Markus Vahlefeld / 10.12.2015 / 18:38 / 8 / Seite ausdrucken

Wider das Vermutungsverbot!

In den 50er Jahren entwickelte der US-Psychologe Lion Festinger die Theorie der kognitiven Dissonanz. Sie beschreibt die Funktionsweise, wie es uns Menschen gelingt trotz widersprüchlicher Erkenntnisse an unseren Grundüberzeugungen, die wir als harmonisch und stimmig erleben, festzuhalten. Allen Tatsachen zum Trotz. Das Beispiel, an dem Festinger seine Theorie festmachte, war das einer Weltuntergangssekte in den USA. Wikipedia schreibt dazu:

„In den 1950er Jahren gab Marian Keech (eigentlich Dorothy Martin) aus Salt Lake City an, Nachrichten von der Außerirdischen Sananda vom Planeten Clarion zu empfangen. Sie scharte in Wisconsin (USA) eine Sekte um sich, die ihren Vorhersagen glaubte, eine gewaltige Flut werde alle Menschen auf der Erde töten und nur die Sektenanhänger würden von fliegenden Untertassen gerettet. Als die prophezeite Flut ausblieb, sah sich die Gruppe der Lächerlichkeit preisgegeben. Statt das Versagen ihrer Führerin zu akzeptieren und sich von ihr abzuwenden, sahen sich die Anhänger in ihrem Glauben nur umso mehr bestärkt. Sie behaupteten, ihre Gebete hätten Gott umgestimmt, und versuchten mit einem Mal fieberhaft, andere Leute zu ihren Ansichten zu bekehren.“

Nun kann man die gewaltige Flut der Marian Keech problemlos durch das Waldsterben, die Klimakatastrophe oder durch das Merkelsche „Wir schaffen das“ ersetzen und hat eine interessante Analogie zu dem momentan grassierenden alltäglichen Wahnsinn. Der immer noch quietschlebendige Wald wird dann als Kollateralnutzen des Alaramismus und des neuen Umweltbewusstseins verkauft; das fehlende Ansteigen der Welttemperatur der letzten 15 Jahre trotz immer weiter steigendem CO2-Ausstoß wird einfach durch das Argument der „Ruhe vor dem Sturm“ weggewischt; und je offenkundiger die Probleme mit dem, was wir schaffen sollen, werden, desto lauter und schriller wird die moralische Empörung derjenigen, die daran unbedingt festhalten wollen. Von Defätismus war bereits die Rede, ganz so als würden wir uns in den Kampfhandlungen des Ersten Weltkriegs befinden.

Das Überraschende an der Theorie der kognitiven Dissonanz besteht in dem Nachweis, dass der Mensch stark genug ist, seine Überzeugungen niemals ändern zu müssen und dass die Vernunft und die sachliche Argumentation zu schwache Reize sind, wenn es um die Anpassung der eigenen Weltanschauung geht. Hat man eine bestimmte Grenze der fast schon religiösen Inbrunst überschritten, werden selbst die widersprüchlichsten Fakten vom System der Selbstrechtfertigung geschluckt. „Mach einem bekloppten klar, dass er bekloppt ist“ (Dieter Bohlen), umschreibt den Tatbestand recht unwissenschaftlich, aber treffend.

Und die Dissonanzen treten momentan mit Macht zutage. Da verwundert zu allererst, dass uns Deutschen von der eigenen Bundesregierung die Fähigkeit zum Schutz unserer Außengrenzen abgesprochen wird, während unsere für ihre Spitzentechnologie und ihren Ausbildungsstand viel gerühmte Wirtschaft einem nicht gerade demokratischen Musterland wie Saudi Arabien die hocheffizienten Grenzanlagen zu bauen und zu sichern hilft, um eben diese Flüchtlinge, die zu uns strömen, von jenen fernzuhalten.

Nicht wirklich auflösbar ist auch der Glaube an ein „Wir schaffen das!“, während wir Grenzsicherung und Terrorabwehr als schlichtweg nicht machbar ablehnen. Warum schaffen wir das eine, das noch nicht einmal im Genauen definiert wird, das andere, das man recht leicht eingrenzen könnte, aber nicht?

