Die große Koalition gibt Gas. Sie will nicht länger fackeln. Zügig soll in den kommenden Monaten gehandelt, angeklagt und verurteilt werden. Ein Gesetz, das die Verbreitung von Fake-News, Hass und Hetze im Internet unter Strafe stellt, müsse her, so schnell wie möglich, schallt es aus den Parteizentralen von CDU und SPD.
Die Betreiber sozialer Netzwerke wie Facebook hätten dann „mit empfindlichen Bußgeldern bis zu 500.000 Euro zu rechnen“, sagt der SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. Da sei er sich mit seinem Unionskollegen Volker Kauder einig. Gleich nach der Weihnachtspause wollen die Koalitionäre gemeinsam loslegen, wobei die CDU sogar noch etwas draufsatteln möchte. Auch die „Beleidigung“ im Netz will sie noch vor der Bundestagswahl strafrechtlich verfolgen lassen.
Gut so, höchste Zeit, dass nicht nur „durchregiert“, sondern auch durchgegriffen wird, mag sich der brave Merkel-Bürger da sagen, bis ihm womöglich selbst eine Anzeige ins Haus flattert, weil er sich mit ungebührlichen Äußerungen im Netz der Verleumdung höher gestellter Persönlichkeiten schuldig machte. Denn die Veröffentlichung einer privaten Meinung „entlässt den einzelnen User nicht aus der Verantwortung“, weiß die früherer Bundesjustizministern Sabine Leutheusser-Schnarrenberger“.
Noch eine Prüfstelle
Auf der Agenda der Regierung steht die Einrichtung einer „Prüfstelle“, die Hass und Beleidigung aufdecken soll. Es bestünde, so der Verteidigungsexperte der Union Henning Otte im Gespräch mit der „Rheinischen Post“, „Bedarf für eine Strafverschärfung“. Das ist starker Tobak, eine Kampfansage, die es in sich hat. Schließlich gibt es bisher, soweit wir wissen, kein Hassometer, mit dem sich exakt bestimmen ließe, wann eine Nachricht, ein Kommentar oder eine Meinungsäußerung als „Hass und Hetze“ (Zitat Oppermann) einzustufen sind.
Vermutlich würden Sigmar Gabriel, Heiko Maas und Wolfgang Schäuble empört den Vorwurf von sich weisen, sie hätten Hass geschürt, indem sie Teile des Volkes als „Mob“, Pack“ und „eine Schande für Deutschland“ brandmarkten. Wenn dagegen, was hier und andernorts schon öfter Autoren getan haben, irgendjemand Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit der Flüchtlingskanzlerin hegt, würde das in Zukunft aller Erfahrung nach als eine strafwürdige Beleidigung geahndet werden. Nach der Ansicht des CDU-Rechtspolitikers Patrick Sensburg wäre das eine „gezielte Desinformation zur Destabilisierung des Staates“. In der DDR gab es dafür den Begriff des „republikschädigenden Verhaltens“.
Ein Ding der Unmöglichkeit
Kurzum, die Feststellung von Desinformation, Hass und Hetze bleibt in den allermeisten Fällen eine Frage des persönlichen Ermessens, zumal in der Politik. Kein Computer kann dabei zu gültigen Entscheidungen gelangen. Jeder Fall müsste von „Fachleuten“ einzeln geprüft werden. Ein Ding der Unmöglichkeit bei der Fülle der täglichen Eintragungen im Internet. Eine Vielzahl des Personals, über das der Staatssicherheitsdienst der DDR einst verfügte, würde dafür benötigt.
Rein technisch betrachtet führt sich das strafverschärfende Vorhaben der Groko schon selbst ad absurdum. Das angekündigte Gesetz wäre das Papier nicht wert, auf das es gedruckt werden soll. Vorausgesetzt, es ginge darum, die neue Regelung tatsächlich konsequent anzuwenden. Aber liegt das überhaupt in der Absicht ihrer Anstifter? Rechnet die Bundesregierung wirklich damit, dass die Bürger ein solches Gesetz nutzen würden, um die sozialen Netzwerke, das Internet auf dem Klageweg in eine moralische Anstalt zu verwandeln? Oder geht es ihr womöglich darum, eine Verordnung zu schaffen, auf die sich der Staat vor allem selbst berufen kann, von Fall zu Fall und immer dann, wenn es gilt, jene mundtot zu machen, die ihm zu kritisch auf den Zahn fühlen, gerade jetzt in den Monaten bis zur Bundestagswahl?
Zweifel sind nicht nur angebracht, sie werden auch in immer größeren Kreisen gehegt. Selbst wenn es das Vorstellungsvermögen der Kauders und der Opermanns übersteigen mag, so leicht lässt sich das Volk, vor dem sie sich fürchten, nicht mehr hinters Licht führen. Es kennt seine Regierenden, die zitternden Papiertiger.