“Wie man es Ihnen im Roten Kloster beigebracht hat”

Offener Brief

Sehr geehrter Herr Pergande,

Soeben wurde ich auf Ihren Artikel „Besondere Tragik“ in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 24. Juni 2018 hingewiesen. Darin beschäftigt sie die angebliche oder wirkliche Hinwendung früherer DDR-Dissidenten zu AfD oder Pegida. Sie führen das mit den Worten „fürs Leben gezeichnet" auf Schäden zurück, die diesem Personenkreis zu DDR-Zeiten zugefügt wurden.

Die Menschen, die Sie de facto als psychisch geschädigt, also etwas plemm-plemm und reif fürs Irrenhaus in die Ecke stellen, von denen Sie schreiben, sie stünden im „Abseits“, denken aber in der Regel klarer als Sie. Sie standen zu DDR-Zeiten meist richtig und die DDR-Führung im Abseits. Und sie stehen heute meist richtig und der bundesdeutsche Mainstream – in seiner Mitte die „Qualitätsmedien“ – im Abseits.  

Die Schiedsrichter*innen, die hier „Abseits“ pfeifen, stehen nämlich selber im Abseits: Es sind die den Westen der Republik dominierenden 68er und ihre substanzlosen Epigonen von heute. Diese Generationen von Hitlers Kindern, gepampert vom Wirtschaftswunder, hatte reichlich 20 Jahre nach dem Ende des „1000-jährigen Reiches“ nichts Eiligeres zu tun, als den größten Menschenschlächter der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Mao Zedong, als ihr Idol auszuwählen und hinter ihm herzulaufen, genau wie ihre Eltern einst dem braunen Diktator.

Einige von ihnen fanden sich zur RAF zusammen. Sie versuchten durch feige Mordanschläge die erste Demokratie auf deutschem Boden, die halbwegs funktionierte, zu zerstören. Noch heute ist es Gang und gebe, diese Verbrecher zu romantisieren und für deren Tun irgendwelche Erklärungen und Rechtfertigungen an den Haaren hierbeizuziehen. Andere pilgerten nach Moskau und Ost-Berlin, krochen den dort regierenden Spitzenkommunisten in den Allerwertesten – und waren wie vom Donner gerührt, als diese Alliierten von der Bildfläche verschwanden.

Alle zusammen haben sie diesem Land bleibende Schäden zugefügt, beginnend beim zersetzenden Hass auf die Familie als Form des Zusammenlebens und endend bei einer heillosen Zerrüttung der deutschen Sprache. Für eine Position der geistigen oder politischen Auseinandersetzung, die sich intellektuell redlich und humanistischen Werten verpflichtet wissen will, ist es geradezu eine Bedingung und eine Ehre, von diesen Leuten als „Abseits“ gebranntmarkt zu sein. 

Die deutsche Gesellschaft hat einen Steinewerfer aus der 68er-Meute zum Außenminister der Bundesrepublik Deutschland gemacht. Nichts illustriert besser, in welchem Maße die gewalttätige Halbgeneration der 68er („Halb“ deshalb, weil es auch vernünftige Menschen in dieser Zeit gab, vor denen ich höchste Achtung empfinde) heute das politische Klima in der Bundesrepublik Deutschland diktiert. Dieses Klima hat die 68ern und ihren Epigonen erdreistet, zu entscheiden, wer in diesem Land im Abseits steht und wer nicht.

Sich von dieser westdeutschen Linken definitiv getrennt zu haben, empfinden die betreffenden DDR-Dissidenten, die diesen Linken zeitweise naiv auf den Leim gegangen waren, als zweite große Selbstbefreiung in ihrem Leben. Statt einer Nervenkrankheit ist diese Trennung ein Triumph des klaren, gesunden Menschenverstandes. Wer auch unter Zwang nicht bereit war, zu bestätigen, dass 2x2=22 sei, bestätigen auch in der neuen Gesellschaft nicht das 2x2=11 sei, selbst wenn letzteres dem „Durchstarten“ – wie Sie es nennen – förderlich wäre.

Wenn die deutsche Medienszene jede Abkehr von den intellektuell aus dem letzten Loch pfeifenden 68ern, als „rechtsradikal“, „Nazi“ oder wie in Ihrem Falle als Nervenkrankheit denunziert, dann setzt sie lediglich den Straßenterror der 68er in neuer Gestalt, diesmal als Gesinnungsterror, fort. Wer sich vom Gehirnschrott der 68er löst, ist deshalb ebenso wenig rechtsradikal, wie die 68er Lichtgestalten von Humanität und Aufklärung sind.

