Henryk M. Broder / 18.10.2016 / 06:15 / 6 / Seite ausdrucken

Wider den tierischen Ernst! Da lachen ja die Pferde

Es gibt nichts Langweiligeres als Automobilwerbung. Entweder wir sehen glückliche Familien, die mitsamt ihrem ganzen Haushalt verreisen, oder wir sehen einen unrasierten Jürgen Klopp, der mit Bettina Zimmermann die Autos getauscht hat. Er schnappt sich ihren frisch gewaschenen Opel Mokka, sie bekommt seinen total verdreckten Opel Mokka. Auf Bettina Zimmermanns Frage, ob er das „mit Absicht“ gemacht habe, antwortet Jürgen Klopp: „Nein, mit Allrad!“ Hahaha. 

Das ist fast so witzig wie der berühmt gewordene Satz des Sportmoderators Heinz Maegerlein anlässlich eines Skirennens im Jahre 1959: „Tausende standen an den Hängen und Pisten.“

Ein Meisterwerk der cineastischen Kunst

Jedenfalls wäre es für mich kein Grund, mir einen Opel Mokka zu kaufen. Aber es gibt offenbar genug Leute, die tatsächlich glauben, Jürgen Klopp würde einen Opel Mokka fahren – aus Überzeugung und nicht für ein Honorar. Es soll auch Leute geben, die glauben, ein ICE der Deutschen Bahn würde mit Öko-Strom fahren. Ich gehöre zu denjenigen, die Werbung ernst nehmen. Ich möchte nicht hinters Licht geführt. Ich möchte klug unterhalten werden. Und wenn ich jemals auf die Idee kommen sollte, mir einen Volkswagen zu kaufen, dann deswegen, weil Volkswagen einen Werbespot produziert hat, der zu den witzigsten seiner Gattung gehört. 

Mit 60 Sekunden Länge fast schon ein Kurzfilm, ein kleines Meisterwerk der cineastischen Kunst. Es kommt vor, dass ich zwischen RTL, RTL2, Pro7 und Kabel1 hin- und herschalte, nur weil ich hoffe, dass der Spot irgendwo grade läuft. Dann ist der Abend gerettet, vor allem, wenn er mit Peter Tauber in der Tagesschau begann.  

Die Pferde lachen sich schlapp 

Nur für den Fall, dass Sie nicht wissen, wovon ich rede: Ein Mann möchte ein SUV mit einem Anhänger rückwärts einparken. In dem Anhänger steht ein Pferd, auf der Koppel daneben stehen mehrere Pferde, die ihm zuschauen, wie er es nicht schafft. Sie lachen sich buchstäblich schlapp und wälzen sich vor Vergnügen auf dem Rasen. 

Der Mann versucht es immer wieder, fährt einen Zaun um und gibt schließlich genervt auf. Sekunden später kommt ein anderes SUV mit einem Anhänger angefahren. Der Mann am Steuer bugsiert das Gespann wie von Zauberhand gesteuert rückwärts in die Lücke. 

Den Pferden vergeht das Lachen. Sie gucken, als wäre vor ihnen ein Ufo gelandet. Dann kommt die Auflösung: Es ist der Trailer Assist, mit dem ein Auto mitsamt Anhänger rückwärts einparken kann.

VW hat eine zweite Chance verdient

Es ist keine Erfindung, auf die die Menschheit seit der Erfindung des Rades gewartet hat; man könnte sich auch fragen, wie Generationen von Bauern ohne Trailer Assist zurecht gekommen sind, mit einer einfachen, händisch bedienten Anhängerkupplung. Aber darauf kommt es nicht an.

Was uns VW mit diesem Spot sagen will, ist vermutlich dies: „Alle mal herhören! Wir können nicht nur Bordcomputer manipulieren, wir können auch Pferde zum Lachen bringen. Wir sagen euch nicht, wie es geht, ob wir die Pferde mit Kichererbsen gefüttert oder sie an den Hufen gekitzelt haben. Das bleibt unser Geheimnis. Aber wir haben es geschafft. Also vertraut uns wieder!“

Ich finde, VW hat eine zweite Chance verdient. Auch wenn nur wenige von uns ein Pferd besitzen, das befördert werden will; der Trailer Assist funktioniert auch ohne den Trailer und ohne Pferde. Er macht das Rückwärtsfahren einfacher und sicherer. Ein echtes Fahrvergnügen.

Zuerst erschienen in der Welt und auf Welt Online

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Leserpost

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T. Rübspitz / 19.10.2016

Ach Broder - you did it again. You really, really made my day… Sie waren mir schon immer sympathisch. Das steigert sich, befürchte ich, irgendwie zum Exzess… PS - Ich fahre einen Mitsubishi 4WD. Und ich habe auch kein PfePfePfePferd ... da ... ich muss schon wieder so lachen…

gerhard spingath / 18.10.2016

Auto ist eine ernste Sache, da macht man keine Witze. Die Werbeagenturen würden liebend gern humoristische Werbung machen, die bei den Leuten auch viel besser ankäme, als die hochtechnisierte Werbung. Aber, die Autokonzerne lassen das nicht zu. Noch nicht.

Karl Helger / 18.10.2016

Nur so aus Spaß: Einfach mal vorstellen, der erste Fahrer wäre eine Frau und würde so ausgelacht beim fehlerhaften Einparken. Wie würde dann unsere feministische Landschaft darauf reagieren…

Ben Wilmes / 18.10.2016

Sie sprechen mir aus der Seele, verehrter Herr Broder. Es ist wirklich derzeit der einzige Werbespot, der auch mich zum Lachen bringt. Wobei mir , neben dem sich vor lachen auf dem Boden wälzenden Pferd, vor allem die am Schluss völlig versteinerten Mienen der Tiere gefallen haben, angesichts des äusserst elegant und problemlos eingeparkten Wagens. Herrlich. Was ich seinerzeit auch ziemlich gelungen fand, war der Spot mit der Ehefrau, die ihren Mercedes fahrenden Mann ohrfeigte, weil ja ein Mercedes keine Panne hat. Dieses aber hatte der fremdgehende Gatte als Entschuldigung für sein Zuspätkommen angegeben. Die allermeisten Werbefilmchen sind leider zum Fremdschämen, da freut man sich umso mehr über dieses Juwel der Phantasie und Kreativität. Als gelernter Werbefachmann weiss ich, wovon ich rede. Und Kloppo fährt doch nicht Opel Mocca ?! Hmmm. Sicher ?!

Stefan Lanz / 18.10.2016

Meine Frau (hat auch ein Pferd) und ich lieben diesen Spot, obwohl wir inzwischen aus gutem Grund VW hassen (5 Jahre Rechtsstreit ohne Erfolg).

Wilfried Cremer / 18.10.2016

Fast so gut wie die Affen von Toyota. Sowas gibt es leider nur alle Jubeljahre.

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