Michael Miersch / 30.03.2014 / 13:15 / 0 / Seite ausdrucken

Wohlstands-Humbug killt Nashörner

Interview mit dem Naturschutzexperten Rolf Baldus*

Herr Baldus, Sie kommen gerade aus dem Selous-Wildschutzgebiet zurück. Was hat sich verändert, seit der Zeit von 1987 bis 2005, in der sie dort als Berater und Wildhüter arbeiteten?

Am meisten fällt der Rückgang der Elefanten ins Auge: von 70.000 in 2005 auf etwa 13.000 heute. Verantwortlich ist die Wilderei. Sie wurde möglich, weil die Effektivität des Managements im Reservat zwischenzeitlich wieder auf das Niveau der achtziger Jahre zurück gefallen war. “Zurück auf Start” würde man beim “Mensch-Ärger-Dich-nicht!” sagen. Ein wesentlicher Grund: Zu meiner Zeit konnte der Selous die Hälfte der Einnahmen aus Jagd und Tourismus einbehalten. Wir haben damit das Management finanziert. Als die tansanische Regierung wieder auf die geringe Finanzierung aus dem Staatshaushalt umstieg, begann der Niedergang.

Viele afrikanische Staaten verzeichnen ein erfreuliches Wirtschaftswachstum. Die UN sagt, dass die Armut abnimmt. Warum kommt es gerade jetzt wieder zu einer Welle der Wilderei?

Weniger Armut führt nicht notwendigerweise zu einem besseren Schutz gefährdeter Tierarten. Und bei denen, die im Busch die schmutzige Arbeit machen, ist der Wohlstand ohnehin nicht angekommen. Die extrem gestiegene Wilderei hat wohl mehr mit dem wachsenden Wohlstand in Asien zu tun. Die Nachfrage nach prestigebehafteten Luxusgütern wie Elfenbein und Nashorn ist dort extrem gestiegen.

Ähnelt die Situation der Elfenbein- und Nashorn-Krise Anfang der 90er-Jahre oder gibt es bedeutende Unterscheide?

Es ist einfach viel schlimmer. Im Selous bis zu 7.000 toten Elefanten pro Jahr, in Afrika 20 bis 30.000, so die Berechnungen. Die Liefermengen und die einzelnen Lieferungen nach Asien sind viel größer geworden. Hinzu kommen neuerdings Knochen von Raubtieren, Schuppentiere usw. Der illegale Transport des Elfenbeins und Nashorns nach Asien ist perfektioniert worden. Auslandschinesen sind oft beteiligt, das wissen wir aus gelegentlichen Beschlagnahmungen.

Wer sind die Wilderer und wo kommen sie her?

Das ist von Land zu Land sehr unterschiedlich. Im östlichen Afrika stammen die Wilddiebe meist aus den Dörfern vor Ort. In Zentralafrika kommen sie auf Pferden und Kamelen aus dem weiten entfernten Sudan. In Bürgerkriegsländern sind es die regulären Armeen und die Rebellen gleichermaßen. In Südafrika sind es manchmal Veterinäre und Spezialisten, die mit modernster Technik arbeiten. Der durchschnittliche Wilderer ist wie ein Guerillero: Wenn er die Unterstützung der Bevölkerung nicht hat, dann kann er wenig ausrichten.

Welche Rolle spielt die Nachfrage in Asien?

Die kaufkräftige Nachfrage schafft sich ihr Angebot. Die Preise sind in den letzten Jahren wesentlich gestiegen. Trotz mancher Lippenbekenntnisse oder ein bisschen Schaumschlägerei, wie z.B. die sinnlose Verbrennung von ein paar Stosszähnen, haben die wichtigsten asiatischen Nachfrageländer bislang nur wenig getan, um die illegalen Importe zu unterbinden. Immerhin wird inzwischen darüber verhandelt.

Warum steigt die Nachfrage gerade jetzt wieder an?

Nashorn wird in Asien als Medikament gegen vielerlei Gebrechen betrachtet. Die Wirksamkeit ist wissenschaftlich nicht nachweisbar. Das ist Glaubenssache, auch bei uns. Und in China beruht dies auf alten Traditionen. Wachsender Wohlstand führt zu besserer medizinischer Versorgung, offenbar auch zu wachsendem Verbrauch traditioneller Medizin. China hat übrigens in den letzten Jahren viele Nashörner aus Südafrika importiert. Wahrscheinlich wird man bald selbst produzieren. Das Horn wächst nach und lässt sich auch vom lebenden Tier „ernten“. Nichts spricht dafür, dass man die Naturmedizin auf Kosten bedrohter Tiere unterbinden will. Den Versuch, in Asien über die Zusammenhänge aufzuklären, sollte man dennoch unternehmen.

Seit Jahren wird unter Naturschützern gestritten, ob ein totales Jagdverbot das bessere Schutzinstrument ist, oder ob legale Jagd der Wilderei den Boden entzieht. Was hat sich in der Praxis besser bewährt?