Dass einige meiner Freunde zur AfD (Vera Lengsfeld ist übrigens CDU-Mitglied und wird in dieser Partei dringend gebraucht) neigen, muss ich als Demokrat akzeptieren, bedaure es aber. Zwar ist diese Partei nicht ähnlich gewaltbereit und kriminell wie die Antifa, aber das aggressive, krakeelerische und sektiererische Potenzial in der AfD (indem sie den Grünen ähnelt) wird meine Freunde dort nicht glücklich werden lassen. Das Schlimmste aber ist, dass sich die AfD – wie die Partei DIE LINKE – als verlängerter Arm der russischen Expansionspolitik betätigt. Wenn dies meine alten Freunde aus DDR-Zeiten nicht erkennen, dann machen sie einen Fehler, der sie in der Auseinandersetzung mit dem westdeutschen Mainstream schwächen wird und den sie bereuen werden. 

Leider, sehr geehrter Herr Pergande, haben Sie sich in dem Artikel „Besondere Tragik“ mit oberflächlichen und unzutreffenden Diagnosen lächerlich gemacht. Das ist schade, weil ich Ihre bisherigen Beiträge immer ganz gut fand. Ärgerlich finde ich nebenbei auch, dass Sie Biermann nur halb zitieren. Immerhin hat er Siegmar Faust in Kenntnis von dessen politischer Haltung als tapferen und aufrechten Menschen bezeichnet.

Und ich kann es Ihnen nicht ersparen, Ihren Satz „Die Gedenkstätte in Hohenschönhausen kann es sich nicht leisten, auf solche Befindlichkeiten Rücksicht zu nehmen“ zu zitieren, mit dem Sie den Rauswurf von Faust und Kürschner wegen deren Nähe zu AfD verteidigen; anstatt darauf hinzuweisen, in welchem Maße sich das gesinnungspolizeiliche Denken schon unseres Landes bemächtigt hat. Und Sie halten das Verfahren für ganz normal. Keine Kritik, keine Empörung, kein Protest. Damit bekennen Sie sich zu einer Praxis von Berufsverboten wegen falscher politischer Meinung. Genau wie man es Ihnen im Roten Kloster zu Leipzig beigebracht hat.

Da die ganze Angelegenheit öffentlich ist, wähle ich die Form eines offenen Briefes, den ich am Freitag dem 29. Juni 2018 der Plattform www.achgut.com zur Verfügung stellen werde.

Mit freundlichem Gruß

Arnold Vaaz

 

Anmerkung der Redaktion:

Arnold Vaatz, Jahrgang 1955, ist ehemaliger DDR-Bürgerrechtler und seit 2002 Stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Siehe zu diesem Thema auch: Die besondere Tragik des Frank Pergande 

Foto: Laurence Chaperon CC BY-SA 3.0 de via Wikimedia Commons

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Susanne v. Belino / 29.06.2018

@Ludwig Wauer 68er und studiert? Wie oft haben 68-er-Revoluzzer Vorlesungen an der TU in Berlin mit ihrem Geplärre und Aufrufen, sich gefälligst dem Straßenmob anzuschließen, gestört und so vernünftige, bildungswillige Studenten (von MINT-Fächern) vom Lernen abgehalten.

Werner Arning / 29.06.2018

Herr Vaatz, wichtig wäre in diesem Zusammenhang, sich die Frage zu stellen, warum sich die CDU von den 68ern dermaßen den „Schneid hat abkaufen“ lassen, um es mit Guido Westerwelles Worten zu sagen. Was ist aus Ihrer Partei geworden? Warum läuft ein maßgeblicher Teil Ihrer Partei diesen 68ern, den Grünen, nach? Warum richten Sie ihre Politik nach den Vorstellungen der Grünen aus? Wundert es Sie denn nicht, dass viele Menschen eher einer Partei vertrauen, die auf Distanz zu den 68ern geht, deren Mitglieder Sie jedoch offensichtlich für Krakeeler halten? Es ist ehrenwert, dass Sie Partei für Frau Lengsfeld ergreifen, doch würde Ihnen etwas mehr Selbstkritik gut zu Gesichte stehen.