Zur deutschen Staatsräson gehört bekanntlich ein wie auch immer diffuses „Wehret den Anfängen“ und „Nie wieder Judenhass!“, aber die meisten verschließen ihre Augen bewusst vor dem Problem, dass wir uns gerade Millionen von antisemitisch Sozialisierten ins Land holen. Es scheint eine Art Vermutungsverbot zu bestehen, wenn es um die zukünftigen Probleme mit den unkontrolliert Eingewanderten geht, was natürlich das „Nie wieder!“ zu einer wohlfeilen Farce werden lässt.

Auch wenn es niemand offen ausspricht: es gibt guten und es gibt bösen Alarmismus. Der Alarmismus, wenn er das Klima, die Atomkraft, Gen-Food oder TTIP betrifft, ist eine „berechtigte Sorge“, während der Alarmismus „voll Nazi“ ist, wenn es um den Moloch Europa, den Islam oder den gesellschaftlichen Frieden geht.

Die Krise, die wir im Moment erleben, ist ja schon lange keine Krise von Einwanderung und Asylrecht mehr, sondern eine des Staatsversagens, in dessen Angesicht so fragwürdige Gestalten wie Orban, Putin, Le Pen oder Björn Höcke als attraktivere Counterparts zu Martin Schulz, Juncker, Merkel oder Ralf Stegner erscheinen. Man könnte dieses Phänomen auch die „Weimarer Republik im eigenen Hirn“ nennen. Denn das Fatale am anschwellenden Bocksgesang des Alarmismus und der Inbrunst ist die damit einhergehende Frontenbildung, die man inzwischen überall - in der Politik, auf der Straße, in den sozialen Netzwerken, aber eben auch in der eigenen Seele - erleben kann. Die Aufgeregtheit der einen führt dann zu Trotzreaktionen bei den anderen. Und umgekehrt.

Die gewaltige Flut der Marian Keech kann genauso leicht auch durch die immer schriller werdenden Töne in der Asyldebatte ersetzt werden. Ersetzt man das Weltenende durch „Abschaffung Deutschlands“ oder durch das „Ende der Volksidentität“ hat man das gleiche Geraune und die gleiche Angst, die unsere Freunde von der Klimakatastrophen-Front an den Tag legen. Diese Feststellung ändert ja nichts an der Tatsache, dass die momentan abgewickelte Krise der Arroganz der Macht geschuldet ist und den demokratischen Prinzipien Hohn spricht. Aber dieser Drops ist nun gelutscht und sich in ihn zu verbeißen und ständig auf ihm rumzukauen, ist wie das Verhalten schlechter Verlierer. Schluss mit der Empörung!

Verzeihen ja, Vergessen nie! sollte das Motto lauten. Vergessen wir Sigmar Gabriel und sein widerliches „Pack“ nicht. Vergessen wir Heiko Maas’ vorauseilenden Gehorsam dem Islam gegenüber nicht. Vergessen wir Horst Seehofer die ständigen Landungen als Bettvorleger nicht. Vergessen wir Katrin Göring-Eckardts frömmelnde Freude über viele neue Menschengeschenke nicht. Und vergessen wir Frau Merkels unsägliche Arroganz in der Fratze des Freundlichen nicht. Niemals. Aber verzeihen wir ihnen, denn das politische Personal ist das Abbild des Volkes. Und ein anderes gibt es nicht.

Wer zweifelt schon ernsthaft daran, dass es trotz vielleicht zweistelliger AfD bei der nächsten Bundestagswahl 2017 für eine Große Koalition wieder reichen wird? Vielleicht sogar unter Beteiligung der Grünen. Vielleicht sogar weiterhin mit einer Kanzlerin Merkel, so dass sich am Feudalismus der deutschen Demokratie nichts ändern dürfte. So sind wir halt, wir Deutschen. Oder wie es Henryk Broder kürzlich in einem SPIEGEL-Interview formulierte: „Ein geduldiges, opferbereites, teilweise sogar blödes Volk.“

„Behandle die Menschen nicht wie Idioten, denn sonst benehmen sie sich wie Idioten!“ In keinem anderen Satz ist das liberale Credo besser zusammengefasst. Und wir Deutschen benehmen uns wie Idioten, weil wir gewohnt sind, von den Herrschenden wie Idioten behandelt zu werden. Und wir wählen die Herrschenden, weil sie uns versichern, uns weiterhin wie Idioten zu behandeln.

