisa, gehen durfte.
George Bush sen., Michail Gorbatschow, Helmut Kohl, Vaclav Havel, die Bürgerrechtsbewegung der DDR, Helmut Schmidt, Felipe Gonzales, Lech Walesa, Miklos Nemeth, Wolfgang Schäuble, Richard Schröder, sie alle stehen für wichtige deutsche und europäische Wegemarken und bekamen den „Point Alpha Preis“ in Anerkennung ihrer Person und in Würdigung der politischen Entwicklungen, für die sie in den Geschichtsbüchern zu Recht stehen. Miklos Nemeth bewies 2014 zusätzlich sein ungarisches Sangestalent und zeigte auf diese Weise damit auch den Menschen, der immer hinter einer zeitgeschichtlichen Person steckt.
Nun also Wolf Biermann im Point Alpha 2017. Das wurde Zeit. Mit Wolf Biermann kommen am 17. Juni beinahe unzählige Aspekte kritischen Lebens in einer Diktatur, waghalsiger Mut, politische Findungsprozesse eines Kommunisten zu einem Demokraten, der schon lange genau weiß, ein Demokrat kann weder Kommunist noch Nationalsozialist sein, im Spiegelbild eines nunmehr 80jährigem Jahrhundertlebens in das grüne Herz Deutschlands.
Wolf Biermann steht aber noch für etwas ganz anderes, zu Unrecht völlig Unterbelichtetes: In Wolf Biermann kristallisiert sich auch der politische Widerstand, der aus dem Kasernensozialismus der DDR entwich, sei es aus freiem Willen oder per Ausbürgerung. Dieser Widerstand gehört genauso maßgeblich in die Aufzählung historischer Zusammenhänge, die den Untergang des Kommunismus bewirkten. Waren die Oppositionellen die, die DDR innerlich verunsicherten, so waren die Anderen die diese DDR vor aller Welt als Gefängnis der eigenen Bevölkerung blamierten. An beiden siechte die DDR mit Hilfe Gorbatschows Unwillen, die Panzer in Bewegung zu setzen, in ihr Ende hinein.
Wolf Biermann ist ein Rammbock im besten Sinne
Die Flüchtlinge, die Freigekauften, die an der Lagergrenze des Ostblocks Ermordeten, die Ausreisewilligen mit ihren weißen Fähnchen an den Trabant- und Wartburgantennen, sie alle sind zugleich mit den Protagonisten, Oppositionsgruppen und den Demonstranten der Friedlichen Revolution in einem Atemzug zu nennen. Beide, der Widerstand durch Todesmut und Flucht und der Widerstand in Gruppen und Netzwerken, waren Teil des erfolgreichen Rammbocks in die Festungsmauern des Kommunismus. Wolf Biermann ist so ein Rammbock im besten Sinne.
Die Stiftung „Point Alpha“ steht genau für diesen Ansatz des Widerstehens gegen die Unfreiheit und des Schutzes der Freiheit. Zwischen Rasdorf/Hessen und Geisa/Thüringen standen sich das westliche Verteidigungsbündnis und der sowjetkoloniale Warschauer Pakt unversöhnlich gegenüber. Sollte der Warschauer Pakt den Westen überrollen wollen, mit hoher Wahrscheinlichkeit wäre ein Angriff im Fulda GAP erfolgt.
Es war mit Berthold Dücker ein DDR-Flüchtling, der nach Friedlicher Revolution, Deutscher Einheit und dem Ende der Blockkonfrontation die wunderbare Idee hatte, diesen möglichen Ausgangspunkt einer Konfrontation zwischen Demokratie und Diktatur der Nachwelt zu erhalten: Nie wieder Diktatur in Deutschland, nie wieder Mauer. Stacheldraht, Schießbefehl und nie wieder eine politische Geheimpolizei wie Gestapo oder MfS!
Berthold Dücker fand viele Mitstreiter und aus seiner Idee vom Point Alpha ist mit deren Engagement längst das Glanzlicht „Point Alpha Stiftung“ geworden. Wolf Biermann passt sowas von gut dazu!
„Warte nicht auf bessre Zeiten!“ – Wolf Biermanns Autobiographie ist ein Spiegel unseres Lebens in Ostdeutschland, in Westdeutschland, im vereinigten Deutschland inmitten Europas. Die Lektüre lohnt. Ein Zitat von Seite 526 möchte ich bringen:
„Seitdem habe ich begriffen, wie hochmütig mein Spott auf die bürgerliche Demokratie war. Sie ist das am wenigsten Unmenschliche, was wir Menschen als Gesellschaftsmodell bisher erfunden und ausprobiert haben. Mich beeindruckt auch diese Tatsache: Es hat so gut wie nie in der Weltgeschichte einen Krieg zwischen zwei Demokratien gegeben. Dabei kann die Demokratie auch unerträglich sein, wie Winston Churchill fand, denn wer gewählt werden will, muss leider immer wieder auch genügend Stimmen vom dämlichsten Pack ergattern. Der gefeierte britische Staatsmann verlor die Wahlen ausgerechnet, nachdem er sein Vaterland im Krieg gegen Hitler zum Siege geführt hatte. Und wie er es realistisch versprochen hatte: mit nichts als mit Blut, Mühsal, Tränen und Schweiß. Es wird niemals ein Gemeinwesen geben, das alle Menschen glücklich macht. Aber die schlechteste Demokratie ist unendlich viel besser als die beste Diktatur.“
Lieber Herr Biermann, nicht nur ich gratuliere Ihnen zum Point Alpha Preis 2017. Im Namen des Kuratoriums „Deutsche Einheit“, dessen Mitglied ich sein darf, tat dies ja bereits unsere Präsidentin Christine Lieberknecht.
Alles Gute und wir warten, was Sie angeht, weiterhin auf noch bessre Zeiten. Beginnen Sie doch gleich damit am 17. Juni im Camp Point Alpha. Nicht nur ich werde lauschen, was da wohl alles kommen mag.
Achse-Autor Gunter Weißgerber ist Mitglied des "Kuratorium Deutsche Einheit"