Rolf Lindner / 29.06.2018

Mit den Ausschlägen gegen die AfD beweist Herr Vaatz, dass auch er Opfer der anti-AfD-Propaganda geworden ist. Das trifft auf seine Parteifreundin, Vera Lengsfeld, nicht zu. Sonst enthält der Artikel eine ganze Menge richtiger Aspekte. Herr Pergandes Empfinden kann man mit der eines Patienten einer psychiatrischen Klinik vergleichen. Die Ärzte sind dort in der Minderzahl, sind also als die Nichtnormalen anzusehen. Auch die kämpfen zur Heilung der Irren einen verzweifelten, oft ergebnislosen Kampf.

beat schaller / 29.06.2018

Herr Vaatz, vieles kann ich bejahen. Schade, dass wieder der Stinkfinger gegen die AfD erhoben wird und das von jemandem, der seit Jahren in der CDU/CSU mitregiert und folglich mitverantwortlich für die heutige Situation ist.  Das pass leider nicht zum Rest in Ihrem offenen Brief, das reduziert sich so mit : Zeigen auf Andere! Zu Putin kann man natürlich verschiedene Ansichten haben und es ist wohl auch schwierig, Russland zu beurteilen von aussen.  Demokratie und auch Diplomatie fordert aber Offenheit und das Recht, die Dinge auch anders zu machen. Ein Land so gross wie Russland, so vielfältig und Multi-ethnisch,  gehöhrt auf jeden Fall an den Verhandlungstisch , sofern und solange man gemeinsam nach Lösungen suchen will. Auch Putin ist rechtmässig gewählt und nicht wie Merkel “koalitionsmässig” an der Macht. Schade, dass Sie Ihrem Brief mit Intolleranz, welch Sie ja damit einfordern möchten, die Luft raus lassen. b.schaller

Jürgen Keil / 29.06.2018

Sehr geehrter Herr Vaatz, Ihr Artikel ist ehrenwert. Es ist wichtig, das Stimmen mit dem öffentlichen Gewicht wie der Ihren sich gegen die genannten undemokratischen Erscheinungen erheben. Aber als führendes Mitglied der seit 12 Jahren regierenden CDU haben Sie meiner Meinung nach eine Mitschuld dafür, dass sich ein solches gesinnungspolizeiliches Denken in diesem Land so breitmachen kann. Die Politik Ihrer Kanzlerin hat mit den Nährboden dafür geschaffen. Ja, die AFD ist ein heterogenes Gebilde welches sich noch in Entwicklung befindet. Da die Altparteien im Bundestag versuchen sie auszugrenzen und wenn möglich totzuschweigen, ist die Provokation ein legitimes Mittel sich Gehör zu verschaffen. Das dies nicht immer zartfühlend erfolgt, damit müssen Sie leben oder Ihr Verhalten der AFD gegenüber ändern. Ich habe schon viele, von Sachkunde erfüllte Beiträge der AFD im Bundestag gehört.

Werner Geiselhart / 29.06.2018

Sehr geehrter Herr Vaatz, bitte versuchen Sie nach einem Sturz Merkels Ihr menschenmöglichstes, die aufrechten Kräfte in der CDU zu einem schlagkräftigen Block zusammenzubringen, um als Nachfolger/in von Frau Merkel nicht irgendeine Merkel V2 zu inthronisieren, sondern eine Person, die z.B. das Parteiprogramm von 2005 ernst nimmt. Man sehe sich dort nur das Kapitel 1.8 zur Energieversorgung an und man hält den gegenwärtigen Zustand nicht für möglich. Das Kapitel 5.5 zur Zuwanderung sollte man sich auf der Zunge zergehen lassen. Auf Basis dieses Parteiprogrammes könnte man einen Großteil der Wähler, die abgesprungen sind oder gar nicht mehr zur Wahl gehen, wiedergewinnen und mit dieser Mehrheit eine vernünftige Politik zum Wohle aller betreiben.

Michael Scheffler / 29.06.2018

Lieber Herr Vaatz, bezüglich der AfD und Russland stimme ich nicht mit Ihnen überein, aber das macht ja gerade Demokratie aus. Beste Grüße (ein ehemaliger KCAler

Marc Stark / 29.06.2018

Stimme in so manchen nicht überein. Entscheidend ist aber das ich in vielem komplett übereinstimme. Vielen Dank Herr Vaatz, erfrischend zu sehen, das mancher allmählich seinen Restverstand nutzt und vor allem auch ein Rückgrat wieder entdeckt. Ich hoffe es melden sich noch mehr echte Demokraten aus welcher Partei auch immer, die unabhängig ihrer Animosität gegen uns, zu einem würdigen Diskurs-Stil zurück finden. Fairness und Debattenkultur sind für alle Zeit überparteilich bleiben!

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