Eugen Sorg, Gastautor / 21.04.2018 / 16:37 / Foto: Tzahal / 9 / Seite ausdrucken

Wer zuerst schießt, bleibt länger am Leben

In diesen Tagen jährt sich Israels Geburtstag zum siebzigsten Mal. Das Land hat gute Gründe zum Feiern. Es verkörpert eine der außergewöhnlichsten Erfolgsstorys der politischen Geschichte. Gebaut aus dem Nichts, gehört die kleine multiethnische Nation nur ein paar Jahrzehnte später zu den Weltführern in der Hightech-Industrie, der Finanzbranche, der Militärtechnologie, sie hat den höchsten Lebensstandard im Nahen Osten, und sie ist die einzige lebendige Demokratie in einer Weltgegend von üblen Diktaturen und scheiternden Staaten. Das Erstaunlichste an Israel aber ist wohl, dass es überhaupt noch existiert.

Sechs-Tage-Krieg

Am selben Tag, am 14. Mai 1948, als David Ben-Gurion in Tel Aviv die Gründung Israels ausgerufen hatte, erklärten fünf arabische Staaten der kaum geborenen Nation den Krieg. Israel konnte sich verteidigen und überlebte. Neunzehn Jahre später marschierten erneut arabische Armeen an seinen Grenzen auf. „Das Ende Israels ist gekommen“, verkündete Radio Kairo triumphal, und der jordanische König feuerte seine Soldaten an: „Tötet, tötet, tötet; mit Händen, Nägeln, Zähnen.“ Der Waffengang dauerte sechs Tage. Dann waren die arabischen Invasoren geschlagen. Israel fühlte sich für einen Moment sicher. Zu sicher. Nur sechs Jahre darauf ein erneuter Überfall. 1973, an Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag, griffen arabische Truppen unter Allahu-Akbar-Rufen von Süden, Osten und Norden an. Israel war überrumpelt und geriet an den Rand des Untergangs, bevor es das Schlachtenglück doch noch wenden konnte.

Der Gründung Israels war Hitlers Völkermord an den Juden vorausgegangen. Nun sahen sich die jüdischen Überlebenden, die erstmals seit mehr als 3.000 Jahren wieder einen eigenen Staat hatten, erneut von einer Übermacht Todfeinden umgeben. Niemals aber würden sie sich wie beim Holocaust wieder willenlos in die Todeskammern abführen lassen. Diesmal waren sie entschlossen, sich zu wehren. 

Der Mossad

Dabei war den Gründerfiguren wie Ben-Gurion klar, dass selbst die schlagkräftigste Armee ein so junges und kleines Land auf die Dauer nicht würde retten können. Israel musste schlauer sein als seine Feinde, effizienter und listiger. Es musste in deren Köpfe hineinsehen können, ihre Gedanken lesen, ihre Pläne kennen und ihre Umsetzung im Keime neutralisieren. Es brauchte Geheimdienste, tollkühn und raffiniert und kaltblütig, welche die kleinen, schmutzigen und unsichtbaren Kriege zwischen den Kriegen führen und den Feind verwirren und lähmen können. Geheimdienste wie den legendären Mossad, zuständig für Auslandoperationen, und den geheimnisvollen Schin Bet, Inlandabteilung, beide von den Israelis aufgebaut und perfektioniert unter der permanenten und berechtigten Angst vor einem zweiten Holocaust.

Das kürzlich erschienene Buch des Journalisten Ronen Bergman, „Der Schattenkrieg“, ist die erste umfassende Darstellung der zwei israelischen Nachrichtendienste, die als die besten der Welt gelten. Bergman, selber Israeli, hat 1000 Interviews mit Leuten aus dem Umfeld der Dienste geführt – Spione, Chefs, Attentäter, Politiker – und unzählige Akten, Protokolle, Dokumente gelesen. Das 800-seitige Werk ist eine atemberaubende Reise durch die moderne Geschichte des Nahen Ostens und durch das schwarze Reich der Geheimagenten, chronologisch und packend erzählt entlang der gezielten Tötungen von Terroristen und sonstigen Feinden Israels durch den Mossad. 

3.000 Personen strategisch liquidiert 

Bergman hat nachgezählt: Seit dem Zweiten Weltkrieg haben die israelischen Geheimdienste etwa 3.000 Personen strategisch liquidiert, mehr als jede andere westliche Nation. Ihre moralische Rechtfertigung fasst ein Talmud-Zitat zusammen: „Wenn jemand kommt, dich zu töten, steh auf und töte ihn zuerst.“ Die Agenten eliminierten Terrorstrategen, Waffeneinkäufer, Massenmörder, Leute mithin, die israelische Bürger umgebracht hatten und dies weiterhin zu tun gedachten. Ihre Beseitigung rettete viele Leben und verhinderte schwere Krisen, so die Legitimierung der Geheimdienstler. Dass auch Unschuldige umgebracht wurden, sei ein Fehler, aber statistisch unvermeidlich und ändere die insgesamt positive Bilanz nicht.