Oder gibt es Parteien in Deutschland, gibt es Politiker, die ihre Wähler nicht wie Idioten behandeln, sondern ein Interesse an ihrer Mündigkeit haben? Die ihnen ihren „pursuit of happiness“ selbst überlassen, auf dass er ohne staatliche Lenkung gedeihen möge? Die ganz entspannt davon überzeugt sind, dass, wenn jeder das macht, was er am besten kann, die unsichtbare Hand eines unbekannten Gottes schon alles zum Guten richten werde? Die keinen volkserzieherischen Auftrag meinen ausführen zu müssen? Die nicht in jedes Empörungshorn tröten, wenn es um die Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner geht? Die keine apokalyptischen Schauerbilder an die Wand malen müssen, um noch mehr staatliche Lenkung zu rechtfertigen? Die unsere westliche Lebensweise verteidigen, statt sie ständig geißeln zu wollen? Die vor allem dazu stehen, dass das Wesen des Politikers darin besteht, an die Macht zu kommen und an der Macht zu bleiben, aber keinen religiösen Auftrag zu haben. Und die genau darüber lachen können? Denn das täte heute Not.

Sachdienliche Hinweise werden gerne entgegengenommen.

Der Autor betreibt den Blog http://www.der-gruene-wahn.de

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Leserpost

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Hannah Berg / 13.12.2015

Vielen Dank für Ihren klugen Artikel! Vieles ist traurigerweise wahr. Der tägliche Wahnsinn lässt sich dadurch psychologisch gut erklären, auch im Bezug auf einige Kommentare. “Und weil es der Gelassenheit Rußlands bisher! zu verdanken ist, daß wir uns noch nicht in einem auf europäischem Boden veranstalteten Krieg befinden.” Und weil die Anhänger von Marian Keech beteten, gab es keinen Weltuntergang ... Solange Sie, andere Achse-Autoren sowie Ihre Leser und mündige Bürger nicht aufgeben, gibt es in diesem Land noch eine Chance. Hoffentlich. Auch wenn ohne politische Heimat.

Brigitte Brils / 13.12.2015

Feste Überzeugungen sind nun mal wie ein gut geheiztes Stübchen - wer will da schon raus? Im Moment haben wir hier gerade ein nasses Sturmtief. Da setzt man sich lieber an den Ofen und denkt positiv.

Günther Möller / 12.12.2015

Ich kann Herrn Althoff nur beipflichten. Im übrigen hinkt der Vergleich mit der Flut der Marian Keech. Dieser ist einer reinen Fiktion entstanden. Die 1,5 Millionen “Flüchtlinge” in 2015 sind Realität und bei weiterer derzeitiger Frequenz werden es zusätzlich bis zu 4 Millionen in 2016 sein, hochgerechnet mit 4 “Nachzüglern” pro Nase, ergeben für sich für die nächsten Jahre 22 Millionen neue Mitbewohner überwiegend moslemischen Glaubens, die sich in übergroßer Mehrheit an unser Wertesystem niemals anpassen werden. Ich frage mich, ob das “identitäre” Volk das will, zumindest wäre das ein Thema für einen Volksentscheid. Thilo Sarrazin hatte in einem Punkt unrecht: Deutschland schafft sich nicht in einer oder zwei Generationen ab, sondern in wenigen Jahren, außer das Volk schafft die Abschaffer ab und setzt eine Regierung ein, die die Gesetze wieder einhält.

Timm Koppentrath / 12.12.2015

In Kreisen, wo Umweltschutz so beliebt ist wie die Pest, wird, wie in diesem Artikel auch, gerne auf das ausbleibende Waldsterben hingewiesen. Dass Gebete die zum Ausfall des Weltuntergangs führten, durch den Autor als so wirksam erachtet werden wie Jahrzehnte andauernde Anstrengungen zur subjektiv wahrnehmbaren und objektiv messbaren Verbesserung der Luftqualität, lässt auf kognitive Dissonanz noch ganz woanders schließen.

