Vera Lengsfeld / 03.05.2010 / 11:20 / 0 / Seite ausdrucken

Wie der Sozialismus das Paradies auf Erden ruiniert (4)

Brutale Zweiklassengesellschaft

In Kuba gibt es zwei Klassen von Menschen, die sich darin unterscheiden, von welcher der zwei Währungen des Landes sie leben. Die Unterschicht sind Menschen, die mit dem normalen Peso auskommen müssen. Privilegiert sind jene, die Zugang zu den konvertiblen Pesos, den so genannten Cucs haben. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten: Verwandte in Florida, die regelmäßig Dollarschecks schicken, die man gegen eine Zwangsgebühr von 20% in Cucs umtauschen kann. Oder man hat einen der begehrten Jobs in der Tourismus-Industrie, wo man Trinkgelder in Cuc bekommt, denn Cucs sind die Währung der Touristen. Die Cucs dürfen nur in speziellen Läden ausgegeben werden. Ihre Annahme in den staatlichen Läden ist streng verboten. Ebenso der Tausch auf der Straße. Das macht den Alltag kompliziert. Unser kubanischer Reiseleiter sah in Santa Clara in einem Peso- Laden Wandfarbe, die er schon lange suchte. Er hatte aber nur Cucs bei sich. Die nächstliegende Wechselstube hatte gerade geschlossen. Seine Versuche, die wertvollen Cucs auf der Straße umzutauschen, schlugen fehl. Man hielt ihn wohl für einen Provokateur. Schließlich war ein Einheimischer gegen die Zahlung von 1 Cuc bereit, ihm zu verraten, wo sich eine geöffnete Wechselstube befindet. Unser Reiseleiter begab sich im Lauschritt dorthin, rannte dann mit den eingewechselten Pesos zum Laden und kam zu spät, aber strahlend, mit zwei Eimern Farbe am Treffpunkt an. Wie man an diesem Beispiel sieht, garantiert nicht mal der Besitz von Cucs, dass man alles bekommt, was man braucht. Das Angebot der Cuc-Läden lässt sich mit dem eines DDR-Dorfkonsums in den 60er Jahren vergleichen, wenn man sich die Havanna-Zigarren und den Kuba-Rum wegdenkt. Dann gibt es noch Textil-Geschäfte, in denen „Markenkleidung“ chinesischer oder türkischer Herkunft angeboten wird. Autos kann man auch für Cucs nicht kaufen. Seit einigen Jahren importiert Kuba keine Autos mehr für den Verkauf. Nur die Staatskarossen werden noch eingeführt. Alle vorhandenen Autos müssen deshalb sorgfältig gepflegt werden. Zugang zu Autos haben nur bestimmte Schichten, die vom Regime begünstigt werden. Der Besitz eines Autos bedeutet aber keinesfalls, dass man es auch fahren kann. Benzin ist Zuteilungssache oder extrem teuer. Vor ein paar Jahren haben neureiche Cuc- Kubaner ohne Zugang zu Autos versucht, Autobesitzern, die ihr Fahrzeug nicht benutzen konnten, weil sie kein Benzin bekamen, für die Benutzung ihres Autos Geld zu bezahlen. Oft war das mit aufwendigen Reparaturen an den lange stillgelegten Fahrzeugen verbunden. Sobald die Behörden das mitbekamen, wurden solche „Machenschaften“ untersagt.  Autobesitzern und Möchtegern-Benutzern drohen seitdem Gefängnisstrafen.
