Was macht man, wenn man eine richtig gute Idee im Bereich Kommunikation hat, die man in Geld verwandeln will? Genau, man gründet ein sogenanntes Startup-Unternehmen. Und was macht man, wenn man mit diesem Unternehmen Leistungen anbieten kann, die womöglich niemand sonst am Markt bieten kann? Klar, man nutzt seinen Vorsprung, wirbt mit ihm, baut ihn aus und verdient so erst recht das Geld, das man ja eigentlich haben will. Eine ehrliche Sache sowas und es gibt auch in Deutschland eine Menge Beispiele dafür, dass es funktioniert.
Was macht man aber, wenn man außer einer tollen Idee auch noch die Absicht hat, die Welt zu retten? Also das Klima, die Eisbären und die Einwohner von Tuvalu. Ein Problem ist nämlich, dass die tolle Idee im Zusammenhang mit menschlicher Kommunikation steht, nicht mit der Rettung der Welt…man wird also auch die Ressourcen einsetzen müssen, für deren Einsatz man sich im Grunde schämt. Sie wissen schon: Energie, CO2, Umweltzerstörung durch Bergbau, Ausbeutung von Arbeitskraft und so weiter.
Die deutsche Firma posteo hat dieses Problem. Posteo ist angetreten, um seinen Kunden anonymisierte Mailkonten mit einer durchgehenden Verschlüsselung anzubieten – in Zeiten von Datenklau, Überwachung und Hackerangriffen eine wirklich gute Idee. Aber andererseits wäre posteo gern so grün wie der Misthaufen einer Bioland-Kuh auf einem Demeter-Acker. Deshalb bezieht posteo seinen Strom bei Greenpeace-Energy. Da sind nur Wind und Wasser drin, nur das gute Zeug also – und das lässt man sich gern etwas kosten. Das Geld seiner Kunden vertraut posteo der Umweltbank an, denn der neueste Trend im Greenwashing sind naturbelassene Bankdienstleistungen. Aber kann das schon alles sein? Natürlich nicht, das ist erst der Anfang.
- die Mitarbeiter von posteo arbeiten in Büros, in denen es ausschließlich Recyclingpapier gibt
- die Büromöbel wurden aus nachhaltigem FSC-Holz gefertigt (da staunst du, IKEA)
- täglich Bio-vegetarisches Mittagessen
- alle Mitarbeiter nutzen Fahrrad und ÖPNV
- für Bahnfahrten gibt’s extra Urlaub
- man spendet regelmäßig an NGO’s, die im Umwelt- und Datenschutz tätig sind
Im Mittelalter versuchten sich die Wallfahrtsorte und Kirchen in Sachen Frömmigkeit gegenseitig zu übertrumpfen. Hatte die eine einen Unterarmknochen der heiligen Barbara, genügte es der anderen nicht, auch einen solchen Knochen zu besitzen – man brauchte dringend noch ein paar Fußnägel von Maria.
Man braucht dringend noch ein paar Fußnägel von Maria
Heute beobachten wir einen Wettbewerb in Sachen ökologischer Frömmigkeit. Es genügt nicht mehr, seinen Strom aus Wind- und Wasserkraft zu beziehen, oder beim Krombacher saufen auf den Regenwald anzustoßen – heute versucht man sich in jedem Lebensbereich, der das irgendwie hergibt, als Vorbild zu gerieren. Man nimmt in Kauf, dass man dabei immer stärker in das Privatleben anderer Menschen, in dem Fall der eigenen Mitarbeitern, eingreift oder sich der Lächerlichkeit preisgibt. Volkserziehung ist wieder en vogue.
Was passiert eigentlich, wenn ein neuer Bewerber bei posteo sich weigert, das Fahrrad zu benutzen und stattdessen sein Auto nehmen möchte? Wird sich ein Gleichstellungsbeauftragter um den abgewiesenen Bewerber kümmern, weil es den Arbeitgeber verdammt nochmal nichts angeht, wie jemand seinen Arbeitsweg bewältigt? Was benutzt die Firma posteo eigentlich anstelle der üblichen Festplatten zur Datenspeicherung, weil diese ja schließlich in China unter fragwürdigen Umweltstandards zusammengeschraubt wurden, um dann von mit Schweröl betriebenen Ozeanriesen über die Weltmeere geschippert zu werden? Wie ökologisch korrekt sind eigentlich die Frühstückscerealien der Mitarbeiter und warum erfährt man darüber nichts?
Die grüne Welle, die seit einigen Jahren über unseren Alltag schwappt, nimmt immer mehr die Züge einer Religion an – und zwar mit allem Drum und Dran. Es gibt die Androhung einer Apokalypse (Erderwärmung, Meeresspiegel), einen Gott (die Natur), eine Priesterschaft (Greenpeace, WWF, grüne Parteien) und jede Menge Jünger, die von ihrer eigenen Verderbtheit (CO2-Ausstoß) überzeugt sind. Ein Ablass-System hat sich etabliert, auf das Johann Tetzel verdammt neidisch gewesen wäre und es gibt die Hoffnung auf Erlösung durch das Ende des Konsums und final durch den Tod, der jede Entstehung von CO2 beendet – dann entsteht nur noch Methan und Schwefelwasserstoff.
Die Expertise der Firma posteo liegt also gar nicht so sehr im Bereich der Datensicherheit, sondern in ihrer Religionszugehörigkeit: und die ist ökologisch-orthodox. Für einen Euro Kirchensteuer pro Monat können Sie bei posteo dabei sein. Verglichen mit anderen Religionsgemeinschaften ist das allerdings wirklich erschwinglich.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf Roger Letschs Blog Unbesorgt hier.