Ramin Peymani, Gastautor / 27.03.2018 / 10:00 / Foto: Dietrich Milde / 9 / Seite ausdrucken

Wie aus 154 Befragten die ganze Welt wurde

Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) ist eine staatliche Organisation, die vor sieben Jahren durch die Verschmelzung dreier Entwicklungshilfeunternehmen entstanden ist und im wesentlichen von vier Bundesministerien finanziert wird. Sie beschäftigt nahezu 20.000 Mitarbeiter in 120 Ländern, 70 Prozent von ihnen außerhalb Deutschlands.

In regelmäßigen Abständen befragt die GIZ einen eigenhändig ausgewählten Personenkreis im Ausland danach, wie er die Rolle Deutschlands in der Welt sieht. Unter dem Titel „Führungsrolle deutlich gefordert” hat sie nun die Ergebnisse ihrer aktuellen Studie veröffentlicht, für die exakt 154 Personen in 24 Ländern interviewt wurden.

Gegliedert in sechs Themenfelder, wird dargelegt, dass sich die Befragten ein größeres deutsches Engagement in der Welt wünschen. Trotz einiger offener Fragen bietet das umfangreiche Dossier allerlei Ansatzpunkte für die journalistische Berichterstattung. Man könnte so manche Rückmeldung thematisieren, etwa die Fremdwahrnehmung einer fehlenden Risikofreude, eines mangelnden kulturellen Selbstbewusstseins oder eines schleppenden Digitalisierungsprozesses.

Doch Deutschlands Journalisten interessieren sich vor allem für einen Teilaspekt der 130-seitigen Studie und versehen diese dabei mit einer ganz eigenen Kernaussage. „Ausland lobt deutsche Flüchtlingspolitik”, frohlocken sie – und missbrauchen damit eine ohnehin in ihrer Aussagekraft fragwürdige Erhebung für ihre monothematischen Propagandazwecke.

Loblieder aus Afrika und Nahost

Zwar offenbart das sechzehnseitige Kapitel „Flucht und Migration” tatsächlich eine insgesamt positive Wahrnehmung Deutschlands durch die im Ausland Befragten, doch dürfte dies vor allem daran liegen, dass rund die Hälfte der Interviewteilnehmer im afrikanischen und orientalischen Raum beheimatet ist, von wo sich Zuwanderer seit 2015 nach Lust und Laune auf den Weg nach Deutschland machen dürfen, ohne Sorge haben zu müssen, an der Grenze abgewiesen zu werden.

Bemängelt wird demgegenüber vielfach die Planlosigkeit in der Migrationspolitik, aber auch das Ignorieren kritischer Stimmen aus den Nachbarländern und das Verkennen innenpolitischer Risiken. Dabei fällt eine Zweiteilung auf, bei der insbesondere die Befragten in den Ländern Afrikas sowie im Nahen und Mittleren Osten regelrechte Loblieder singen, während sich die europäischen Studienteilnehmer weitaus kritischer zeigen. Ganz Staatsorgan, konstatiert die GIZ gleichwohl, es habe eine „Fülle von Aussagen” gegeben, in denen Deutschland bescheinigt wird, durch die Flüchtlingspolitik ein „menschlicheres Antlitz” bekommen zu haben.

Doch selbst die Nutznießer offener deutscher Grenzen monieren, dass es für ihre Landsleute viel zu einfach sei, ohne Qualifikationen nach Deutschland zu gelangen, während Qualifizierte das Nachsehen haben, weil sie es auf legalem Weg versuchen. Sie implizieren damit, dass es gar nicht um Flucht geht. Man versteht vielerorts nicht, wieso sich ein Land nicht aussucht, wen es gebrauchen kann.

Das alles ficht Deutschlands Journalisten nicht an. Statt das differenzierte Bild der verschiedenartigen und mit unterschiedlicher Motivation verfassten Rückmeldungen zu zeichnen, erwecken sie unisono den Eindruck, das Ausland stehe einmütig hinter Merkels Politik der unkontrollierten Zuwanderung. Vor allem suggerieren sie, es handele sich bei der GIZ-Studie um eine repräsentative Befragung der Bürger ausländischer Staaten zu Deutschlands Migrationspolitik.

Keine kritische Auseinandersetzung mit der Tatsache, dass gerade einmal gut 150 zufällig ausgewählte Interviewpartner ein sehr subjektives Bild erzeugen, was bei aller Anstrengung der GIZ, ihr methodisches Vorgehen darzulegen, eben keinerlei wissenschaftlichen Ansprüchen genügt. In der Berichterstattung fehlt auch jeglicher Hinweis darauf, dass die GIZ dem Grunde nach ein Organ der Bundesregierung ist und es sich damit quasi um eine Selbstbestätigung handelt. Ebenso scheint sich kein Journalist dafür zu interessieren, wer denn die Befragten genau sind und was deren Aufgaben, Rollen und Motive sein könnten.

Die Beschäftigung mit der GIZ-Studie ist in ihrer absichtlichen Oberflächlichkeit eines seriösen Journalismus ebenso unwürdig wie in ihrer irreführenden Verengung auf die positiven Antworten zur deutschen Zuwanderungspolitik. Wieder einmal soll die Meinung an die Stelle der Meldung treten, wissend, dass es Headlines sind, mit denen Nachrichten gemacht werden. Wer so berichtet, manipuliert – und muss sich nicht wundern, wenn ihm Leser und Zuschauer davonlaufen.

Dieser Beitrag erschien auch auf Ramin Peymanis WebseiteLiberale Warte".

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Joe Haeusler / 27.03.2018

Mein Eindruck ist: Bei Veröffentlichungen zu Umfragen, Statistiken etc liest der gemeine Journo allenfalls die Überschrift und wenn es hochkommt,  die Zusammenfassung. Hauptsache, es passt gesinnungstechnisch. Schliesslich haben sich die Herr- und DamschaftInnen der medialen Zunft nicht dem Journalismus verschrieben, um sich mit statistischer Analyse herum zu schlagen. Selbst Plausibiltitätskontrollen mit der Fingerabzähltechnik bzw. einem Grundartentaschenrechner scheinen offenbar Übungen zu sein, die so manchen Journalisten überfordern.

Gabriele Schulze / 27.03.2018

Da hat sich wohl jemand im Datum vertan - der 1. April kommt doch erst noch. 154! Die Journalisten müßten hochrote (sic!) Gesichter vor Scham haben.

Wilfried Cremer / 27.03.2018

Besonders perfide ist es, dass mit der vorgehalteten Bewunderung im Ausland versucht wird, genau jene sogenannten Instinkte zu bedienen, die von diesen Tricksern sonst immer als niedrig angeprangert werden.

Andreas Knorr / 27.03.2018

kann man denn wirklich aus der Befragung von 154 Personen ein so umfangreiches Destillat herstellen? Und das in so großen Mengen? Das muss doch wie Wasser schmecken!

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