Israels Angst, ausgelöscht zu werden, ist keine paranoide Holocaust-Obsession. Sie entspricht den Realitäten. Millionen arabischer Nachbarn wünschen sich den Untergang des Judenstaats, und Irans Theokraten versprechen regelmäßig, das „satanische zionistische Gebilde“ zu vernichten. Israel und seine Geheimdienste werden weiterhin mit dem moralischen Dilemma leben, dass man töten muss, um nicht getötet zu werden.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Basler Zeitung.

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Leserpost

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Brigitte Brils / 21.04.2018

Ja, Eugen Sorg. Nur ein Einwurf: Israel ist nicht aus dem Nichts entstanden, sondern es gab immer eine Grundlage: die Tora.

Hans-Peter Dollhopf / 21.04.2018

Der Staat Israel fasziniert, getrennt vom Judentum selbst, weil für ihn die Existenz und die Unversehrtheit dieses einen Volkes und jeder einzelnen Jüdin und jedes Juden die Kernaufgabe ist. Ein Volk behütet wie in Abrahams Schoß! Merkel & Co. könnten sich tonnenweise Scheiben abschneiden bei der Verantwortlichkeit gegenüber dem deutschen Volk ... (aber lassen wir das besser)

Gundi Vabra / 21.04.2018

Ein Absatz im Koran und in Artikel 7 der Hamas: Die Stunde wird nicht schlagen, bis die Muslime die Juden bekämpfen und töten, sodass die Juden sich hinter Steinen und Bäume verstecken. Die Steine oder Bäume sagen jedoch: O, Muslim! O, Diener Gottes, ein Jude versteckt sich hinter mir. Komm und töte ihn! Nur al-Gharqad nicht; denn er ist ein Baum der Juden. Gott schütze die Juden und Israel! Happy Birthday! Mögen Kluge nachdenken das GG und die bayerische Verfassung zu ändern. Die Gründungsväter hätten sicher nicht den Islam oder Muslime die zu Mio. nach Deutschland migrierten im Sinn, als sie die Religionsfreiheit als besonders schützenswert ansahen, sondern ausschließlich die Gräueltaten des 3. Reiches. Hitler hatte im Nahen Osten auch eifrige Unterstützer die bereitwillig an der Endlösung der Vernichtung der Juden mithalfen. Machen wir uns heute nicht zu Handlangern koranischem Hasses auf Juden. Der Islam gehört nicht zu Deutschland.

Matthias Braun / 21.04.2018

Kaum ein Israelkritiker hat wohl genug Phantasie und Einfühlungsvermögen,sich in die Lage Israels hinein zu denken. Die meisten haben eine kriegerische Bedrohung ihres Landes,zum Glück noch nie erlebt. Und wieviele von ihnen haben Israel wohl bereist, vorurteilsfreie Gespräche mit Einheimischen geführt?

Michael Fasse / 21.04.2018

Israel wird nie wieder untergehen. Es hat einen Schutz, der unüberwindbar ist. Friedrich der Große von Preußen, der „alte Fritz“, forderte einmal: „Liefern Sie mir mit einem Wort einen Beweis, dass die Bibel wahr ist!“ Sein Adjutant antwortete prompt: „Die Juden, Majestät.“ Die Juden haben ihr uraltes Heimatland endlich wieder und niemand wird sie je wieder von dort vertreiben. Man muss kein Bibelkundiger oder Frommer sein, um erahnen zu können, dass hinter Israel etwas steht, was größer ist als alles, was Menschen denken können.

Evelyn Puhlst / 21.04.2018

Wer zuerst schießt, bleibt länger am Leben.  Ein Credo, was sicherlich dazu beigetragen hat, dass Israel nicht von der Weltkarte verschwunden ist, zum Verrecken seiner arabischen Gegner.  Israels spektakuläre Erfolgsgeschichte in allen Bereichen wie Militär, Spionage,Technik,  IT, Wissenschaft,  Landwirtschaft (u.a. Bewässerungsanlagen)  ist nur sehr schwer für die arabische Welt zu ertragen,  zumal diese ja nichts auf die Reihe kriegen.  Israel,  der demokratisch freiheitliche Limes gegen ein Meer von arabischen Feinden.  Gott beschütze Israel !

Gertraude Wenz / 21.04.2018

Das ist doch Notwehr, sozusagen erweiterte Notwehr, nicht im unmittelbaren Kampf, sondern im Vorfeld, dennoch moralisch schwierig. Unschuldige und Fehleinschätzungen lassen sich wohl nicht vermeiden.

Gabriele Schulze / 21.04.2018

Ob in dem Israel-Bashing nicht auch heimliche Bewunderung mitschwingt? Und seine Stärke ist einem unheimlich? Vielleicht sogar unwillkommen.

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