Markus Vahlefeld / 20.06.2017 / 14:08 / 10 / Seite ausdrucken

Widmann macht den Höcke

„Seit 5:45 wird jetzt zurückgeschossen!“ Polen war das erste Opfer des deutschen Vernichtungswahns und man kann nicht oft genug darauf hinweisen, dass es die beiden Massenmörder Hitler und Stalin waren, die sich Polen aufgeteilt haben und es restlos zerstören wollten. Die Vernichtung der politischen und militärischen Elite in Polen war so vollumfänglich, dass dieses Land kopf- und wehrlos den Deutschen ausgeliefert war.

Nun soll Polens Ministerpräsidentin Beata Szydlo einen „Eklat“ (SPON) ausgelöst haben. Die BILD nennt Szydlos Rede in Auschwitz ebenfalls einen „Eklat“. Und wen wundert’s: die Franfurter Rundschau titelt: „Eklat bei Gedenkfeier: Scharfe Kritik an Szydlo nach Rede in Auschwitz“. Und weiter: „Szydlo hatte am Mittwoch gesagt, „in unserer turbulenten Zeit“ sei Auschwitz eine „große Lehre“, dass „alles getan werden muss, um die Sicherheit und das Leben unserer Bürger zu verteidigen.“

Ein Eklat! Etwas kleinlaut heißt es in der FR dann weiter: „Kritik äußerten unter anderen EU-Ratspräsident Donald Tusk und die Oppositionspartei Nowoczesna.“ Nun, dass Tusk, der EU-Intimfeind der polnischen Regierung, und die Oppositionspartei Nowoczena keine Gelegenheit auslassen, um Kritik zu äußern, macht eine Aussage noch lange nicht zu einem Eklat. Diesen „Eklat“ gab es dann auch folgerichtig nur in der deutschen Medienlandschaft, denn in der seriösen englischsprachigen Presse wird von Kritik geschrieben, aber nicht von Eklat oder Skandal.

In einem hübschen Kommentar empört sich denn auch der ehemalige Feuilletonchef der FR, Arno Widmann: „Szydlos Satz fügt sich passgenau in die neue polnische Gedenkpolitik. Deren Ziel ist es, die Judenvernichtung als rein deutsche Tat darzustellen.“ Egal wie man die fehlende Logik bewertet, dass der Satz - „In unserer turbulenten Zeit müssen wir aus Auschwitz die Lehre ziehen, dass wir alles tun müssen, die Sicherheit und das Leben unserer Bürger zu verteidigen“ - das Ziel verfolgen soll, „die Judenvernichtung als rein deutsche Tat darzustellen“, so wird das Ziel Arno Widmanns doch eben überdeutlich: die Deutschen überrennen ein Land, vernichten alle politischen und gesellschaftlichen Strukturen, um es als Außenposten für ihren antisemitischen Vernichtungswahn zu missbrauchen, und dann soll die Judenvernichtung, bitteschön, keine rein deutsche Tat darstellen. Ein Björn Höcke hätte es nicht schöner formulieren können: „Wir brauchen nichts anderes als eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad."

Die Logik hinter Arno Widmann, dass die Deutschen ein ganzes Land ins Verderben reiten, und dieses Land dann auch - ätschibätsch - Mitschuld trägt, ist an Perfidie nicht zu überbieten. Am polnischen Antisemitismus soll das gar nichts kleinreden, aber die Tatsache bleibt: Auschwitz war eine rein deutsche Unternehmung nach deutschen Ideen, mit deutschem Management und deutschem Giftgas. Dass sie auch polnische Facharbeiter rekrutierte, ist in einem vernichteten Kriegsland so unüblich nicht. Und daran wird auch in Polen geforscht, allen Unterstellungen Widmanns zum Trotz.

Was haben die Polen verbrochen, dass sie das Zwanghafte des deutschen Herrenmenschen, der mit vor Stolz geschwellter Brust behauptet, „aus der Geschichte gelernt zu haben“, wieder abbekommen? Sie verweigern sich der Nahost-Fluchtkrise à l'allemande. Dass diese Weigerung das altdeutsche Bedürfnis nach „Siedlungsraum im Osten“ wieder aufkommen lässt, ist dann schon wieder ein anderes Thema.

