Vera Lengsfeld / 03.09.2015 / 17:52 / 4 / Seite ausdrucken

Wider den grünen Wahn

In Helldeutschland sollte man besser schon in Pension sein, bevor man ein fundamentalkritisches Buch zum herrschenden Zeitgeist veröffentlicht.

Horst Demmler, 26 Jahre lang Professor an der Justus - Liebig Universität Giessen ist einer dieser Pensionäre, die nun ihrem Unmut Luft machen. Er liefert mit kühler, wissenschaftlicher Präzision eine Analyse, was fatal falsch läuft in unserer Gesellschaft, seit die Grünen den Zeitgeist und damit die Politik dominieren.

Im ersten Kapitel von “Wider den grünen Wahn” erinnert Demmler daran, dass die Grünen das Erbe der Achtundsechziger angetreten haben. Diese Kinder der NS- Generation hatten in ihrem Bekenntnis zur deutschen Schuld ein Mittel zur moralischen Selbstüberhöhung gefunden. Sie lernten von den Achtundsechzigern, im Hochgefühl ihrer „unangreifbaren moralischen Überlegenheit „...die Rolle des Wächters und Warners, wie auch die des jederzeit sprungbereiten Anklägers zu übernehmen.“ Ihre „allzeit verfügbare moralische Entrüstung“ dient dazu, Andersdenkende zu verteufeln, sie „in die Sümpfe der moralischen Diskreditierung zu treiben und… aus der Gemeinschaft der Gutmenschen und Anständigen auszuschließen.“ Dabei braucht „man kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn man zum schlechten Gewissen für andere wird.“ So wird der aggressive Moralist zum Inquisitor. Demmler erinnert in diesem Zusammenhang an den Fall des Bundestagspräsidenten Philipp Jenninger, der durch einen inszenierten moralischen Entrüstungssturm zum Rücktritt gezwungen wurde. Noch gravierender ist das Beispiel einer „Kleinen Anfrage“ der Grünen im Deutschen Bundestag von 2010, die von Jürgen Trittin und Renate Künast unterzeichnet wurde. Darin wollten die Grünen die „Position der Bundesregierung zur Leugnung des Klimawandels “ wissen und erfahren, ob „Klimaleugnern“ etwa vom Liberalen Institut der Konrad- Naumann- Stiftung „ein Diskussionsforum“ geboten würde. Hauptsächlich beschäftigten sich die elf Fragen mit dem jüdischen Wissenschaftler Fred Singer, der mit allen Mitteln angeschwärzt wurde. „Eine solche Heranwürdigung eines angesehenen- wenn auch umstrittenen- Gelehrten habe es seit der Zeit des Dritten Reiches nicht mehr gegeben“, resümiert Demmler.

Obwohl die apokalyptischen Szenarien, denen die Grünen ihren Aufstieg verdanken, sich allesamt als Hirngespinste erwiesen haben, was der Autor ebenso überzeugend wie lückenlos nachweist, haben sie die Politik maßgeblich beeinflusst.
Zwar bleib es weitgehend folgenlos, dass die Grünen in ihrem Wahlprogramm Kabel-und Satellitenfernsehen, Breitbad ISDN, die Digitalisierung des Fernsprechnetzes und vieles mehr ablehnten, aber die rote Gentechnik konnte 15 Jahre lang erfolgreich behindert werden, nachdem der damalige hessische Umweltminister Fischer 1984 Hoechst eine Versuchsanlage zur Herstellung von humanem Insulin mittels Bakterien verweigert hat. Deutschland verlor für lange Zeit den Anschluss an die internationale Spitzenforschung. Das trifft nicht nur auf die Genforschung zu, sondern auf fast alle andern Forschungszweige auch.

Überaus erfolgreich waren die Grünen in der Klimapolitik. Hier machten sie mit dem Erneuerbare- Energien Gesetz Geschichte. Seither werden die „Erneuerbaren“ ausgebaut, koste es, was es wolle. Als Umweltminister ließ Trittin 2004 noch verkünden, dass “...die Förderung Erneuerbarer Energien einen durchschnittlichen Haushalt nur rund eine Euro im Monat kostet- so viel wie eine Kugel Eis.“ Inzwischen kostet es einen solchen Haushalt jeden Tag im Jahr eine Kugel Eis und ein Ende dieser Kostenspirale ist nicht anzusehen.

Die Frage ist, ob die ausufernde deutsche Förderung, im Kern ein gigantisches Umverteilungsprogramm von unten (den Verbrauchern), nach oben (der Ökolobby), auch zum Ziel führt. Als das IPPC in seinem Summary for Policymakers feststellte, „dass bei einem Emissionshandelssystem mit verbindlich festgesetzter Gesamtemissionsmenge die Subventionierung erneuerbarer Energien die Emissionen nicht vermindert“, kam es schon mal zur Fälschung von Amts wegen. In der deutschen Version heißt es: „Der Emissionshandel beeinträchtigt die Wirkung anderer Maßnahmen, es sei denn die Anzahl der Zertifikate wird flexibel angepasst.“ Das glatte Gegenteil der originalen Aussage.