Sybille Schrey / 11.12.2015

„In den 50er Jahren entwickelte der US-Psychologe Lion Festinger die Theorie der kognitiven Dissonanz….“  Also Christian Morgenstern hat das ohne pseudowissenschaftliches Geschwurbel schon viel früher auf den Punkt gebracht: „Weil, so schließt er messerscharf, nicht sein kann, was nicht sein darf.“ Das beweißt sich hier auf der Achse leider immer wieder, z.Bsp. so: „...fragwürdige Gestalten wie Orban, Putin, Le Pen oder Björn Höcke als attraktivere Counterparts zu Martin Schulz, Juncker, Merkel oder Ralf Stegner erscheinen.“ Die vier Letztgenannten finden SIE also attraktiv - politisch oder sexuell? Und weil es der Gelassenheit Rußlands bisher! zu verdanken ist, daß wir uns noch nicht in einem auf europäischem Boden veranstalteten Krieg befinden, halten Sie Putin für fragwürdig. Alle Achtung, ein besseres Beispiel hätten Sie für Ihren Text nicht geben können! Herr Rietzschel ist allerdings noch besser als Sie. Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der größte Rußlandhasser im Land? Auf der Achse gibt es jedenfalls eine bedeutende Anzahl davon. Erstaunlich, wo sich doch Rußland - hinsichtlich der Medienhetze - in der gleichen Lage wie Israel befindet. „Das Überraschende an der Theorie der kognitiven Dissonanz besteht in dem Nachweis, dass der Mensch stark genug ist, seine Überzeugungen niemals ändern zu müssen und dass die Vernunft und die sachliche Argumentation zu schwache Reize sind, wenn es um die Anpassung der eigenen Weltanschauung geht. Hat man eine bestimmte Grenze der fast schon religiösen Inbrunst überschritten, werden selbst die widersprüchlichsten Fakten vom System der Selbstrechtfertigung geschluckt.“ Uneinsichtigkeit ist KEIN Zeichen von Stärke, sondern von Verblendung und Sturheit. Und das ist weiß Gott keine Überraschung. Das wußte selbst Adenauer, als er sagte: „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern.“ Er sagte auch: „Ist es nicht schrecklich, dass der menschlichen Klugheit so enge Grenzen gesetzt sind und der menschlichen Dummheit überhaupt keine?“ Mit dem europäischen Haus der Freiheit hat er sich allerdings geirrt, aber irren ist menschlich. Das ist der Widerspruch, zu dem von Ihnen angeführten Nachweis der Theorie, weshalb sich diese zwar als vorhanden, aber – wie immer - als mit der Realität nicht kompatibel erweisen wird.

Roland Müller / 11.12.2015

Sie liefern selbst ein bezeichnendes Beispiel für kognitive Dissonanz, indem Sie die Sorge um die Volksidentität, angesichts einer vor Ihren Augen stattfindenden realen Invasion, in einen Topf mit der unbegründeten Angst vor einer prophezeiten großen Flut und der oktroyierten Todesangst vor einer, eigentlich auch als angenehm zu verkaufenden, geringen Klimaerwärmung, werfen.

Helfried Richter / 10.12.2015

Vielleicht, Herr Vahlefeld, lassen sich viele von Ihnen genannten Regierungs-Idiotien auch recht gut mit dem Dunning-Kruger-Effekt erklären, welcher verkürzt so geht: “Keine Ahnung haben, dennoch davon überzeugt sein, Experte zu sein. Versuche, ihm sein fehlendes Wissen zu Bewußtsein zu bringen, scheitern.”

Jürgen Althoff / 10.12.2015

Aber Herr Vahlefeld, auch wenn Sie Herrn Höcke nicht mögen: eine solche Partei gibt es. Die AfD hält - nach dem Auszug des Merkel-Doppelgängers Lucke - ihre Mitglieder sogar für mündig genug, am Parteiprogramm mitzuwirken und darüber abzustimmen.

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