Burkhard Müller-Ullrich / 11.08.2017 / 06:09 / Foto: Jim Rees / 6 / Seite ausdrucken

Windei mit Fernsteuerung

Verdammt, die Wahl kommt immer näher. Was tun – als Politiker, der gewählt oder sogar wiedergewählt werden will? Die heißen Themen möchte niemand aufgreifen; deswegen muß dringend etwas anderes her, um das dröhnende Schweigen zu übertönen. Fipronil-Eier sind schon nicht schlecht, aber ob die sich bis Ende September bebrüten lassen? Auch die Dieselsache dieselt sicher weiter, aber da sind soviele Politiker, die gewählt oder sogar wiedergewählt werden wollen, drin verstrickt. Herrgott nochmal, es wird sich doch was finden lassen, was einerseits den Leuten richtig Angst macht und andererseits zeigt, daß sich die Politiker richtig energisch darum kümmern.

Irgendwas mit Internet! Das läuft sogar im Sommer, wenn die meisten nichts von politischen Problemen hören wollen. Das Internet – oder sagen wir lieber geschwollen: „informationstechnische Systeme“ - ist ja ein rätselvoller und gefährlicher Bereich. Jeder ahnt, jedem schwant, daß Fortschritt und Kriminalität hier nahtlos ineinander fließen. Schon das Wort „Bot-Netze“ jagt uns einen Schauer nach dem anderen über den Rücken, „fernsteuerbare Zombie-Computer“, wie es in der Bundestagsdrucksache 18/10182 heißt. Das ist mehr als Neuland, das ist Grusel-Land!

Allerdings ist dieses Reich des Bösen, wie man aus dem Adjektiv „fernsteuerbar“ ersehen kann, meist weit entfernt. Und zwar mindestens so weit, daß die bösen Bots ihre Netze außerhalb des Geltungsbereichs des deutschen Strafgesetzbuchs knüpfen. Daher ist es den informationstechnischen Systemhalunken ziemlich egal, ob das deutsche Strafgesetz einen Paragraphen 202e hinzugefügt bekommt, der solche Zombie-Tatbestände ausdrücklich verbietet.

Mit der Ausdrücklichkeit hapert es übrigens wie bei so vielen Gesetzestexten und Gesetzesvorschlägen: Nach dem jetzt vorliegenden Entwurf wäre das unbefugte Einschalten eines nicht PIN-gesicherten Handys, das – sagen wir – irgendwo herumlag, eine Straftat, während das unbefugte Aufschlagen und Lesen eines fremden Notiz- oder Tagebuchs immer noch straflos bleibt. Immer vorausgesetzt, daß kein Diebstahl vorliegt, denn der wäre sowieso ein Fall für die Strafjustiz.

Nun sollte man berücksichtigen, daß die Aufklärungsquote der hierzulande epidemisch gewordenen Diebstähle im einstelligen Prozentbereich liegt. Die Wahrscheinlichkeit, daß ein Dieb auch wirklich verurteilt wird und im Gefängnis landet, ist noch viel geringer. Übertragen wir dieses armselige Verhältnis, wo Täter und Opfer Nahkontakt hatten, auf die Cyberkriminalität, wo zwischen Tätern und Opfern Tausende von Kilometern liegen, dann sehen wir: Es handelt sich bei dem Gesetzesprojekt um ein politisches Windei – egal ob mit oder ohne Fipronil. Sollten unsere Parlamentarier unbedingt ein Spielfeld für ihren Handlungsdrang benötigen, empfiehlt sich eine Gesetzesinitiative gegen das Abfeuern von Atomraketen in Nordkorea. Ist ähnlich wirkungslos und klingt genauso toll.

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Leserpost

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Karla Kuhn / 12.08.2017

Klasse Satire, zum schmunzeln.

Frank Müller / 11.08.2017

Bot-Netze betreiben sich nicht selbst, sondern werden von Hintermännern betrieben. Und diese können sich durchaus in Deutschland befinden.

Jörg A. Ehm / 11.08.2017

Genau das ist der Punkt: Diebstahl, Einbruch etc. bleibt unaufgeklärt und ungeahndet, Raub, Vergewaltigung endet, sofern überhaupt aufgeklärt, immer öfter mit einem DuDuDu (während Notwehr und insb. Nothilfe zunehmend bestraft werden). Aber das Internet. Neuland für unsere Politiker. Die machen dann Gesetze, die nicht mehr generelle Geltung haben, sondern nur für Spezialfälle greifen. Politisch völlig korrekt also… Nu noch ein weiterer Aspekt: Gedankenverbrechen im Internet aber werden von arbeitenden und steuerzahlenden Bürgern verübt. Hier setzt man derzeit vermehrt an seitens der Politik. Würde man zu Verschwörungstheorien neigen, so müsste man annehmen, dass eine massive Einschüchterungskampagne gegen die steuerzahlenden Bürger läuft. Na ja, man muss sich schon ‘mal in Position bringen und vorbereiten auf die Wut und den Unmut, der aufkommen wird, wenn die finanziellen Folgen der - in Bezug auf die finanziellen Wirkungen auf deutsche Steuerzahler - desaströsen Politik allmählich offenkundig werden und sich mit geringerer Wirtschaftskraft dank Demographie und Bildungsarmut und steigender Kriminalität zu einer hochgefährlichen Melange verrühren werden…

Wolf-Dietrich Staebe / 11.08.2017

Polit-Zombies vom Schlage eines Heiko M. haben gemäß ihrem Naturell reichlich schräge Ideen zu immer neuen Verboten und Strafvorschriften. Den bislang verzapften Unsinn könnte Heikolein aber locker toppen. Zwecks Klimarettung und dauerhafter Produktion von Öko-Strom sollte er eine Gesetzesiniative für ein Verbot von Wolken und des Sonnenuntergangs starten. Das Gebot einer Schere im Kopf zum unterbinden kritischer Gedanken gegen Links wäre auch langsam angebracht. Eine weitere Schere gegen Rechts wäre dagegen unangebracht. Denn dann würde den Polit-Zombies die Nahrung ausgehen.

Stefan Zorn / 11.08.2017

Wer zu den Glücklichen gehört, die intellektuell mit einem deutschen Schäferhund gleichziehen oder ihn sogar übertreffen können, sollte m.E. gegen jegliches Wahlkampfgetöse immun sein.

Andreas Rochow / 11.08.2017

Sie haben recht, verehrter Herr Müller-Ullrich: Man sollte nicht über jedes Stöckchen springen, das einem die Lightmedien hinhalten. Das ist ein Rat, der nicht nur fürs Sommerloch gilt.

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