Demmler führt noch mehr Beispiele von Amtshilfe für den grünen Zeitgeist an. Im Jahr 2013 gab das Umweltbundesamt eine Broschüre mit dem Titel: „Und sie erwärmt sich doch“ heraus. Das war der Versuch, eine wissenschaftliche Kontroverse von Amts wegen zu entscheiden. Gleichzeitig wird in dieser Broschüre Rufmord an Wissenschaftlern und Journalisten begangen, darunter mehrere Achse- Autoren, deren Ansichten das Amt für falsch hält. In dieser Broschüre wurde den Dissidenten unterstellt, nicht die entsprechende Fachausbildung zu haben, um sich zum Klimawandel äußern zu können. Als die Namen der anfangs anonymen Autoren der Broschüre bekannt wurden, stellte sich heraus, dass keiner von ihnen eine solche Fachausbildung hatte.

Von den vielen Themen, die Demmler behandelt, kann ich nur noch drei anreißen. Er stellt im vierten Kapitel den „Dioxin- Skandal“ der EHEC- Katastrophe gegenüber. Zur Erinnerung: Ende 2010 wurde bekannt, dass dioxinbelastetes Futterfett, das von einem Produzenten von Biodiesel stammte, in Hühner- und Schweinefutter gelangt war.

Von 89 Eiern eines betroffenen Hofes wiesen 8 einen erhöhten Dioxingehalt auf. Bei einer anderen Untersuchung von 163 Proben fanden sich bei drei Eiern und zwei Hühnerfleischproben erhöhte Dioxinwerte. Selbst wenn Verbraucher wochenlang nur solche belasteten Eier gegessen hätten, wären keine gesundheitlichen Schäden aufgetreten. Aber der Volkszorn wurde angeheizt. Die Grünen forderten das Ende der konventionellen Landwirtschaft und härteste Strafen für „Lebensmittelvergifter“. Infolge der Empörungswelle schloss die damalige Landwirtschaftsministerin Aigner zeitweilig 5000 !!!! landwirtschaftliche Betriebe und verursachte damit einen Schaden von mehr als 100 Millionen Euro.

Ganz anders war die Reaktion auf die EHEC- Katastrophe. Nur wenige Wochen nach der von der grünen Empörungsmaschinerie kreierten „Dioxinskandal“ erkrankten in Deutschland 3842 Menschen, zum Teil schwer, an einer durch EHEC- Bakterien ausgelösten Krankheit. 53 Menschen starben. Es war der bislang größte weltweit beschriebene Ausbruch. Von Skandal oder Lebensmittelvergiftern war weder in den Medien noch von der Politik die Rede. Obwohl es bald Hinweise auf kontaminierte Bio- Sprossen gab, wurde dieser Spur vom Robert- Koch Institut lange nicht nachgegangen.

Als endlich klar war, dass der Verursacher ein Bio- Gartenbaubetrieb der ersten Stunde war, wurde in der offiziellen Stellungnahme jeder Hinweis auf Bio vermieden. Es war nur von Gartenbaubetrieb A die Rede. Erst im Juni 2011! Wurde der Bevölkerung empfohlen, bis auf weiteres Sprossen und Keimlinge nicht roh zu verzehren. Selbstverständlich gab es keine vorsorglichen Sperrungen von BIO- Betrieben.

Ein besonders bitteres Kapitel ist das von grünen Lobbyisten durchgesetzte DDT- Verbot, das sie westlichen Länder dann weltweit verhängten, teils mittels ökonomischer Erpressung, obwohl DDT das beste Mittel zur Bekämpfung der Malaria ist, die nach wie vor Millionen Todesopfer fordert.

Erst 2006, nach 25 Jahren und geschätzten 50 Millionen vermeidbaren Todesopfern, hat die WHO ihren Kurs geändert und den Einsatz von DDT zur Bekämpfung von Malaria gebilligt. In Madagaskar sanken nach Wiederaufnahme des DDT- Einsatzes die Todesfälle um 90%!

Ähnlich rücksichtslos gegenüber den Ärmsten der Welt verhält sich der Kampf gegen die grüne Gentechnik. Mehr als 2 Milliarden Menschen leben von Reis, dem es an Vitamin A fehlt. Dieser Vitamin A- Mangel führt bei Kindern häufig zu Blindheit. Um dem abzuhelfen entwickelten die Forscher Ingo Potrikus und Peter Beyer den mit Vitamin A angereicherten „Goldenen Reis“. Die an der Weiterentwicklung beteiligten Konzerne verzichteten auf Drängen von Potrikus und Beyer auf Lizenzgebühren, so dass der Reis kostengünstig an Kleinbauern weiter gegeben werden konnte. Sehr zum Missfallen der Grünen, die ihren Kampf gegen die grüne Gentechnik bedroht sehen.

„Goldener Reis und andere Versuche, Hunger mittels Gentechnik zu beseitigen….schaffen - völlig unnötig - unkalkulierbare ökologische Gefahren. Zudem ist es menschenverachtend, ein spezielles Nahrungsmittel für Arme zu entwickeln, angereichert wie optimales Viehfutter. Goldener Reis oder Frolic im 10-Kilo-Sack- wo ist da der Unterschied?“ Das schreibt Jürgen Trittin in seinem Buch „Welt um Welt“ auf Seite 149. Die grüne Denke entlarvt sich selbst am gründlichsten.

