Ulli Kulke / 07.02.2013 / 08:18 / 0 / Seite ausdrucken

Wie man Zustimmung zur Energiewende erzeugt

Das klingt gut für die Verfechter der Energiewende: Über zwei Drittel der Deutschen seien bereit, höhere Stromkosten für die Energiewende mitzutragen, verkündete kürzlich “Germanwatch”, eine Organisation für mehr Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Na also, dann ist ja alles gerecht, könnte man meinen, denn die höheren Stromkosten hat die Energiewende ja in der Tat gebracht, und nicht zu wenig. Die Umfrage, die dieser Behauptung zugrunde liegt, hatte das Meinungsforschungsinstitut Emnid durchgeführt, im Auftrag von – Germanwatch

Stutzig macht die Angabe dennoch. Rund 40 Millionen Haushalte gibt es in Deutschland. Doch bereits im Jahr 2011, also lange vor dem diesjährigen, gewaltigen Sprung bei den Strompreisen nach oben, meldete die Bundesnetzagentur, dass die Stromversorger bei sechs Millionen Haushalten die Stromsperre androhten und bei 1,2 Millionen auch beantragten. Bei wie vielen die Sperren dann durchgeführt wurden, ist nicht genau geklärt, die Angaben schwanken zwischen 300.000 und 600.000. Dies ist jedoch egal. Wir können zum einen davon ausgehen, dass mindestens alle jene sechs Millionen Haushalte – 15 Prozent mithin – ihre Stromrechnungen dauernd oder vorübergehend einstellten. Dass es sich dabei zum Zweiten nur um den harten Kern derer handelt, die von höheren eigenen Kosten nun wirklich garnichts wissen wollen und dass zum Dritten dieser Kreis 2012 und erst recht 2013 gewaltig angewachsen sein dürfte, parallel zu den Stromrechnungen.

Zwei Drittel sollen unter diesen Umständen bereit sein, mehr zu zahlen? Das würde ja mehr und mehr darauf hinauslaufen, dass die einen mehr zahlen wollen, und die anderen die Stromrechnungen gar nicht mehr bezahlen können, dazwischen gibt es bald niemand mehr. Womöglich würden sich beide Gruppen demnächst sogar überschneiden, warum nicht? Man muss nur geschickt genug fragen.

Richtig, es hatte da ja noch eine andere Umfrage gegeben, vergangenen Sommer, ebenfalls von Emnid, aber dieses Mal im Auftrag der Zeitschrift Focus. Das Ergebnis dabei: 41 Prozent lehnen grundsätzlich jede Mehrausgabe für die Energiewende ab, 48 Prozent würden höchstens 20 Euro / Monat zusätzlich berappen wollen und nur ganze neun Prozent noch mehr (also dem nachkommen, worauf das Ganze sichtlich hinausläuft).

Die Erklärung für den Unterschied ist schnell gefunden: Der Auftrag von Germanwatch lautete offenbar: Keine Summen nennen in der Frage. Mal eben pauschal die Bereitschaft zu höheren Ausgaben zu äußern, da gibt sich der Befragte doch gern mal großzügig, auch wenn zu Hause schon der Strom abgedreht ist. Bei Kilowattstunden geht es doch sowieso immer nur um Centbeträge, oder?

Der Hauptunterschied liegt allerdings in der überaus geschickt formulierten Frage bei der Erhebung im Auftrag von Germanwatch, und die lautete so: “Die Energiewende ist ein Investitionsprogramm, welches das Leben zukünftiger Generationen verbessert. Es ist darum richtig, dass Deutschland vorangeht und massiv in die Energiewende investiert, auch wenn damit vorübergehend höhere Kosten für die Bürger und Unternehmen verbunden sind. Stimmen Sie dem zu? Voll? Eher? Eher nicht? Gar nicht?”

So viel Euphorie und so schönen Visionen will man sich gewiss nicht verschließen, und “Investitionsprogramm”, das machen doch sowiso nur die Unternehmen, da zahlen die bestimmt auch das Meiste, oder? Na also. Und überhaupt: Alles nur “vorübergehend”. Und so weiter. Die Fragestellung der Germanwatch-Umfrage ist fast rührend in seinem durchschimmernden Umfrageziel, da wird ein Ergebnis geradezu erbettelt.

Focus hatte dagegen schlicht und ergreifend fragen lassen: “Bis zu welcher Höhe wären Sie bereit, für den Einsatz von erneuerbaren Energien mehr zu bezahlen.” Gar nicht, bis 20 Euro oder mehr als 20 Euro? Und so hat das Magazin auch die Meinung der Leute erfahren, wie man es bei einer Meinungsumfrage auch tun sollte. Den Leuten die eigene Meinung vorhalten, ohne Alternative nach dem Prinzip friss oder stirb, mag zwar formal den Anforderungen der Umfragepraxis genügen, der Wahrheitsfindung dürfte es in diesem Fall weniger gedient haben.

Dass bei der Umfrage für Germanwatch auch Jugendliche ab 14 Jahren befragt wurden, die sich in den meisten Fällen nicht mit zu hohen oder überhaupt mit Stromkosten herumschlagen müssen, soll hier nur am Rande erwähnt werden. Kleiner Trost: Große Resonanz fand die Germanwatsch-Umfrage in den deutschen Medien nicht.

Zuerst erschienen auf Ulli Kulkes Blog bei der WELT

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