Ernsthaften Naturschützer stimmen darin überein, dass eine kontrollierte und nachhaltige Jagd, deren Erträge in den Schutz und an die Bevölkerung vor Ort fließen, hilfreich ist. Die Praxis hat dies bewiesen. Die Weltnaturschutzunion IUCN hat kürzlich ein Politikdokument vorgelegt, in dem dies klar gesagt wird. Wir handeln ja in Deutschland genau so. Ein totales Jagdverbot wäre doch kontraproduktiv für den Schutz gefährdeter Arten und würde die Landbesitzer und Landwirte hart treffen. Warum soll das in Afrika anders sein? Kenia hat die Jagd vor 35 Jahren verboten und seitdem drei Viertel seiner Wildbestände verloren. Das ist nicht gerade eine Erfolgsstory. Jagdverbote fordern nur die Tierrechtler. Sie sagen aber nur, was nicht getan werden darf. Wie wirksamer Naturschutz stattdessen aussehen soll, lassen sie offen. 

Elefanten gibt es immer noch Tausende, aber wie sieht es mit den beiden afrikanischen Nashornarten aus? Stehen die kurz vor dem Aussterben?

Das Spitzmaulnashorn wird wohl in weiteren Ländern aussterben. Diese Tierart ist übrigens seit drei Jahrzehnten Jahren streng geschützt, offensichtlich ohne Erfolg. Dies spricht wohl kaum für Totalschutz. Das Breitmaulnashorn war vor hundert Jahren so gut wie ausgestorben. Eine kluge Kombination von Schutz und Bejagung, staatlichem und privatem Eigentum hat die Tierart in Südafrika gerettet. Über 20.000 Tiere gibt es dort. 5 Prozent davon wurden im letzten Jahr gewildert, etwa soviel wie nachwächst. Ich bin zuversichtlich, dass die Südafrikaner das Problem in den Griff bekommen.

Manche Ökonomen empfehlen, legalen Elfenbeinhandel zuzulassen, um den Schwarzmarkt auszutrocknen. Andere sagen, gerade dies heize den Schwarzmarkt an? In Südafrika gibt es sogar Nashorn-Farmen, die das in Asien begehrte Horn legal verkaufen wollen. Ist was dran an solchen Konzepten?

Langfristige Lösungen müssen am Markt Bestand haben. Gegen den Markt kann auch der Naturschützer auf Dauer nicht gewinnen. Ohne nachhaltige Nutzung und Handel lassen sich die charismatischen Tierarten nicht für die Zukunft bewahren. Warum sollten Private in Südafrika Nashörner züchten, wenn sie das Horn auf Dauer nicht verkaufen können? Im Augenblick stehen aber die kurzfristige Aufgaben im Vordergrund: Die Wilderei stoppen und den illegalen Handel unterbinden.

Welche Maßnahmen müssen jetzt dringend ergriffen werden, um die Wilderei im Selous-Schutzgebiet und anderswo einzudämmen.

Die vielen internationalen Gipfelkonferenzen haben das Bewusstsein in der hohen Politik geschärft, dass internationale Absprachen und Kontrollinstrumente unabdingbar sind. Man muss die Ausfuhr- und die Einfuhrfuhrländer dazu bringen, endlich wirksame Maßnahmen zu ergreifen. Was getan werden muss, ist bekannt. Man müsste es nur tun. Beispiele: Vor Ort die Wildhüter ausrüsten, ausbilden und von vorne führen. Oder Null Toleranz gegenüber erwischten Wilderern und Schmugglern, auch wenn das VIPs sind! Dabei steht überall die Korruption im Wege, eine Geisel unserer Zeit. Und nicht zu vergessen: Das kostet alles viel Geld und zwar auf Dauer. Leider haben die Gipfelkonferenzen dazu nichts gesagt.

Was könnte Deutschland dafür tun?

Ich bin sehr froh, dass sich Deutschland im nächsten Jahr mit acht Millionen Euro wieder im Selous engagieren wird. Nötig ist zusätzlich ein Sofortprogramm, um die Wilderei, die dort auch in dieser Woche weiter geht, zu stoppen. Wir brauchen dafür eine knappe halbe Million Euro, jetzt und heute. Ich selbst bereite gerade einen Anti-Wildereigipfel des Internationalen Jagdrates (CIC) Mitte April in Mailand mit vor, der die Jäger einbinden soll. Sie sind vor Ort aktiv und können eine wichtige Rolle spielen. Alle Gruppen müssen jetzt zusammen arbeiten.

* Dr. Rolf Baldus hat 13 Jahre als Berater im Wildschutz und beim Aufbau von Naturschutzgebieten in Tansania gearbeitet. Als Referatsleiter war er im BMZ und im Bundeskanzleramt in Bonn tätig

Website: http://www.wildlife-Baldus.com

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