Wie bewegen sich die Kubaner durch das Land oder durch die Städte? Einen öffentlichen Nah-, und Fernverkehr gibt es nicht, von einigen Buslinien in Havanna und den wenigen vorrevolutionären Eisenbahnstrecken abgesehen, die nur zwischen Havanna und Santiago de Cuba noch einigermaßen regelmäßig betrieben werden. An den Straßenrändern von Havanna sieht man Menschen stehen, die, mit oder ohne Geldscheinen in der Hand, den vorbeifahrenden Autos zuwinken. Wenn sie Glück haben, hält eines und bringt sie ihrem Ziel näher. Taxis fahren grundsätzlich mit so viel Passagieren, wie der Innenraum nur fassen kann. Jeder entrichtet seinen Obolus und steigt dort aus, wo er seinem Ziel am nächsten ist. Manchmal müssen zwei, drei Autos angehalten werden, ehe man da ist, wo man hin will. Besonders schwer muss es sein, auf diese Weise zur Arbeit fahren zu müssen, denn wie soll man die Fahrtzeit kalkulieren?
Der Fernverkehr findet statt, indem man zur Autobahn oder zu einer Landstraße geht. Meist unter Brücken, weil die Schutz vor Sonne und Regen bieten, stehen Staatsangestellte, die staatliche Wagen anhalten, die immer Personen mitnehmen müssen, wenn sie leer sind. Die Menschen setzen sich dann auf die Ladefläche oder wo immer sie ein freies Plätzchen finden. Der Transport ist kostenlos, erfordert aber viel Zeit und Geduld, ehe man am erwünschten Ort ist. Wer es eilig hat, stellt sich mit Geldscheinen an die Straße, möglichst weit weg vom Staatsangestellten. Privatfahrern ist es verboten, Personen mitzunehmen. Sie tun es trotzdem, denn sie sind auf jeden Zuverdienst angewiesen. Wie mühsam der tägliche Weg zu Arbeit sein kann, wurde mir klar, als wir in Vinales, dem berühmten Tabakanbaugebiet Kubas, waren. Hier erheben sich zwischen Tabakfeldern die fast senkrechten Mogoten, Karstfelsen, einst Säulen einer riesenhaften Karsthöhle, deren Decke vor Jahrmillionen eingestürzt ist. In den sechziger Jahren hat die Lebensgefährtin Castros, Celia Sanchez, die so naturverbunden war, dass sie stets eine Blume hinter dem Ohr trug, befohlen, dass einer der Mogoten mit einer Monumentalmalerei versehen wird. Es sollte ein Geschenk an die Bauern sein, die mit dieser Malerei über die Entwicklung der Erdgeschichte aufgeklärt werden sollten. Heute werden die Touristen in das abgelegne Tal gekarrt, weil vor dem Gemälde eine Freiluftgaststätte errichtet wurde, in der alle Gruppen, die sich in der Gegend befinden, Mittag essen müssen. Wir waren an diesem Tag die letzte Gruppe, was den Vorteil hatte, dass wir nach Abzug der Anderen die Stille des zauberhaften Tals genießen konnten. Dann fuhren wir ins etliche Kilometer entfernte Dorf, wo wir mindestens eine Stunde Freizeit hatten. Als wir wieder im Bus saßen, der uns zu unserem Hotel fuhr, sah unser Fahrer am Straßenrand eines der Mädchen, die uns bei Tisch bedient hatten. Ausnahmsweise nahm er sie ein Stück mit. Unser zehn Kilometer entferntes Hotel war für sie auf der Hälfte der Strecke, die sie nach hause zurücklegen musste. Unser Reiseleiter versicherte uns, dass es für dieses junge Mädchen kein so großes Problem sie, wie für ältere Frauen, oder Männer, die mitgenommen werden wollen. Nach Feierabend mag diese Art des Transports noch angehen, denn wenn man Pech hat, kommt man nur später als erhofft nach hause. Wie ist es aber morgens, wenn man zur Arbeit muss? Woher weiß man, ob man pünktlich sein wird? Und pünktlich muss man sein, denn sonst ist man den begehrten Job mit Zugang zu Cucs los. Das Alltagsleben, auch der privilegierten Kubaner, ist mit Stressfaktoren verbunden, die wir uns nicht vorstellen können. Wie es unter diesen Umständen mit der berühmten kubanischen Lebensfreude aussieht, davon Morgen mehr.

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