Siehe dazu auch hier und hier.

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Leserpost

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Andreas Donath / 20.06.2017

Das ist unredlich, Herr Vahlefeld. Höcke hat nie Äußerungen dieser Art in Bezug auf Polen oder andere europäische Nachbarländer gemacht. Der Zusammenhang, in den Sie ihn hier stellen, ist konstruiert. Wenn er eine erinnerungspolitische Wende in Deutschland dergestalt fordert, dass Deutsche nicht den ganzen Tag “Mea Culpa!” rufen müssen, sondern auch auf großartige Momente einer langen nationalen Geschichte zurückblicken können, sollte man das konkret und fair diskutieren. Immerhin ist Höcke der Gegenentwurf zu einer Frau Özoguz, die den Deutschen ja generell nennenswerte Kulturleistungen abspricht. Diese Kritik betrifft nicht Ihre sonstigen Ausführungen und soll schon gar nicht das leitende Personal der Frankfurter Rundschau reinwaschen, deren Polit-Agitprop seit vielen Jahren schwer verdaulich und ausgesprochen geschichtslos ist. Ich meine im Übrigen, dass die Positionen von Frau Szydlo sehr gut nachvollziehbar und dem gesunden Menschenverstand geschuldet sind.

Werner Arning / 20.06.2017

Dass sich Länder wie Polen und Ungarn auch weiterhin dem deutschen Flüchtlingskrisen-Diktat widersetzen ist nur zu wünschen. Was deutsche Bevormundung bedeutet, weiß niemand besser als die Polen. Auch wenn sich diese Bevormundung ein europäisches Mäntelchen umlegt.

Dirk Ahlbrecht / 20.06.2017

Die Polen (wie auch die Ungarn, Tschechen und andere Osteuropäer) machen alles richtig. Die politische Bekloppten sitzen zweifelsfrei im Westen des Kontinents. Und deshalb geht es hier ja auch (teilweise) bereits zu wie in jenen Ländern aus denen man die Leute zu uns eingeladen hat - ohne Zustimmung der angestammten Bevölkerung versteht sich. Die polnische Ministerpräsidenten Szydlo verstehe ihre Aufgabe im Schutz und zum Wohle dieser angestammten polnischen Bevölkerung. Für die verstandeslosen Politiker westeuropäischer Prägung natürlich ein Unding. Und während man in London damit rechnen muss am hellichten Tag absichtsvoll von einem Lastwagen überfahren zu werden, wird es in Warschau auch weiterhin ruhig bleiben. Dann noch etwas zum Thema Höcke: Wer nicht sieht, wohin uns der Gründungsmythos der BRD (Joschka Fischer) bereits gebracht hat, dem ist nicht zu helfen. Mord und Totschlag können per se keine identitätsstiftende Wirkung haben. Niemals. Und wenn doch, dann kann dies nur im Untergang und neuem Chaos enden. Höcke, den ich nicht einmal besonders mag, hat dies erkannt und spricht dies aus. Rolf Peter Sieferle weißt in seinem lesenswerten Buch “Finis Germania” ebenfalls darauf hin. Man kann natürlich auch weiterhin ein albernes Höcke-Bashing betreiben. Oder man kommt zur Vernunft bevor es zu spät ist.

Thorben-Friedrich Dohms / 20.06.2017

Den neuen Plänen zur Erschliessung von “Siedlungsraum im Osten” sollte sich Achgut.com mit aller Hingabe widmen. Das Thema kann im Wahlkampf nicht genug Beachtung finden.

Rudolf Dietze / 20.06.2017

Danke für diese Klarstellung. Wie Sie schon schreiben, die Hauptmedien bleiben bei ihrem “Eklat” und hier lesen nur wenige. Die heutige Meldung das eine grüne Europaabgeordnete fordert ganze syrische Dörfer nach Osteuropa umzusiedeln liegt auf dieser Linie. 1971 in Rumänien: Deutsche Dörfer wanderten aus, in ungarische Dörfern verstand man kein rumänisch und in rumänischen Dörfern kein ungarisch oder wollte es nicht verstehen. So könnte da die Zukunft aussehen. “Integration” nach 300 Jahren zusammenleben eine Illusuion.

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