Horst Demmler: Wider den grünen Wahn, Münster 2015

 

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Gerhard Warthold / 03.09.2015

“Wider den grünen Wahn” ist eine - ich habe gedacht, ich les’ nicht richig - Streitschrift. Eine Streitschrift! Im Jahre 2015, in Deutschland. Ein emeritierter Wissenschaftler verfaßt eine Streitschrift - das ist herzzerreißend rührend. Im Zeitalter von Gesinnungsschnüffelei und Denunziation, Tabus und Propaganda, vollkommenen Verlustes von Streitkultur und zivilisierter Debatte. Im Zeitalter von “Shitstorms”. Ich freue mich aufs Lesen. Danke für den Tip!

Michael Limburg / 03.09.2015

Liebe Frau Lengsfeld, wir würden gerne für EIKE übernehmen. Dürfen wir? mfG M. Limburg

Prof. Dr. Claus Peter Zoller / 03.09.2015

Sehr geehrte Frau Lengsfeld, ich danke Ihnen für Ihren Mut, den Sie auch mit Ihren Beiträgen in der Achse zeigen. Ich denke, dass man die argumentativen Strategien der Grünen im Mittelalter als Verfolgung von Häretikern bezeichnet hätte. Und mit Bezug auf die islamische Welt erscheinen mir die Strategien als genaues ‘modernes’ Spiegelbild zu heutzutage dort häufig angezettelten Blasphemievorwürfen. Mit freundlichen Grüssen, Claus Peter Zoller

peter luetgendorf / 03.09.2015

Sehr geehrte Frau Lengsfeld, ich lebe hier in Recklinghausen, einem Ort, der weit abgehängt von der wirtschaftlichen Entwicklung dahinvegitiert und lese gern die Todesanzeigen in der Recklinghäuser Zeitung. Es gibt eine Reihe von Menschen, die vorzeitig versterben, aber auch eine Reihe von Menschen, die ziemlich alt werden. Und die haben niemals in einem Bioladen eingekauft. “Silent Spring” hat sehr viel Unheil angerichtet. Gruß Peter Lütgendorf

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Vera Lengsfeld / 11.03.2024 / 16:00 / 20

Wie rettet man eine Demokratie?

Warum lässt die schweigende Mehrheit zu, dass unter dem Schlachtruf, die Demokratie und das Grundgesetz zu verteidigen, beides ausgehöhlt wird? Was man ganz einfach tun…/ mehr

Vera Lengsfeld / 06.02.2024 / 12:00 / 38

Wie man Desinformation umstrickt – und noch schlimmer macht

Wenn man gewisse „Qualitätsmedien" der Fehlberichterstattung und Manipulation überführt, werden die inkriminierten Texte oft heimlich, still und leise umgeschrieben. Hier ein aktuelles Beispiel.  Auf diesem Blog…/ mehr

Vera Lengsfeld / 04.02.2024 / 15:00 / 20

Die Propaganda-Matrix

Die öffentlich-rechtlichen Medien und die etablierten Medien leiden unter Zuschauer- und Leserschwund, besitzen aber immer noch die Definitionsmacht. Das erleben wir gerade wieder mit einer Propaganda-Welle. …/ mehr

Vera Lengsfeld / 02.02.2024 / 06:05 / 125

Wie man eine Desinformation strickt

Am 30. Januar erschien bei „praxistipps.focus.de“ ein Stück mit dem Titel: „Werteunion Mitglied werden: Was bedeutet das?“ Hier geht es darum: Was davon kann man davon…/ mehr

Vera Lengsfeld / 06.01.2024 / 06:25 / 73

Tod eines Bundesanwalts

Als ich noch in der DDR eingemauert war, hielt ich die Bundesrepublik für einen Rechtsstaat und bewunderte ihren entschlossenen Umgang mit den RAF-Terroristen. Bis herauskam,…/ mehr

Vera Lengsfeld / 29.12.2023 / 13:00 / 17

FDP #AmpelAus – Abstimmung läuft noch drei Tage

Die momentane FDP-Führung hatte offenbar die grandiose Idee, die Mitgliederbefragung unter dem Radar über die Feiertage versanden zu lassen. Das Online-Votum in der FDP-Mitgliedschaft läuft…/ mehr

Vera Lengsfeld / 28.12.2023 / 10:00 / 124

Wolfgang Schäuble – Tod einer tragischen Figur

Wolfgang Schäuble, die große tragische Figur der deutschen Nachkriegspolitik und gleichzeitig ein Symbol für das Scheitern der Parteipolitik, wie sie sich in Deutschland entwickelt hat…/ mehr

Vera Lengsfeld / 19.12.2023 / 08:32 / 122

Mist als Abschiedsgeruch für die Ampel

Wahrscheinlich wird es die Ampel nicht auf eine Totalkonfrontation mit den Bauern ankommen lassen, sondern durch Teilrücknahme versuchen, die Proteste zu beenden, denn in Berlin…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com